75 Jahre Bikini

Symbol des Aufbruchs in eine bessere Zeit

07:23 Minuten
Eine historische Schwarz-Weiß-Aufnahme von 1947 zeigt vier junge Frauen in zeitgenössischer Bikini-Bademode, die an der Strandpromenade von Bournemouth in England ein Eis essen.
Etwas "Euphorisches" habe der Bikini gehabt, sagt die Literaturwissenschaftlerin und Modeexpertin Barbara Vinken. © imago / United Archives International
Barbara Vinken im Gespräch mit Ute Welty · 05.07.2021
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Für die Modetheoretikerin Barbara Vinken steht der Bikini für das Wiederfinden von Freiheit, Schönheit und Liebeslust nach dem Krieg. Heute dagegen ist die Euphorie weg: "Wir haben Angst vor der Sonne, wir haben Angst vor den Blicken des anderen."
Als der Bikini 1946 Furore machte, war er ein Symbol für den Aufbruch in eine bessere Zeit nach den langen Kriegsjahren. Etwas "Euphorisches" habe der Bikini gehabt, sagt die Literaturwissenschaftlerin und Modeexpertin Barbara Vinken. "Weil das praktisch das Wiederfinden von Freiheit, Schönheit und Liebeslust nach dem Krieg war."
Heute dagegen lebten wir in einer "dysphorischen Zeit", und zu der passt offenbar auch der Trend, sich wieder mehr zu bedecken: "Unser Verhältnis zur Umwelt, unser Verhältnis zu unseren Körpern, unser Verhältnis zur Liebe ist sicher nicht mehr so euphorisch, wie das nach dem Krieg und in den Sechzigerjahren war", sagt Vinken.
"Wir haben Angst vor der Sonne, wir haben Angst vor den Blicken des anderen, wir finden uns eher gemaßregelt als befreit."
Man könne diesen Trend auch als Gegenbewegung gegen die Sexualisierung und Pornografisierung der Welt ansehen und gegen die universelle Vermarktung des weiblichen Körpers.
Die Modetheoretikerin bedauert das ein wenig, denn für sie sei der Bikini "was ganz Wunderschönes" - und in der Coronakrise ein Mittel, um sich auf schönere Zeiten einzustellen: "Als ich in der Pandemie wirklich einen Blues hatte, habe ich mir gleich zwei Bikinis gekauft", erzählt Vinken. "Ein vanillefarbener, mit so kleinen Einsatzschnallen aus Horn – sehr hübsch – und ein roter."

"Verschiedene Maßstäbe, was Männer und Frauen angeht"

Offenbar ist der Bikini aber auch ein Ausdruck davon, dass es nach wie vor keine Geschlechtergerechtigkeit gibt, was die Erwartungen an Schönheit und äußeres Erscheinungsbild angeht:
"Man denkt immer noch: Kann man sich das leisten, kann man sich das nicht leisten? Unsere Söhne finden manchmal, dass man ab einem bestimmten Alter keinen Bikini mehr tragen soll. Da gibt es verschiedene Maßstäbe, was Männer und Frauen angeht."
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