70. Geburtstag von Laurie Anderson

"Im Geheimen will ich schon die Welt verbessern"

Laurie Anderson auf einem roten Teppich während eines Festivals.
Bei Laurie Anderson geht es vor allem um das eine: Freiheit. © imago/Insidefoto
Von Kai Clement · 05.06.2017
Sie sei Künstlerin, weil sie frei sein wolle, sagt Laurie Anderson. Und auch um die Welt ein bisschen besser zu machen - auch wenn sie das nie zugeben würde. Die Performance-Künstlerin wird am heutigen Montag 70 Jahre alt.
"I am an artist because I want to be free, that's my whole go, and I hate it when people tell me what to do."
Kunst der Freiheit zuliebe. Mit bis dahin ungehörten und unerhörten Klängen. Laurie Anderson schuf ihr musikalisches Morsezeichen "O Superman" als Echo zu Jules Massenets Arie an Gott, den Richter und Vater.
Die Ode an den Supermann entstand bereits vor 36 Jahren. In einer Zeit, in der es einen Supermann gebraucht hatte. Denn kurz zuvor war die Befreiung von US-Geiseln in der Teheraner Botschaft brutal gescheitert.
1980. Die USA in der Krise. Klingt vertraut? Der damals so überraschende Chart-Erfolg wirkt aktueller denn je – und Laurie Anderson wütender denn je. Soweit das einer praktizierenden Buddhistin bei regelmäßiger Meditation überhaupt möglich ist. Die USA unter Donald Trump erlebt die 70-Jährige als einen "Ort der Gesetzlosigkeit". Als ein Land, das seinen Gesellschaftsvertrag aufgelöst habe. Es fühle sich an, als würde einem "immer wieder eine reingehauen", sagte sie dem Musikmagazin "Spex". Gibt es dennoch Hoffnung?
"Wenn ich höre, Kunst soll die Welt verbessern, dann gefriert mir das Blut in den Adern. Besser für wen denn? Allerdings: im Geheimen will ich schon die Welt verbessern. Aber das würde ich nie sagen. Oh – das habe ich wohl gerade getan."
Die gewaltige Exerzierhalle Park Armory in New York. Laurie Anderson inszeniert "Habeas Corpus". Oder der Highline Ballroom an dem gleichnamigen Park auf einer Hochbahntrasse. Sie alle gehören zu Laurie Andersons New Yorker Spielorten – so wie ihr Studio an der Canal Street. Seit 1975 arbeitet sie dort.
Damals, so sagt sie der "New York Times", wusste sie, sie würde die Welt verändern. Damals, das sei ein Leben mit Sex, Drugs and Rock’n’Roll gewesen – jedenfalls den ersten beiden. Mehr Rock kam dann mit Lou Reed in ihr Leben, ihrem späteren Ehemann. Dessen Stück "Drones" hat sie in "Habeas Corpus"-Performance hinein gewirkt.
Sie erfindet den Viophonografen – einen Zwitter aus Violine und Schallplatte. Sie erfindet einen musizierenden Tisch. Und für Alfred Biolek ein ziemlich männlich klingendes Alter Ego. Deutsch obendrein.

Für Laurie Anderson ist Lou Reed nicht wirklich tot

Ihre Weggefährten, Wegbegleiter, Wegbereiter – sie sagen viel über die Frau mit der über viele Jahre so punkigen Stachelfrisur. Der Künstler Sol LeWitt, der minimalistische Musiker Philip Glass. Brian Eno. David Bowie. Ai Weiwei.
Und immer noch und immer wieder Lou Reed. Für sie ist er nicht wirklich 2013 gestorben. Von ihm lerne sie vielmehr immer noch, auch heute. Täglich. Auch für ihre Arbeit – ja als was eigentlich? Elektro-Pionierin? Visuelle Künstlerin? Performerin? Am Ende geht es bei alledem wieder nur das eine: Freiheit.
"Ich war immer ganz zufrieden damit, mich als Multimedia-Künstlerin zu bezeichnen. Das ist zwar ein bedeutungsloses Wort. Aber es gibt die Freiheit, ganz verschiedene Dinge zu tun. Ohne dass einer sagt: Du machst doch Skulpturen, warum dann jetzt Musik? Nein nein, ich bin Medien-Künstlerin. Ah. Ok. Ganz egal, was das heißt."
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