73. Internationale Filmfestspiele in Venedig

Der Lido der Deutschen

Der Filmproduzent Stefan Arndt beim BR Filmbrunch 2016 im Literaturhaus München
Der Filmproduzent Stefan Arndt © imago/Future Image
Stefan Arndt im Gespräch mit Patrick Wellinski · 10.09.2016
Beim diesjährigen Filmfestival in Venedig waren viele deutsche Koproduktionen vertreten. Woran das liegt und ob die deutschen Fördertöpfe tatsächlich so reich gefüllt sind, darüber sprachen wir mit einem, der es wissen muss: Filmproduzent Stefan Arndt.
Die 73. Ausgabe der Filmfestspiele in Venedig war ein Festival der deutschen Koproduktionen. Woran liegt das? Sind die deutschen Fördertöpfe so reich gefüllt, dass sie immer häufiger internationale Regisseure animiert mit deutschen Geld ihre Projekte zu finanzieren? Und welche Filme entstehen durch diese Zusammenarbeit? Stefan Arndt ist Mitbegründer der Produktionsfirma X-Filme, und er findet gute Gründe für Koproduktionen beim Film.
"Es ist per se kein Qualitätskriterium, einen deutschen oder einen englischen oder einen französischen Film gemacht zu haben, sondern es geht ja nur drum, ob man gute oder schlechte macht. Dann kann man die auch zusammen machen. Und nachdem Film sehr teuer ist als Kunst – ich träume ja auch immer noch davon, Aquarellmalerei oder so, aber haben wir halt nicht gemacht –, macht es schon Sinn, wenn sich gute Leute zusammen tun, um etwas Gutes zu tun.

"Dann hat man schon mal die gröbsten Fehler vermieden"

Und das führt dann relativ schnell zu Koproduktionen. Gar nicht mal Koproduktionen, weil das so schick ist – es ist gar nicht so schick, sondern es ist auch teuer, es ist auch anstrengend. Aber es bringt halt schon mal – man vermeidet Fehler. Wenn schon mal drei verschiedene Kulturen auf einen Stoff, eine Umsetzung, einen Schnitt, eine Mischung gucken, dann hat man schon mal die gröbsten Fehler vermieden."
Das erste Mal war Stefan Arndt mit "Lola Rennt" in Venedig. Wie hat er dieses erste Mal auf dem Lido erlebt?
"Wir kamen eine halbe Stunde vor Beginn des Eröffnungsfilms an, da sind wir alle zu Tom ins Hotelzimmer im Excelsior – als Regisseur hatte er natürlich ein Zimmer im Excelsior. Und dann haben wir uns da zu fünftzehnt umgezogen in so einem gerade einmal Doppelzimmer mit einem Spiegel. Und das war schon lustig. Ich habe immer noch ganz tolle Fotos, von Franka und Tom hier, Markusplatz und so weiter."
In diesem Jahr war X-Filme mit dem Drama "Frantz" und dem Western "Brimstone" im Wettbewerb vertreten.
Das Team des Films "Frantz" von Francois Ozon auf dem roten Teppich bei den Filmfestspielen in Venedig
Das Team des Films "Frantz" auf dem roten Teppich © Foto: Anna Wollner

Das Interview im Wortlaut:
Patrick Wellinski: Herr Arndt, Sie waren das erste Mal mit "Lola Rennt" in Venedig. Seitdem aber sehr häufig. Wie haben Sie damals ihr erstes Mal auf dem Lido erlebt?
Stefan Arndt: Damals war das zum ersten Mal. Ich weiß noch gut, wir kamen, glaube ich, zu zwölft oder dreizehnt hier an, wir kamen – ich weiß gar nicht, warum das so war, aber – ach genau, das war nicht unser Film, das war der Eröffnungstag, und wir hatten alle Einladungen zum Eröffnungsfilm. Da wollten wir natürlich hin, aber wir kamen eine halbe Stunde vor Beginn des Films an, da sind wir alle zu Tom ins Hotelzimmer im Excelsior – als Regisseur hatte er natürlich ein Zimmer im Excelsior. Und dann haben wir uns da zu fünftzehnt umgezogen in so einem gerade einmal Doppelzimmer mit einem Spiegel. Und das war schon lustig.
Ich habe immer noch ganz tolle Fotos, von Franka und Tom hier, Markusplatz und so weiter. Das hat sich schon ein bisschen geändert, weil man sich ein bisschen dran gewöhnt hat und weil man jetzt schon ein paar Mal hier war mit Filmen. Und Venedig ist super für Journalisten, ist super für Regisseure, noch toller für Schauspieler. Und für Produzenten ist es die Hölle.
Wellinski: Wieso?
Arndt: Versuchen Sie mal, hier einen Tisch für zehn Leute zu reservieren. Da kann man den ganzen Tag damit zubringen und ist gescheitert. Das können Produzenten nicht sonderlich gut ausstehen. Das ist unfassbar teuer auch, und es klappt nie was.
Wellinski: Aber wenn man hier einen Film in den Wettbewerb bringen kann, welchen Wert hat das, also dieses Festival auch für so einen Film, der damit ja seine Geburtsstunde und, wenn man so will, seinen Personalausweis hier ausgestellt bekommt?
Arndt: Das ist schon sehr schwierig zu sagen, weil die Welt hat sich sehr geändert. Während früher das halt wirklich weltweit geachtet wurde – man war in einem A-Festival im Wettbewerb –, war es dann vor 15, 20 Jahren so, dass wenigstens viele deutsche Journalisten hier waren, die dann den Film gesehen haben. Heutzutage ist die Situation so, dass kaum mehr einer das bezahlt bekommt, hierher zu kommen. Das finde ich schon traurig auf der einen Seite.
Und auf der anderen Seite gibt es immer mehr Filme, die quasi nur für Festivals gemacht werden, die gar nicht mehr richtig ins Kino kommen, die sich also quasi außerhalb des Marktes bewegen. Und das finde ich halt auch schade, weil ich finde, das gehört zusammen. Also, das fand ich ganz gut, was Barbera bei der Eröffnung gesagt hat, ich habe das nur gelesen, so ist es für mich auch: Es gibt keine schlechten Filme, sondern man muss sie sich nur angucken, und letztendlich auch der größte Kommerz-Quatsch hat seine Aspekte, die auch filmkünstlerisch interessant sind, wie auch natürlich die größte Kunst manchmal dem Gossip nicht so fern ist. Dafür sind halt diese Festivals da, da guckt man sich dann doch gerne Filme an.
Wellinski: Es ist ja so ein bisschen auch das Zeitalter der internationalen Koproduktion, das ist jedenfalls sehr auffällig. Sie sind ja auch schon relativ früh diesen Weg gegangen, auch sehr erfolgreich, zwei goldene Palmen mit dem Michael-Haneke-Film. Warum haben Sie sich gerade für diesen Weg entschieden, und was ist der Vorteil dieses Weges?
Arndt: Wir haben angefangen und wollten genau das nicht tun, sondern wir wollten deutsche Filme machen, die reisen, die ins Ausland gehen. Das ist mit "Lola rennt" und "Good bye, Lenin" auch gelungen, aber es wird immer, immer schwerer. Dann überlegt man sich, was macht Sinn. Und nachdem es einfach nur gute und schlechte Filme gibt – es ist per se kein Qualitätskriterium, einen deutschen oder einen englischen oder einen französischen Film gemacht zu haben, sondern es geht ja nur drum, ob man gute oder schlechte macht. Dann kann man die auch zusammen machen. Und nachdem Film sehr teuer ist als Kunst – ich träume ja auch immer noch davon, Aquarellmalerei oder so, aber haben wir halt nicht gemacht –, macht es schon Sinn, wenn sich gute Leute zusammen tun, um etwas Gutes zu tun.
Und das führt dann relativ schnell zu Koproduktionen. Gar nicht mal Koproduktionen, weil das so schick ist – es ist gar nicht so schick, sondern es ist auch teuer, es ist auch anstrengend. Aber es bringt halt schon mal – man vermeidet Fehler. Wenn schon mal drei verschiedene Kulturen auf einen Stoff, eine Umsetzung, einen Schnitt, eine Mischung gucken, dann hat man schon mal die gröbsten Fehler vermieden.
Wellinski: Was ist denn dahingehend so eine Charaktereigenschaft, die ein Produzent braucht? Weil wir kennen ja eher so diese Klischee-Produzenten aus der großen alten Hollywood-Ära. Wie ist das heute? Wie ist das in der Praxis?
Arndt: Es ist halt, da denke ich auch viel drüber nach, weil natürlich ist – diese Art der Filmkunst wäre ohne Kapitalismus und den Wert des Geldes gar nicht möglich. Ich glaube, das, was ich mache, nämlich Filme, die einen künstlerischen Anspruch versuchen, mit einer gewissen Resonanz beim Publikum zu verbinden – also ich kann das, glaube ich, nur machen, weil ich Geld nicht sonderlich interessant finde.
Auf der anderen Seite ist es für mich aber halt total wichtig, weil für mich ist es wie ein Werkzeug. Man macht – das ist halt irgendwie meine Leinwand oder mein Aquarellblock, meine Pinsel und so weiter, und die kann man eben so oder so einsetzen. Und ich finde es – es macht mir erheblich Spaß, es schlau einzusetzen und damit was Gutes zu tun. Und es ärgert mich unfassbar, wenn Leute aus purem Ego-Wahn Geld verschwenden. Das kann mich in den Wahnsinn treiben.
Dann interessiert mich Geld total, weil ich es einfach gemein finde – ich finde, man muss es mit Hartz-IV, man muss es mit Kindergärten, man muss es mit Flüchtlingen – man muss sich überlegen, ist es das wirklich wert.
Wellinski: Was ich immer schon mal so einen Produzenten Ihres Kalibers fragen wollte: Wie geht man mit Niederlagen um, mit Projekten, die dann nicht funktionieren? Steckt man das weg, oder ist das etwas, was einem naht, und deshalb macht man noch zwei Projekte, die dann noch erfolgreicher werden, weil man was kompensieren will. Welchen Stellenwert hat so eine Niederlage, oder sieht man das überhaupt gar nicht als Niederlage an?
Arndt: Das ist eine gute Frage, die aber schwierig zu beantworten – das ist ähnlich wie mit Kindern. Nicht immer ist das netteste und erfolgreichste und hübscheste das liebste Kind, das man hat. Das ist bei uns in der Firma auch so, dass zum Beispiel die Filme, die wir alle wirklich verehren und ganz toll finden, sind eigentlich fast alles die erfolglosesten.
Wir sind durchaus in der Lage, dann die Qualität von Sachen… aber es gibt auch Filme, die während des Entstehungsprozesses so nervenzerfetzend und so anstrengend sind, dass man sie nicht mehr mag und sie sich auch nicht mehr anguckt und man auch weiß, warum man das nicht mehr tut. Weil man weiß ob der Qualität, man weiß ob des Erfolges – man weiß aber auch, dass man das nie wieder erleben will.
Und insofern ist es… aber das ist natürlich, weil wir relativ weit weg sind von dem wirklichen kommerziellen Zustand der Filmproduktion. Da würde ich gern wieder hin, wir hatten es ein paar mal erreicht. Insofern ist, dass ich jetzt hier sitzen würde und sagen würde, ich bin so irre erfolgreich, das würde ich im Moment jetzt nicht sagen.
Wellinski: Herr Arndt, trotzdem vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben. Und viel Erfolg mit "Frantz" zunächst!
Arndt: Ja, auf jeden Fall. Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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