70. Geburtstag von Otto Waalkes

"Die Komik entwickelt sich von selbst"

Der deutsche Komiker Otto Waalkes posiert am Freitag (30.05.2008) in einem Hotel in Hamburg. Otto feiert am 22. Juli 2008 seinen 60. Geburtstag. Foto: Jens Ressing dpa/lno +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
Otto Waalkes' erste Auftritte als Musiker waren noch unfreiwillig komisch. Aber ein Manager erkannte sein Talent. © dpa
Von Tobias Wenzel · 22.07.2018
"Ich habe mich komischerweise noch nicht verändert", sagt Otto Waalkes über sich selbst. Irgendwie ist er Kind geblieben. Allerdings eines, das am heutigen Sonntag 70 Jahre alt geworden ist. Er erzählt, warum er glaubt, in der Hölle zu landen – oder auch nicht.
Ausschnitt aus Bühnenprogramm "English-Lesson": "I was sitting with my girl friend naked on a sofa. / Meine Freundin und ich neckten uns auf dem Sofa."
Eigentlich habe er in seinem Leben nichts anderes gemacht, als zu blödeln, hat Otto Waalkes in seiner Autobiografie geschrieben. Deshalb erwarte ihn nach seinem Tod sicher die Hölle und nicht der Himmel. Seine Mutter war eine streng gläubige Baptistin, sein Vater ein toleranter Malermeister. Dessen Toleranzschwelle wurde allerdings überschritten, als Otto einmal einen Ottifanten in ein frisch lackiertes Fensterbrett ritzte. Zu fünft wohnte die Familie auf nur 45 Quadratmetern im ostfriesischen Emden. Trotz der einfachen Verhältnisse und wegen seiner Eltern hatte Otto eine glückliche Kindheit:
"Das war eine große heile Welt, die uns da nicht vorgespielt wurde, sondern die ich da wirklich erlebt habe."
Vielleicht die entscheidende Voraussetzung, um Komiker zu werden.
"Komiker bin ich ja nicht geworden. Komiker ist man, glaube ich. Mein Vater hat mir ein kleines Kasperletheater gebaut. Und ich habe dann im Hof Kaspertheater gemacht vor vielen, vielen Kindern. Und das kam sehr gut an. Musikalisch noch untermalt. Auch so eine Harfe habe ich da gehabt. Und das Krokodil kam. Und die Kinder sind einsatzfreudig gewesen. 2 Pfennig Eintritt, glaube ich. Das war nicht der erste Schritt. Das war eine ganz normale Entwicklung."

Mit Lindenberg und Müller-Westernhagen in einer WG

Als junger Mann ging Otto Waalkes nach Hamburg, lebte dort gemeinsam mit Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen in einer Wohngemeinschaft. Seine ersten Auftritte als Musiker waren unfreiwillig komisch. Wenn etwas schief ging, entschuldige sich Otto. Aber sein Publikum lachte. Ein Manager erkannte das Talent und Potenzial und machte aus Otto ein ganzes Unternehmen. Otto wurde mit seinen Bühnenprogrammen zum ersten deutschen Stand-up-Comedian mit Massenwirkung. Er ist bis heute ein gesamtdeutsches Kulturphänomen. 14,5 Millionen Menschen in der BRD und der DDR sahen 1985 "Otto – der Film". Seitdem hat es keinen erfolgreicheren deutschen Kinofilm gegeben. Neben Otto Waalkes hatten seine ständigen Co-Autoren Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Peter Knorr das Drehbuch geschrieben wie überhaupt alle Otto-Texte:
"Man sitzt zusammen, harmonisch. Das Tolle war bei diesen Leuten: Man durfte in eine bestimmte Richtung denken, und das wurde nicht gebremst. Da wurde ein Gedanke ausgetragen bis zum Es-geht-nicht-Mehr. Du durftest in jede Richtung denken. Und dann kommen solche Sachen wie: ‚Angeklagter, Ihnen wird zur Last gelegt, …"
Ausschnitt aus Bühnenprogramm: "Hohes Gericht": "… Sie hätten an dem Mast gesägt.‘ – ‚Ich habe nicht an dem Mast gesägt, ich habe nur mit dem Ast gefegt…"
"… Da habe ich mich mit Hast bewegt und das hat wohl den Gast erregt, und der hat dann den Mast zerlegt …‘ Und solche Sachen entstehen dann da plötzlich. Da werden Reime gemacht, Bälle werden einem zugespielt. Ich liebe die Gemeinschaftsarbeit mit solchen Leuten."
Ausschnitt aus Bühnenprogramm: "Der menschliche Körper ": "Großhirn an Auge: Wer hat da eben ‚Saufkopf‘ gesagt? Auge an Großhirn: Der Typ, der uns gegenübersteht, 1,95 groß, breite Schultern und Schlägervisage. Großhirn an alle: Fertigmachen zum Ärgern!"

Ein Stimmakrobat mit brillantem Timing und ein Perfektionist

Zu seinen negativen Eigenschaften zählt Otto Waalkes selbst: schlechte Menschenkenntnis und Eitelkeit. Allerdings ist er auch ein begnadeter Alleinunterhalter, ein Stimmakrobat mit brillantem Timing und ein Perfektionist, der mit Hilfe seiner Mitarbeiter unaufhörlich die Wirkung seines Bühnenprogramms verbessert. Otto, der unter anderem Heinz Erhardt zu seinen Vorbildern zählt, hat viel über Komik nachgedacht. Die funktioniere besonders dann, wenn das Publikum immer schon eine Vorahnung habe:
"Eine Vorahnung heißt, auf eine bestimmte Tendenz hinzuarbeiten, eine bestimmte Pointe zu erreichen, die vom Publikum aufgenommen wird, verstanden wird und dann durch Applaus und Gelächter respektiert wird und honoriert wird. Das ist eine gute Bestätigung. Da kann man es so ein bisschen steuern. Aber trotzdem entwickelt sich die Komik von selbst."
Fast wäre Otto Waalkes Lehrer geworden. In Hamburg hat er Kunst studiert.
"Ich habe ja auch eine Klasse gehabt, so ein Praktikum. Da war ich aber schon bekannt. Ich hatte da schon Schallplatten rausgebracht. Und die Schüler wollten immer nur: ‚Otto! Mach den Tarzanruf!‘ [Otto macht den Tarzanruf] Da merkte ich: Oh, das wird schwierig. Man wird, glaube ich, nicht so ernst genommen. Das ist für den Beruf vielleicht nicht der richtige Weg. Mal gucken."
Otto könne eben nur Otto, sagt er selbst. In seiner Autobiografie und im Gespräch erscheint er als sympathischer, hochsensibler Komiker, der das ganze Repertoire vom Blödeln bis zur kunstvollen Sprachakrobatik beherrscht und süchtig danach ist, andere zum Lachen zu bringen. Bleibt die Frage, ob das alles nicht vielleicht doch für einen Platz im Himmel reicht.
"Keine Ahnung. Wen fragt man denn da? Und wer weiß das? Wer entscheidet das? Ich lass mich mal überraschen."
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