80 Jahre Daisy Duck (vielleicht)

Vom weiblichen Rowdy zu Donalds besserer Hälfte

Daisy Duck und Donald Duck aus dem Jahr 1983.
Daisy Duck und Donald Duck aus dem Jahr 1983. © imago/United Archives
Andreas Platthaus im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 09.01.2017
Vor genau 80 Jahren tauchte eine Entendame namens Donna Duck auf der Leinwand auf. Donald Duck hatte bei der ersten Begegnung mit ihr nichts zu lachen. Ob Donna dann drei Jahre später zur berühmten Daisy wurde, ist umstritten.
Die allererste Begegnung mit ihr verlief für Donald suboptimal. Er wurde geohrfeigt und bekam eine Gitarre auf den Kopf, zum Schluss stieß ihn sein Gegenüber in einen Teich und feierte das mit einem Tänzchen.
Gemein! Und so gar nicht damenhaft … Donna Duck zeigte sich gleich zu Anfang – am 9. Januar 1937 in den US-amerikanischen Kinos – von ihrer schlechten Seite. Zugleich aber auch von ihrer emanzipierten, wie FAZ-Comic-Experte Andreas Platthaus betont.
Diese Donna stand quer zum allgemeinen Frauenbild. Sie sei die dominante Figur in dem Film gewesen, so Platthaus:
"Es ist tragisch, wenn man als großer Liebhaber von Donald sieht, wie er sich von dieser Dame sofort unterbuttern lässt."
Das änderte sich allerdings relativ schnell, rund drei Jahre später. Da tauchte eine Entendame plötzlich auch in den gezeichneten Disney-Comics auf – hieß allerdings nicht mehr Donna, sondern nun Daisy.

"Ich nehme ernst, was in Entenhausen passiert"

Ist es die gleiche? Möglich. Doch Zweifel sind angebracht. Denn Daisy hatte einen völlig anderen Charakter. Sie war ein "Heimchen", so Donald-Experte Platthaus. Er selbst weist die Theorie brüsk zurück, es könnte sich um die gleiche Entendame handeln. Für ihn sei die immer wieder geäußerte "Annahme, dass Donna Duck mit Daisy identisch ist, als Donaldist ganz schwer erträglich", betonte er im Deutschlandradio Kultur.
"Denn wir nehmen einfach ernst, was in Entenhausen passiert, und wenn da jemand Donna heißt, dann ist das Donna Duck, und wenn jemand Daisy heißt, dann ist das Daisy Duck. Und die beiden haben vielleicht etwas miteinander zu tun, die gleichen Nachnamen könnten dafür sprechen, aber das müssen wir herauskriegen, und das haben wir bisher noch nicht geschafft."
Daisy Duck steht Platthaus zufolge bis heute für ein eher traditionelles Rollenbild. Sie ist inzwischen zwar emanzipierter als früher, aber noch immer eine Nebenfigur, und wenn sie ins Abenteuer zieht, dann muss sie zumeist letztendlich aus der Gefahr befreit werden. Oder hat Glück.
(ahe)

Liane von Billerbeck: 7:35 Uhr, wer um acht in der Schule sein will, der sollte jetzt das Haus verlassen – was aber schade wäre, denn jetzt kommt ein sehr schönes Thema! Und es geht um etwas, man kann mit Fug und Recht sagen, dass die erste Begegnung, die sie mit einem gewissen Mann namens Donald Duck hatte, stürmisch war, sehr stürmisch! Es setzte Ohrfeigen, eine Gitarre wurde auf dem Kopf zerprügelt und der Kerl in einen Teich gestoßen, und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wurde das Chaos auch noch betanzt! Donna Duck hieß die Dame, und dennoch, es war wohl der Beginn einer großen Liebe, die allerdings bis heute nicht in eine Ehe mündete. Na, manche sagen, das sei die Voraussetzung für ewige Liebe. 80 Jahre ist das her, am 9. Januar 1937, als die Entendame Donna Duck zum ersten Mal auf der Kinoleinwand zu sehen war, und aus ihr wurde dann drei Jahre später Daisy Duck. Einer, der Daisys Welt bestens kennt, ist Andreas Platthaus, Feuilletonredakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen" und Comic-Experte und jetzt am Telefon, schönen guten Morgen!
Andreas Platthaus: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Bei Ihnen im Blatt ist heute anders als in vielen anderen nicht im Geringsten die Rede, gibt also auch kein Bild von Daisy oder Donna. Eben weil’s 1937 gar nicht Daisy war, die da geboren wurde, sondern Donna, und Sie feiern dann in drei Jahren?
Platthaus: Das ist eines der Argumente, was wir wählen könnten. Aber ich bin mir noch nicht sicher, was wir in drei Jahren machen. Das Schöne an Tageszeitungen ist, dass ich ja nicht mal weiß, was heute passieren wird, und wer weiß, was in drei Jahren sein wird. Aber es ist tatsächlich so, dass für mich immer wieder die Annahme, dass Daisy Duck mit Donna identisch ist, als Donaldist ganz schwer erträglich ist. Denn wir nehmen einfach ernst, was in Entenhausen passiert, und wenn da jemand Donna heißt, dann ist das Donna Duck, und wenn jemand Daisy heißt, dann ist es Daisy Duck. Und die beiden haben vielleicht etwas miteinander zu tun, die gleichen Nachnamen könnten dafür sprechen, aber das müssen wir herauskriegen. Und das haben wir bisher noch nicht geschafft und von Identität können wir überhaupt nicht reden. Und dementsprechend bin ich sehr glücklich, dass niemand bei uns auf den Gedanken gekommen ist, diesen etwas verqueren Geburtstag zu begehen.
von Billerbeck: Sie nennen sich also selber Donaldist, so weit geht’s dann schon?
Platthaus: Selbstverständlich, das ist schon etwas, was für mich sehr, sehr wichtig ist in meinem Leben. Der Donaldismus hat mich in gewisser Weise überhaupt erst, ja, das logische Denken ist vielleicht etwas übertrieben, aber sagen wir: das sehr konsequente Denken gelehrt. Denn wenn man sich mit einer Welt beschäftigt, die die allermeisten Menschen für völlig irreal halten, da muss man sehr genau und sehr exakt begründen, wenn man da Thesen zu aufstellt. Und dementsprechend glaube ich, dass in gewisser Weise die Arbeitsweise, die ich pflege, sehr stark durch den Donaldismus geprägt worden ist.
von Billerbeck: Jetzt mal egal, ob es Donna war, die da vor 80 Jahren geboren wurde, oder ob es tatsächlich die als Donna verkleidete Daisy war, beide tragen Stöckelschuhe, klimpern mit den Wimpern und lieben Picknicks und …
Platthaus: Ja, wenn es das ist, hätten wir aber viele identische Menschen …
von Billerbeck: Auf der anderen Seite hat sie Disney-Autor Carl Barks aber gar nicht so als Tusse gezeichnet, sondern auch als clever, zupackend und selbstbewusst. Wie emanzipiert war die Dame denn oder die beiden Damen denn nun wirklich?
Platthaus: Also, Donna Duck ist unglaublich emanzipiert. Sie haben es am Anfang ja gesagt, also, dieser Auftritt ist so etwas von souverän und auch virtuos und natürlich auch geradezu bösartig, weil sie ganz klar die dominante Figur in dem Film ist und dementsprechend Donald geradezu als Underduck oder so etwas darin bezeichnet werden muss. Das ist tragisch, wenn man als großer Liebhaber von Donald sieht, wie er sich von dieser Dame sofort unterbuttern lässt. Das ändert sich in den Comics gravierend und da ist nicht einmal Carl Barks vordringlich für wichtig, sondern vor allem Al Taliaferro, der sie drei Jahre später in den Comicstrip mit Donald Duck übernommen hat, und dort der Name Daisy dann populär wurde. Und der hat aus ihrer eher so eine Art Heimchen gemacht, eine wirklich, ja, eine Comicfigur, mit der man sich sehr schwer identifizieren kann. Die meisten Donaldistinnen, die ich kenne, können mit Daisy Duck überhaupt nichts anfangen und halten sich lieber an Oma Duck, die eben eine viel engagiertere und emanzipiertere Frau ist.
von Billerbeck: War Daisy denn der Idealtypus der modernen Frau in den 30er- bis 50er-Jahren?
Platthaus: Der modernen Frau, hoffe ich mal nicht, der wird auch damals schon anders ausgesehen haben.
von Billerbeck: Das war jetzt ein bisschen ironisch gemeint.
Platthaus: Ja, schon klar, wir müssen ja immerhin sehen, dass auch eine Frau wie Marlene Dietrich damals beispielsweise im Kino spielte, und die hat solche Rollen nie und nimmer übernommen. Also gab es natürlich eine Art von Bedarf auch an durchaus moderneren Frauen in unserem heutigen Sinne. Aber klar, die Disney-Comics sollten vor allem ein idealtypisches amerikanisches Familienbild vermitteln und da war eine brave Frau, die sich dem Mann eher unterordnet und die brav am Herd steht und nicht mit auf Abenteuer geht, wenn es denn überhaupt zu Abenteuern kam, und die im besten Falle, wenn überhaupt es um Streit oder so was ging, das Ganze aus Eifersucht anzettelte, war da eigentlich viel besser als jemand wie Donna Duck, die am Anfang einfach sofort den ganzen Film an sich reißt und im Endeffekt einen zerschmetterten Mann zurücklässt.
von Billerbeck: Trotzdem blieb sie ja immer irgendwie die Nebenfigur, die eigentlichen Abenteuer, die haben die Männer erlebt. Wann hat sich das geändert?
Platthaus: Das hat sich in gewisser Weise nie geändert, muss man ehrlich sagen. Selbst wenn heute Daisy Duck natürlich viel emanzipierter gezeichnet wird, wenn sie "Mickey Mouse"-Hefte der Gegenwart aufschlagen, dann werden sie darin nicht mehr dieses Klischeebild finden, aber Sie werden auch keine große Abenteuerin finden. Es ist bezeichnend, dass die Geschichten in denen Daisy Duck dann doch einmal auf Abenteuer ausgeht – wobei die sich weitgehend auch darauf beschränken, dass man in der näheren Umgebung von Entenhausen vielleicht mal mit wilden Tieren konfrontiert wird oder mit Banditen –, dann ist es immer so, dass sie im Regelfall in Gefahr gerät und dass sie sich zwar mittlerweile auch manchmal selbst daraus befreit, aber dass sie nie und nimmer, wie das beispielsweise Donald oder dem Neffen gelingt, ganz eigenständig sich entscheidet auf solche Begegnungen, und dann auch wiederum aus aller möglichen Kraft oder Geschicklichkeit da herauskommt. Sondern das sind dann mehr Zufälle oder eine Art Mutterwitz, die sie mittlerweile zeigt. Die Abenteuerin ist Daisy Duck nie geworden, die weibliche Abenteuerin gibt es in den Disney-Comics bisher noch überhaupt nicht, das muss noch entwickelt werden. In den Filmen sind wir da viel weiter.
von Billerbeck: Aber es gibt ja auch andere Comics, auch das Genre hat sich ja weiterentwickelt, es gibt ja eben nicht nur diese Comics und da spielen auch Frauen eine andere Rolle. Ich habe gelesen, dass auch bei den Comicleserinnen die Gruppe der 17- bis 33-Jährigen die am schnellsten wachsende Gruppe ist, und die wollen natürlich dann auch ihre Heldinnen haben, die ihrem Leben entsprechen. Wann kam das auf, dass Frauen Heldinnen, auch Abenteurerinnen im Comic wurden?
Platthaus: Das, würde ich sagen, hat es schon recht früh gegeben. Ein sehr berühmter Fall, von dem werden wir sehr bald sehr viel hören, weil nämlich ein Kinofilm damit jetzt bald startet, nämlich "Valerian und Veronique", war dieser Comic diesen Namens, "Valerian und Veronique" aus den späten 60er-, Anfang 70er-Jahren aus Frankreich von Jean-Claude Mézières. Der heißt im Französischen witzigerweise nur "Valérian", also nur nach dem männlichen Hauptdarsteller, und in gewisser Weise haben die Deutschen, als sie diesen Comic übersetzt haben, vollkommen zu Recht auch die Heldin mit in den Titel genommen, darum dann "Veronique" mit dazu. Und das ist eine ganz großartige Frauenheldenfigur, die im Endeffekt dem Mann wirklich den Rang abläuft, weil sie viel interessanter gezeichnet, viel spannender von der Konzeption her erzählt ist als der Mann. Also da, würde ich sagen, geht genau mit der gesellschaftlichen Gegenbewegung auch die Emanzipation der Frauen zu Heldinnen im Comic einher. Dass allerdings dadurch auch Leserinnen erreicht wurden, das ist eigentlich erst ein Resultat der letzten, sagen wir mal, 20 Jahre, und das hat viel mehr mit dem japanischen Manga zu tun als mit den westlichen Comics, weil die japanischen Mangas von Anfang an ganz stark auf Leserdiversifikation gesetzt haben, sprich, die bauten auch tatsächlich ihren Leserinnen extrem positiv besetzte Frauenfiguren an, im klassischen Sinne Heldinnen. Und darum wurden die irgendwann auch im Westen so wahnsinnig erfolgreich, vor allem nach der Jahrtausendwende, und das sind die Mangaleserinnen, genau diese Gruppe von Frauen, die jetzt dazu führen, dass immer mehr Comicleserinnen auf den Markt drängen. Und dankenswerterweise wird jetzt der Westen unter Druck gesetzt, da entsprechend auch Angebot zu schaffen, und darum werden die Comics einfach viel interessanter, was die Frauenfiguren angeht.
von Billerbeck: Gilt das auch für die Zeichnerinnen, sind da auch viel mehr Frauen jetzt unterwegs, die da ihre Heldinnen auch aufs Papier bannen?
Platthaus: In Deutschland allemal. Wobei das Interessante ist, dass die deutschen Comiczeichnerinnen, die mittlerweile, würde ich sagen, viel interessanter arbeiten als die Männer, zumindest so in der jüngeren Generation zwischen 25 und 40, dass die eigentlich gar keine klassischen Heldengeschichten mehr erzählen, völlig egal ob mit Männern oder mit Frauen. Die möchten mehr autobiografisch erzählen oder künstlerische Geschichten machen. Das heißt, da reden wir fast mehr von Avantgarde. Es ist ganz verblüffend, wie viele Kunsthochschulen in Deutschland mittlerweile auch Comiczeichnerinnen ausbilden, vielleicht nicht unbedingt mit der Fachbezeichnung Comiczeichnung …
von Billerbeck: Diplomcomiczeichnerin.
Platthaus: Ja, aber bei Illustration und solche Dinge. Und das ist unglaublich, was da für eine kreative Explosion stattgefunden hat. Und vor allem eben durch junge Zeichnerinnen, die einfach mal was ganz anderes machen wollen als alles, was bisher im Comic passiert ist. Warum wir da das Glück haben, dass das in Deutschland so besonders stark ist, ich weiß es nicht. Vielleicht wirklich deshalb, weil wir hier dankenswerterweise in den 90er- und 00er-Jahren auch ein paar bedeutende Zeichnerinnen hatten, und die sind mittlerweile auch als Lehrerinnen an den Unis zugange und finden da offensichtlich Schülerinnen. Aber das ist wirklich ein großes Glück, da sind wir einmal tatsächlich den Franzosen und den Amerikanern weit voraus. Die Japaner waren da eben immer schon wegen dieses geschäftlichen Überlegens uns voraus, weil die Zeichnerinnen seit den 50er-Jahren fest etabliert hatten.
von Billerbeck: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, den Sie für Donna oder Daisy Duck in die Welt setzen würden, was wäre das?
Platthaus: Ein, zwei Jahre Lehrzeit auf Oma Ducks Bauernhof und dann mit dem Elan der Bäuerin Oma Duck zurück in die Stadt Entenhausen kommen und diese Stadt etwas mehr aufmischen, als sie es bisher tut.
von Billerbeck: Andreas Platthaus war das von der "FAZ" am heutigen 80. Geburtstag von Donna Duck. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Platthaus: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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