A.G. Cook: "7G" und "Apple"

Der John Lennon des 21. Jahrhunderts

06:07 Minuten
A.G. Cook sitzt mit einem geheimnisvoll leuchtenden Laptop auf dem Schoß im Schneidersitz in einem Waldflussidyll und blickt erstaunt in die Kamera.
Jenseits aller "guilty pleasures": Pop-Experimentator A.G. Cook im Idyll © Alaska Reid/Julian Buchan
Von Christoph Möller · 22.09.2020
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Ist das noch Pop oder schon die Karikatur von Pop? Diese Frage werfen die beiden Alben des Produzenten A.G. Cook „7G“ und „Apple“ auf. Seine Sounds schweben zwischen Zuckerschock und Avantgarde.
Das nächste große Ding in der Pop-Musik. Das sollte sie sein, die Musik von PC Music. Vor etwa fünf Jahren wurden die hyperaktiven Tracks dieses britischen Labels von einigen hochgelobt. Und von anderen als billigen Trash abgetan.
Chef von PC Music ist heute wie damals A.G. Cook. Er ist Anfang 30, kommt aus Großbritannien und wohnt jetzt in Los Angeles. Unter anderem produziert er für die Pop-Sängerin Charli XCX.
In diesem Jahr will A. G. Cook gleich zwei Debütalben herausbringen, wie er das nennt. Im August erschien "7G". Ein experimentelles Album, fast drei Stunden Spielzeit auf sieben CDs. Klangskizzen und Cover-Versionen. Zum Beispiel von Taylor Swift und Blur.

"Keine Parodie, sondern großartig"

Und dieses Album, "7G", ist so etwas wie das Gerüst, mit dem A.G. Cook sein zweites, eher konventionelles Album gebaut hat: "Apple", das soeben erschienen ist. Es klingt wie typische PC-Music-Musik: Man weiß nicht so richtig, ob das Pop ist – oder die Karikatur von Pop.
"Für uns hat es sich nie angefühlt wie eine Parodie", sagt A.G. Cook selbst dazu. "Nehmen wir zum Beispiel 'Call Me Maybe' von Carly Rae Jepson. Viele mögen das Stück, fühlen sich aber schlecht dabei. Wir hingegen sagen: Das ist ein großartiger Song."
Cook nimmt die Klangästhetik von Popsongs und treibt sie auf die Spitze. Er macht sich nicht lustig über Pop. Er macht sich aber auch nicht nicht lustig über Pop. Auf "Apple" reflektiert er die ästhetischen Mittel der Pop-Produktion ganz generell:
"Ich mag dabei dieses leicht beklemmende Gefühl. Ist das jemand, der nur versucht, ein Popsänger zu sein? Oder ist das wirklich ein Popsänger? Was ist ein Produzent? Bei mir gibt es auch diesen Schlafzimmersound, den ich gerne erforsche."

Alles eher instabil

Das hört man gut in "Oh Yeah", einem Song, den Cook als absolut menschlich beschreibt:
Einfacher melodischer Gesang, der später übergeht in roboterhafte Effekte. Absolut menschlich, das ist natürlich ironisch gemeint. Auf "Apple" ist alles eher instabil. Ein Stück mit Singer-Songwriter-Appeal wie "Oh Yeah" wird konterkariert mit so etwas hier:
Die britische Zeitung "The Times" findet, das sei "clever, aber leider unhörbar". "Apple" gebe sich als authentisches Singer-Songwriter-Album, doch der hysterische Rave von A. G. Cook sei weit entfernt von Songschreibern wie James Taylor oder Carole King.

Der Sound der TikTok-Gegenwart

In Reddit-Foren und YouTube-Kommentarspalten gibt es aber viele, die anderer Meinung sind und Cook als "John Lennon des 21. Jahrhunderts" beschreiben. Weil er ein bisschen so aussieht wie der Beatle – und ein bisschen mehr Anerkennung bekommen sollte. Cook sagt, der Sound der Gegenwart ist aber schon Anerkennung genug:
"Ich würde sagen, vieles klingt heute so, wie ich es sowieso gemacht hätte. Nicht, dass ich irgendwie ein TikToker wäre. Aber die Idee, einen kurzen Song zu produzieren, mit einem interessanten Geräusch aus irgendeinem Genre – und dann weiter zum nächsten. Das erinnert mich schon daran, wie ich Musik mische, oder an DJ-Stile, die ich schon immer sehr mochte."
Dieser Stil ist Cook häufig als Makel ausgelegt worden. Als technische, vermeintlich nicht authentische Herangehensweise an Musik. Doch für junge Pop-Fans und Produzenten wie ihn spielt vermeintliche Authentizität offenbar keine Rolle mehr.
"Für mich passt Transparenz besser. Als kleiner Unterschied zur Authentizität. Denn du kannst nie sagen, was die wahre Bedeutung von etwas ist. Aber du kannst fühlen, dass etwas ein bisschen transparent ist. Dass du reingelassen wirst."

Zarter Hauch von Menschlichkeit

Und tatsächlich: Man wird hier reingelassen. Und spürt immer wieder eine große Melancholie auf "Apple". Einen zarten Hauch von Menschlichkeit, der die synthetische Ästhetik der Übertreibung abfedert.
Ob diese Menschlichkeit dann nur simuliert ist oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber "Apple" ist am Ende nicht nur eine Studie über die Mechanismen von Pop. Sondern selbst cleverer Pop, der mehr leistet als die meisten anderen Alben: Er provoziert starke Reaktionen und sagt deshalb mehr aus über die Zuhörenden, als über den Künstler.
Das Album ist eine Art "Schnelltest Pop". Wer es mag, den bringt Stadionpop á la Ariana Grande und BTS nicht aus der Ruhe. Wer dieses Album mag, der sagt: Ich reiße mir kein Bein aus, um mein Interesse an Pop zu rechtfertigen.
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