75 Jahre Internationaler Währungsfonds

Wie die Ärmsten unter Hilfskrediten leiden

07:54 Minuten
Das Bild zeigt das moderne gläserne Gebäude; im Vordergrund sieht man eine befahrene Straßenkreuzung.
Die Zentrale des Internationalen Währungsfonds in Washington, fotografiert am 18.5.2011. © dpa / epa / Jim Loscalzo
Bernhard Reinsberg im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 01.03.2022
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Kredite für Länder in Not soll der Internationale Währungsfonds ermöglichen. Doch die Institution steht immer wieder in der Kritik. Der Politikwissenschaftler Bernhard Reinsberg sagt, der IWF kann für Staaten ein Sicherheitsrisiko sein.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sei eigentlich eine sehr sinnvolle Institution, glaubt Bernhard Reinsberg. Der Politikwissenschaftler hat an der Universität Glasgow zu der Organisation der Vereinten Nationen (UN) geforscht. Kritisch bewertet der Experte jedoch die Auflagen, die der IWF an seine Kreditvergaben knüpfe.
„Gesellschaftlich treffen die Programme vor allem immer die Ärmsten der Armen“, so Reinsberg. „Politisch können diese Programme das Institutionengefüge von Staaten unterhöhlen.“

Massenproteste und Instabilität

Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung in Folge von IWF-Auflagen hätten in verschiedenen Ländern zu Massenprotesten und Instabilität geführt, erläutert Reinsberg. So hatte etwa das IWF-Programm für Ecuador 2019 unter anderem die Abschaffung von Treibstoffsubventionen verlangt.
Die Folge: Der Subventionsstopp führte zu „starken Protesten“ in der Bevölkerung, so Reinsberg. Nach tagelangen Belagerungen seien die Maßnahme wieder zurückgenommen worden.
Der Experte kritisiert, dass die IWF-Programme für die in Not geratenen Länder zu viele Bedingungen enthalten. Die Auflagen könnten selbst von den Verwaltungen williger Regierungen nicht umgesetzt werden. Deswegen müssten mehr als 60 Prozent der Programme suspendiert werde. Denn die Auszahlung von Geldern sei an die Erfüllung der Bedingungen gekoppelt.

"Eine tödliche Spirale"

Dies wiederum hätte Konsequenzen auf dem Finanzmarkt: Die Länder könnten sich nicht mehr so günstig refinanzieren „und werden dann weiter in die Arme des IWF getrieben". Reinsberg: „Es gibt eine tödliche Spirale, eine Abhängigkeit vom IWF für diese Regierungen, selbst wenn sie voll und ganz hinter den Reformen stehen.“
Dass die Ukraine im Krieg mit Russland beim IWF Nothilfe beantragt hat, ist für Reinsberg ein „zweischneidiges Schwert“. Kredite, die schnell und ohne Auflagen ausgezahlt würden, könnten stabilisierende wirken.

Nachhaltiger wirtschaften durch den IWF?

Man müsse aber auch vorsichtig sein, wenn internationale Organisationen „als politische Waffe“ missbraucht würden. Dies schränke ihre Glaubwürdigkeit ein. Es sei immer eine Abwägungsfrage.
Mit Blick auf die Herausforderungen durch den Klimawandel sieht der Wissenschaftler die Notwendigkeit, dass „der IWF weitergedacht“ wird. Wissenschaftliche Arbeiten würden bereits zeigen, wie die UN-Organisation durch ihre makroökonomische Expertise und ihre Politikempfehlungen auf eine nachhaltige Ausrichtung der Volkswirtschaften mit hinwirken könne.
(tmk)

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