75. Geburtstag von Daniel Barenboim

Der Dirigent und sein kritisches Verhältnis zu Israel

Daniel Barenboim
Daniel Barenboim: "Man spricht über das West-Eastern Divan Orchester als ein Orchester für den Frieden. Das ist es nicht." © dpa / picture alliance / Mohamed Omar
Von Benjamin Hammer · 15.11.2017
Der Dirigent Daniel Barenboim feiert heute seinen 75. Geburtstag. Mit dem West-Eastern Divan Orchester wollte er Brücken bauen zwischen Palästina und Israel. Inzwischen ist er palästinensischer Ehrenstaatsbürger. Seine Kritik an Israel trifft auf Widerstand.
Mozart in Ramallah. Im Jahr 2005 dirigiert Daniel Barenboim sein West-Eastern Divan Orchester. Israelische Musiker treten zusammen mit Palästinensern und Vertretern arabischer Staaten auf. Für Barenboim ist es ein besonderer Moment. Er wendet sich an das Publikum.
"In diesem Orchester befinden sich wundervolle, intelligente und mutige Menschen. Ihnen in Ramallah muss ich nicht erklären, wie viel Courage von jedem einzelnen Musiker abverlangt wird, gemeinsam mit der anderen Seite zu spielen."
Dirigent Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra beim Konzert in der Berliner Waldbühne am 25.8.2013.
Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra beim Konzert in der Berliner Waldbühne am 25.8.2013.© dpa/ picture alliance / Matthias Balk

Barenboim: Ein Orchester kann keinen Frieden schaffen

Das West-Eastern Divan Orchester gründete Barenboim 1999 gemeinsam mit dem palästinensischen Literaturkritiker Edward Said. Bis heute nimmt sich Barenboim, der seine Jugend in Israel verbrachte, Auszeiten, um mit dem Divan Orchester Konzerte zu geben. Die Idee: Israelis und Palästinenser sollen in der Musik gleichberechtigt sein. Doch es gibt Dinge, die das Orchester schlicht nicht leisten kann, sagt Barenboim in einer Fernsehdokumentation des Bayerischen Rundfunks:
"Man spricht über das West-Eastern Divan Orchester als ein Orchester für den Frieden. Das ist es nicht. Frieden heißt eigentlich: Gerechtigkeit für die Palästinenser und Sicherheit für die Israelis. Ein Orchester kann das nicht bringen. Was das Orchester zeigen kann: Wenn eine Situation von Gleichheit geschaffen ist, dann können alle miteinander zusammen arbeiten, essen, zusammen lachen und zusammen weinen."
Der argentinisch-israelisch-spanisch-palästinensische Pianist und Dirigent Daniel Barenboim auf einer Aufnahme aus den 1960er Jahren
Daniel Barenboim auf einer Aufnahme aus den 60er- Jahren.© imago / United Archives International

Einst ein Wunderkind am Klavier

Barenboim und Israel. Das ist eine enge aber nicht spannungsfreie Beziehung. Als er zehn Jahre alt ist, zieht er mit seiner Familie von Argentinien nach Israel. Der Junge gilt am Klavier als Wunderkind, trifft früh auf Israels Staatsgründer David Ben Gurion. Später zieht Barenboim wieder in die Welt hinaus. Seine Bindung zu Israel bleibt. Doch der Musiker entwickelt sich zum Kritiker des Landes. Schon 1967 prangert er die israelische Besatzung des palästinensischen Westjordanlandes an. Eine Kritik, die er seither mit so deutlichen Worten formuliert, dass er innerhalb der israelischen Gesellschaft auf Widerstände trifft.
"Was mich am meisten stört, ist, dass so wenig Israelis in der Lage sind, zu sehen und zu sagen: Die Besatzung ist vielleicht auch ein Grund für die Gewalt, die aus Palästina kommt. Nicht nur. Ich will nicht alles auf der anderen Seite schön machen. Aber Israel hat eine größere Verantwortung. Israel ist ein Staat, Israel ist ein starker Staat. Die anderen sind ein Volk. Und besetzt."

Palästinensischer Ehrenstaatsbürger

2008 bieten die Palästinenser Barenboim die palästinensische Ehrenstaatsbürgerschaft an. Der Dirigent nimmt an. Und sorgt im rechten politischen Spektrum Israels für Entsetzen. Schon sieben Jahre zuvor hatte es einen weiteren Eklat gegeben.
Barenboim und seine Berliner Staatskapelle spielten bei einem Konzert in Jerusalem Musik von Richard Wagner. Gegen den Willen der Veranstalter. Wagner, der Antisemit und Lieblingskomponist von Adolf Hitler. Der Dirigent sieht es so: Wagner mag ein Antisemit gewesen sein, seine Musik ist es nicht.
Daniel Barenboim polarisiert – in einer Region voller Gegensätze. Sein Ziel, mit dem West-Eastern Divan Orchester Brücken zwischen Israelis und Palästinensern zu bauen, ist vorerst gescheitert. Ein weiteres Konzert in Ramallah, sagt Barenboim heute, wäre im aktuellen politischen Klima nicht möglich. Die Palästinenser würden die israelischen Musiker nicht willkommen heißen.
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