80 Jahre WM-Wahnsinn
Passgenau zur Fußballweltmeisterschaft erscheint die DVD-Rom "Fußballchronik 2010". Hier lässt sich per Mausklick genau nachverfolgen, wer wann wo in welcher Mannschaftsaufstellung bei welcher WM dabei war. Auch Ausschnitte der besten Spielszenen sind zu sehen.
Ein Mann erscheint auf der DVD-Rom besonders prominent: Michael Ballack. In dem Kapitel "DFB-Team" wird er als "Kapitän der Nationalmannschaft" vorgestellt, wo es doch eigentlich "ehemaliger Kapitän" heißen müsste, aber das konnte bei Redaktionsschluss niemand ahnen. Vorne weg geht Michael Ballack auch in einem Werbefilmchen der Firma Adidas, das auch seinen Platz auf der Silberscheibe gefunden hat:
"Jedes Team braucht ein Trikot mit einer Geschichte, doch was, wenn es keine Geschichte gibt?"
Ja, was dann? So schnell kann es also passieren, dass die Geschichte über einen hinweggeht. Michael Ballacks Schicksal relativiert sich angesichts der Datenmenge, die sich per Mausklick abrufen lässt: Mehr als 14.500 Einträge und 2.000 Bilder enthält die "Fußballchronik 2010". Dazu Videos und Audios aus 80 Jahren Fußballgeschichte. Erste Filmaufnahmen zeigen die zweite Fußballweltmeisterschaft, 1934 in Rom:
"1:0 für die Tschechen, bis acht Minuten vor Schluss. Dann erzielt Orsi den Ausgleich und in der Verlängerung siegt Italien. Zur Siegerehrung kommen außer Italienern und Tschechoslowaken auch die Deutschen, die gegen das Wiener Wunderteam Dritte wurden."
1938, nach dem "Anschluss" Österreichs ist es vorbei mit der Wiener Wunderelf. Für die Weltmeisterschaft in Frankreich bildet Sepp Herberger auf Befehl Adolf Hitlers eine Nationalelf aus Deutschen und Österreichern. Der Ersatztorhüter Karl Lennartz erinnert sich an die Probleme dieser erzwungenen Fusion, Deutschland scheitert im Achtelfinale an der Schweiz:
"Die Österreicher spielten noch den offenen, frohen, freien Fußball über das ganze Feld hinweg, wie sie ihn immer gespielt hatten und die Deutschen vorher auch einmal. Und wir hingen schon ein bisschen an dem englischen Fußball, da standen die altdeutschen mit dem englischen System und die neudeutschen mit dem freien, fröhlichen, offenen Spiel und das haute auf Anhieb einfach nicht hin."
Der Verlag USM hat schon einige Erfahrungen mit Sportchroniken aller Art, für die aktuelle Ausgabe der Fußballchronik wurde die Benutzeroberfläche überarbeitet. Die verschiedenen Zeit- und Funktionsebenen sind intelligent miteinander verknüpft: So kann man beispielsweise jenes berühmte Endspiel von 1954 ansteuern - Deutschland gegen Ungarn – und kann sich in einem Video das berühmte Siegtor von Helmut Rahn anschauen. Die Ergebnisse der Gruppenphase und der Finalspiele sind auch dokumentiert. Mit einem Klick kommt man zur jeweiligen Mannschaftsaufstellung und mit einem weiteren kann man recherchieren, wer wann wo noch gespielt hat. Helmut Rahn beispielsweise kam auf insgesamt zehn WM-Spiele, sein letzter Einsatz bei einer Weltmeisterschaft war am 28. Juni 1958, das Spiel um Platz drei in Göteborg:
"Das Spiel wird zum Fontaine-Festival, vier Tore schießt er allein in diesem Spiel, 13 insgesamt. Da gelingt Helmut Rahn wie so oft ein Tor aus unmöglichem Winkel, doch die Freude der Deutschen währt nicht lange, noch in der Schlussminute schießt Fontaine das sechs zu drei für Frankreich, das damit dritter wird."
Die WM von '58 ist heute vergessen, die von '62 auch, die von 1966 nicht. Damals fand die Weltmeisterschaft erstmals in England statt, eröffnet von einer jungen Frau im weißen Kostüm – der Queen.
Am Ende steht Deutschland im Finale, gegen England, im Wembley-Stadion - und verliert wegen einer bis heute umstrittenen Torentscheidung. Fußballphilosophisch gesehen machen gerade solche Momente das besondere dieser Sportart aus:
"Wie kein anderes Spiel in der Welt zieht Fußball die Massen an. Warum gerade Fußball? Seine Regeln sind einfach in ihren Grundzügen, das Spiel leicht zu verfolgen, ein Spiel für die hervorragende Einzelleistung und ein Mannschaftsspiel, mit immer neuen, ständig wechselnden Kombinationen. Ein Kampfspiel, stets in fließender schneller Bewegung, voller Leidenschaft, voller Schönheit, Artistik, Akrobatik, fast Ballet. Unterhaltung, Schauspiel, Drama."
Unterhaltung, Schauspiel, Drama – 1974 wird Deutschland Weltmeister im eigenen Land, im Finale gegen Holland. 16 Jahre später 1990 triumphiert Deutschland mit 1:0 im Finale gegen Argentinien. Vom Sommermärchen 2006 finden sich keinerlei Film oder Tondokumente auf der DVD-Rom. Ein Manko, das durch eine Neuerung ausgeglichen wird: Videos von Spielern und Spielen können durch einen YouTube-Zugang direkt in der Fußballchronik angeschaut werden, vorausgesetzt natürlich man ist online. Ein wirklich gelungenes Detail.
Denn auf Youtube gibt es ja inzwischen viel mehr, als man auf DVDs versammeln könnte. Dort findet sich dann auch jene pathetische Würdigung der "Sommermärchen"-Männer:
"Lasst mich ein Lied für euch schreiben und euren Namen singen: Wir salutieren vor Kapitän Michael Ballack, Du hast trotz Deiner Schmerzen krass geballert, Du hast hart gekämpft, den Elfer reingeschossen, als ich Deine Tränen sah, sind auch meine geflossen. Der nächste Held heißt Thorsten Frings ..."
Ob es in diesem Jahr wieder einen Grund gibt, danke zu sagen – man wird sehen. Und nachlesen können – in der nächsten Fußballchronik, denn Fortsetzung folgt bestimmt.
"Die große Fußballchronik 2010"
USM-Verlag
ISBN: 978-3-8032-2761-4
19,90 EUR
"Jedes Team braucht ein Trikot mit einer Geschichte, doch was, wenn es keine Geschichte gibt?"
Ja, was dann? So schnell kann es also passieren, dass die Geschichte über einen hinweggeht. Michael Ballacks Schicksal relativiert sich angesichts der Datenmenge, die sich per Mausklick abrufen lässt: Mehr als 14.500 Einträge und 2.000 Bilder enthält die "Fußballchronik 2010". Dazu Videos und Audios aus 80 Jahren Fußballgeschichte. Erste Filmaufnahmen zeigen die zweite Fußballweltmeisterschaft, 1934 in Rom:
"1:0 für die Tschechen, bis acht Minuten vor Schluss. Dann erzielt Orsi den Ausgleich und in der Verlängerung siegt Italien. Zur Siegerehrung kommen außer Italienern und Tschechoslowaken auch die Deutschen, die gegen das Wiener Wunderteam Dritte wurden."
1938, nach dem "Anschluss" Österreichs ist es vorbei mit der Wiener Wunderelf. Für die Weltmeisterschaft in Frankreich bildet Sepp Herberger auf Befehl Adolf Hitlers eine Nationalelf aus Deutschen und Österreichern. Der Ersatztorhüter Karl Lennartz erinnert sich an die Probleme dieser erzwungenen Fusion, Deutschland scheitert im Achtelfinale an der Schweiz:
"Die Österreicher spielten noch den offenen, frohen, freien Fußball über das ganze Feld hinweg, wie sie ihn immer gespielt hatten und die Deutschen vorher auch einmal. Und wir hingen schon ein bisschen an dem englischen Fußball, da standen die altdeutschen mit dem englischen System und die neudeutschen mit dem freien, fröhlichen, offenen Spiel und das haute auf Anhieb einfach nicht hin."
Der Verlag USM hat schon einige Erfahrungen mit Sportchroniken aller Art, für die aktuelle Ausgabe der Fußballchronik wurde die Benutzeroberfläche überarbeitet. Die verschiedenen Zeit- und Funktionsebenen sind intelligent miteinander verknüpft: So kann man beispielsweise jenes berühmte Endspiel von 1954 ansteuern - Deutschland gegen Ungarn – und kann sich in einem Video das berühmte Siegtor von Helmut Rahn anschauen. Die Ergebnisse der Gruppenphase und der Finalspiele sind auch dokumentiert. Mit einem Klick kommt man zur jeweiligen Mannschaftsaufstellung und mit einem weiteren kann man recherchieren, wer wann wo noch gespielt hat. Helmut Rahn beispielsweise kam auf insgesamt zehn WM-Spiele, sein letzter Einsatz bei einer Weltmeisterschaft war am 28. Juni 1958, das Spiel um Platz drei in Göteborg:
"Das Spiel wird zum Fontaine-Festival, vier Tore schießt er allein in diesem Spiel, 13 insgesamt. Da gelingt Helmut Rahn wie so oft ein Tor aus unmöglichem Winkel, doch die Freude der Deutschen währt nicht lange, noch in der Schlussminute schießt Fontaine das sechs zu drei für Frankreich, das damit dritter wird."
Die WM von '58 ist heute vergessen, die von '62 auch, die von 1966 nicht. Damals fand die Weltmeisterschaft erstmals in England statt, eröffnet von einer jungen Frau im weißen Kostüm – der Queen.
Am Ende steht Deutschland im Finale, gegen England, im Wembley-Stadion - und verliert wegen einer bis heute umstrittenen Torentscheidung. Fußballphilosophisch gesehen machen gerade solche Momente das besondere dieser Sportart aus:
"Wie kein anderes Spiel in der Welt zieht Fußball die Massen an. Warum gerade Fußball? Seine Regeln sind einfach in ihren Grundzügen, das Spiel leicht zu verfolgen, ein Spiel für die hervorragende Einzelleistung und ein Mannschaftsspiel, mit immer neuen, ständig wechselnden Kombinationen. Ein Kampfspiel, stets in fließender schneller Bewegung, voller Leidenschaft, voller Schönheit, Artistik, Akrobatik, fast Ballet. Unterhaltung, Schauspiel, Drama."
Unterhaltung, Schauspiel, Drama – 1974 wird Deutschland Weltmeister im eigenen Land, im Finale gegen Holland. 16 Jahre später 1990 triumphiert Deutschland mit 1:0 im Finale gegen Argentinien. Vom Sommermärchen 2006 finden sich keinerlei Film oder Tondokumente auf der DVD-Rom. Ein Manko, das durch eine Neuerung ausgeglichen wird: Videos von Spielern und Spielen können durch einen YouTube-Zugang direkt in der Fußballchronik angeschaut werden, vorausgesetzt natürlich man ist online. Ein wirklich gelungenes Detail.
Denn auf Youtube gibt es ja inzwischen viel mehr, als man auf DVDs versammeln könnte. Dort findet sich dann auch jene pathetische Würdigung der "Sommermärchen"-Männer:
"Lasst mich ein Lied für euch schreiben und euren Namen singen: Wir salutieren vor Kapitän Michael Ballack, Du hast trotz Deiner Schmerzen krass geballert, Du hast hart gekämpft, den Elfer reingeschossen, als ich Deine Tränen sah, sind auch meine geflossen. Der nächste Held heißt Thorsten Frings ..."
Ob es in diesem Jahr wieder einen Grund gibt, danke zu sagen – man wird sehen. Und nachlesen können – in der nächsten Fußballchronik, denn Fortsetzung folgt bestimmt.
"Die große Fußballchronik 2010"
USM-Verlag
ISBN: 978-3-8032-2761-4
19,90 EUR