70. Geburtstag von Georg Ringsgwandl

"Songs müssen existenziell sein"

Ringsgwandl steht in Jeansjacke auf einer Bühne und spielt Gitarre.
Der bayerische Liedermacher Georg Ringsgwandl beim Rudolstadt-Festival 2017 © imago stock&people
Von Ulrike Zoeller · 15.11.2018
Jahrelang führte Georg Ringsgwandl ein Doppelleben: hier der verlässliche Arzt aus Passion, dort der schrille Provokateur. Nun wird der Liedermacher 70. Angefangen hat er als Kardiologe, der auf der Bühne gegen "Ökospießer" in der Kleinkunst protestierte.
"Für mich war des damals eine Reaktion auf den biederen oberbayerischen Kleinkunstton. Die Kleinkunstszene, aus der ich ja auch hervorgegangen bin, ist damals etwas erstarrt in so Leit, die dann einfach vor si hi gstanzlt ham, des is dann in eine kleinbürgerliche kleinkarierte Biederkeit abgeglitten. Diese Ökospießerart, die sich damals eingeschlichen hat. Da hob i ma denkt, des ko net die Zukunft sei."
Diese Gedanken, die sich im Gehirn des Kardiologen Dr. Ringsgwandl abspielten, konnte das Publikum anfangs nur erahnen. Die meisten aber fragten sich, was da falsch gelaufen sei, wenn sich ein junger Familienvater und renommierter Oberarzt grell geschminkt mit Mülltüten und OP-Mundschutz über den Ohren oder mit hellblonden Langhaarperücken und einem Tierhorn auf dem Kopf laut und wild auf der Bühne gebärdet.
Ringsgwandl bei einem Auftritt 1996.
Der bayerische Musiker Georg Ringsgwandl bei einem Auftritt 1996.© imago stock&people
Ganz wird Georg Ringsgwandl die Geister, die er damals rief, nicht los. Das Bild des Wahnsinnigen, des "Kasperls und Genies" hat sich bei vielen eingeprägt, die die spätere Laufbahn des Sängers nicht mehr verfolgt haben. Das Doppelleben hatte irgendwann ein Ende – und Ringsgwandl verschrieb sich nur noch dem Schreiben und Singen. Neben einer Kammeroper entstanden viele Lieder, die ihn teilweise ganz schön lang beschäftigen.

Das Bühnenkind verliert die Unschuld

Das spontane Schreiben eines Songs auf dem Auto-Rücksitz, bei der Heimfahrt von einem Konzert - das war einmal:
"Am Anfang bin i einfach reingsprunga, hab mei Maul aufgrissn und es war cool, aber so überstehst du nicht 30 Jahre. Und dann denkst du dir: Hoppla, was mach ich da überhaupt? Dann liest du Bühnenkritiken, siehst dich im Fernsehen, und dann verliert das Bühnenkind sei Unschuld und sei Unbefangenheit. Und dann wirst bekannt, hast Erfolg, und dann warten alle drauf: Was macht er jetzt mit seinem dritten und mit seinem vierten Plattn, ist der scho ausgschriebn, hat der no was zum Sagen."
Schrill geht anders. "Woanders" – das Lied hatte Ringsgwandl schon vor mehreren Jahren geschrieben. 2016 wurde es dann zum Titelsong seines Albums, mit dem Georg Ringsgwandl deutlich demonstrierte, dass er noch etwas zu sagen hat:
"Es hängt vielleicht a bissl mit meim Alter zsamm, aber i glaab, in meinem Alter lohnt es sich nicht, einen Song zu schreiben, der nicht existentiell ist. Des hoasst net, dass er depressiv sei muass, oder und düster daher kimmt. Es muss etwas berühren im Menschen, was wir alle kenn. Songs müssen existentiell sein, sonst lohnt es sich nicht, dass man sie aufnimmt."

Eine gewisse Demut

"Man muss sich bewusst sein, dass wenn da 100, 200 Leit im Saal sitzen, die Gesamtheit dieser Leute ist ein viel breiteres Spektrum an Wissen, Erfahrung und Gedanken. Des is a sehr differenzierte Problematik, des erzieht einen über die Jahre zu einer gewissen Demut."
Dass das Wort Demut in einem Interview mit dem schrillsten aller bayerischen Musiker fallen würde, hätte man vor 20 Jahren für einen Witz gehalten. Während andere menschlich wie musikalisch einer Show-Hybris anheimfallen, übt sich Georg Ringsgwandl auch in seiner Instrumentierung und Produktion in wohltuender und meisterlicher Bescheidenheit, vor der wir den Hut ziehen – verbunden mit einem herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag!
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