7 Fragen an unser Berlinale-Team

    66 Filme, fünf Stunden Schlaf und eine entsetzte Filmcrew

    Von Annette Bräunlein · 18.02.2016
    Filme, Schlaf, Kaffee, Begegnungen, Pannen und Bären-Favoriten: In einer kleinen Antwort-Liste gibt unser Berlinale-Team Einblick in seine persönliche vorläufige Bilanz der 66. Berlinale - zwei Tage vor der Preisverleihung.
    Jörg Taszman
    Jörg Taszman hat mit Juliane Moore über eine App zum Deutsch-Lernen gesprochen.© privat
    Jörg Taszman:
    1. Wie viele Filme hast Du gesehen?
    25
    2. Wie viele Stunden durchschnittlich pro Nacht geschlafen?
    6
    3. Wie viele Becher Kaffee getrunken?
    Zwei bis drei am Tag
    4. Die interessanteste Begegnung / der denkwürdigste Moment?
    Die interessanteste Begegnung war ein Interview mit Julianne Moore. Mitten im Gespräch demonstrierte sie ganz stolz eine Sprach-App, mit der sie Deutsch lernt. Sie lebte als Kind in Deutschland, ihr Vater war hier mit der US-Armee stationiert. Ihre Aussprache ist ziemlich gut. Mit der App versucht sie, ihren Wortschatz zu vergrößern. Die App sagt zum Beispiel Sätze wie "Sie sind Mädchen" vor und Julianne Moore muss die dann wiederholen. Wenn sie's richtig gemacht hat, kriegt sie einen Haken.
    5. Film ohne Ton, Mikro funktioniert nicht, Gesprächspartner kommt zu früh oder zu spät etc.: Welche Pannen, Missgeschicke gab es?
    Da muss ich leider passen, da habe ich nichts Spannendes erlebt. Dass es einem immer wieder passiert, dass Gesprächspartner eine Stunde oder so zu spät kommen, gehört einfach dazu.
    6. Der lustigste oder bizarrste Moment?
    Das war eine Filmszene: Wenn in dem Film von Thomas Vinterberg "Die Kommune" eine Nachrichtensprecherin eine Sekunde, bevor sie auf Sendung ist, noch einmal an der Zigarette zieht, sie in den Aschenbecher legt und den dann schnell noch energisch aus dem Bild schiebt.
    7. Bisherige Favoriten für die Bären?
    Die beiden französischen Filme "L'Avenir" ("Things to Come") und "Quand on a 17 ans" ("Beeing 17). Bei den Schauspielern sind es die beiden Jungs in "Quand on a 17".

    "Why is your protagonist shellfish?"

    Susanne Burg
    Susanne Burg kann den Druck, unter dem Regisseure stehen, nun besser verstehen.© Deutschlandradio / Annette Bräunlein
    Susanne Burg:
    1. Filme:
    25
    2. Stunden Schlaf pro Nacht:
    6
    3. Becher Kaffee:
    20
    4. Interessanteste Begegnung / denkwürdigster Moment:
    Ich war mit Danis Tanovic zum Interview verabredet, im Hotel direkt nach der Pressekonferenz. Er kam, sagte, er sei so aufgeregt und müsse jetzt erst mal eine Zigarette rauchen. Ich ging mit ihm in die Raucherlounge und er fragte mich, wie ich denn seinen Film fände. Als ich ihm erklärte, warum ich seinen Film sehr gerne mochte, seufzte er erleichtert und glücklich auf, und ich bekam eine Ahnung davon, unter welcher Anspannung Regisseure stehen müssen, wenn sie bei einem solch großen Festival zum ersten Mal ihren Film, an dem sie so lange gearbeitet haben, einem Publikum - und einem überkritischen noch dazu - zeigen.
    5. Pannen, Missgeschicke?
    Klopf auf Holz, bisher noch keine großen. Ein Gesprächsgast, mit dem ich um 9 Uhr ins Kino hätte gehen sollen, hat um 22 Uhr am Vorabend abgesagt. Aber das ist wohl weniger Missgeschick als Unberechenbarkeit eines solchen Festivals...
    6. Lustigster / bizarrster Moment?
    Bei der Pressekonferenz von Thomas Vinterberg. Ein Journalist fragt in schlechtem Englisch: "Mr. Vinterberg, why is your protagonist shellfish?"
    7. Bisherige Favoriten für die Bären?
    Danis Tanovic, "Death in Sarajevo"; bester Darsteller: Johnny Ortiz in "Soy Nero" von Rafi Pitts; beste Darstellerin: Trine Dyrholm in "Die Kommune" von Thomas Vinterberg

    Als Südkoreaner Fragen zu Armutsprostitution beantworten sollten

    Holger Hettinger in einem der Berlinale-Studios von Deutschlandradio Kultur
    Holger Hettinger wurde mit dem Schauspieler Steve Carell verwechselt.© Deutschlandradio / Manuel Czauderna
    Holger Hettinger:
    1. Filme:
    Bislang 42 - allerdings mit ein paar Wochen Vorlauf, da die Pressevorführungen bereits seit Mitte Januar laufen (42! Ein Zeichen!)
    2. Stunden Schlaf pro Nacht:
    Hier habe ich eine traurige Bilanz in diesem Jahr, weil ich jeden Morgen um 6:40 Uhr auf Sendung bin: knapp unter fünf Stunden pro Nacht.
    3. Becher Kaffee:
    "Becher" Kaffee meide ich - aus Respekt vor meiner Magenschleimhaut trinke ich nur Espresso, entweder mit meiner Bezzera Giulia zuhause zubereitet oder bei dem netten Barista in dieser furchtbaren Mall.
    4. Interessanteste Begegnung / denkwürdigster Moment:
    Das Interview mit Bjarne Mädel - ich hatte mir den "Tatortreiniger" als klugen, geistreichen, sympathischen und reflektierten Zeitgenossen vorgestellt - und genau so war es dann.
    5. Pannen, Missgeschicke?
    Legendär war das Interview mit dem Team des südkoreanischen Films "The Bacchus Lady": Es gab ein Abstimmungsproblem, so dass ich knapp 30 Minuten zu spät zu dem Interview gekommen bin. Als ich dann, noch im Mantel, ohne Aufwärm-Smalltalk sofort mit meiner Eingangsfrage losgelegt habe ("Welche Rolle spielt in Korea die Diskussion über Armutsprostitution im Alter?"), habe ich in rund zehn entsetzte Gesichter geschaut, die ein Gedanke zu einen schien: Wie krass direkt diese Deutschen doch sind.
    6. Lustigster / bizarrster Moment?
    Lustigster Moment: Als ich von einem spanischen Journalisten für den Schauspieler Steve Carell gehalten wurde. Schlimmster Moment: Als ich nachgeschaut habe, in welchem Jahr Steve Carell geboren ist.
    7. Bisherige Favoriten für die Bären?
    Schwierig. Bisher ist mir kein Film begegnet, der einerseits eine starke Story exponiert, und andererseits mit filmkünstlerischen Mitteln eine Tür aufstößt. Am ehesten noch scheint mir "Smrt u Sarajevu" ("Death in Sarajevo") ein Favorit auf den Goldenen Bären. In Sachen Darsteller fand ich Julia Jentsch ("24 Wochen") und das Duo Colin Firth / Jude Law ("Genius") ganz fantastisch.

    20 Tassen Kaffee, zehn Cappuccino und 5,5 Stunden Schlaf

    Peter Claus
    Peter Claus haben Treffen mit Goethe Institut-Mitarbeitern bereichert.© Deutschlandradio / Cornelia Sachse
    Peter Claus:
    1. Filme:
    Am Ende 35
    2. Stunden Schlaf pro Nacht:
    5 1/2
    3. Becher Kaffee:
    Am Ende 20 Tassen Espresso und zehn Cappuccino
    4. Interessanteste Begegnung / denkwürdigster Moment:
    Die Begegnung mit vielen Vertretern des Goethe-Instituts aus allen Himmelsrichtungen, die für ihre Programm auf der Berlinale die deutsche Filmlandschaft erkunden und hoch motiviert schauen, entdecken, diskutieren.
    5. Pannen, Missgeschicke?
    Keine!
    6. Lustigster / bizarrster Moment?
    7. Bisherige Favoriten für die Bären?
    Da ist die Frage, ob die Jury eine politisch oder eine künstlerisch motivierte oder eine Misch-Entscheidung fällt. In Betracht kommen "Fuocoammare", "Zero Days", "Soy Nero", wenn's ein Polit-Bär wird, "Genius" und "Beeing 17", wenn's ein Künstler-Bär wird, "Cartas da Guerra" und "Hedi", wenn's ein Bär wird, der Politik und Kunst zugleich würdigen soll. Die Jury hat's echt bärenschwer...
    Deutschlandradio Kultur-Kritiker Patrick Wellinski
    Patrick Wellinski will am Ende der Berlinale 66 Filme gesehen haben.© privat
    Patrick Wellinski:
    1. Filme:
    Sollte mich der Berlinale-Grippe-Virus bis Samstag nicht komplett flachlegen, dann wären es am Ende 35 Filme während des Festivals - inklusive gut 35 Filme, die ich schon vorab aus diversen Nebensektionen gesichtet habe. Wenn ich auf 66 komme, wäre das ja schön, so während der 66. Ausgabe des Festivals.
    2. Stunden Schlaf pro Nacht:
    Zu wenig. Das ist schon mal sicher. Sechs vielleicht? Das rächt sich aber immer erst gegen Ende des Festivals, wenn man im Walking-Dead-Modus einfach nur noch froh ist, dass man es schafft, rechtzeitig im richtigen Kino zur richtigen Zeit zu sein. Klingt nach keiner großen Leistung. Aber bei vier Filmen am Tag plus diversen Schalten und Interviews, kommt mir das immer wie eine abenteuerlich große Leistung vor.
    3. Becher Kaffee:
    Zu viele. Wahrscheinlich so viele wie ich Filme gesehen habe. Wobei auch einige doppelte Espressi dabei waren. Das mit der guten Ernährung während so eines Festivals ist ja eine traurige Geschichte. Wie die guten Vorsätze an Neujahr, schmeißt man die hier auch nach ein paar Tagen über Bord.
    4. Interessanteste Begegnung / denkwürdigster Moment:
    Der denkwürdigste Moment war, als eine tolle Print-Kollegin, die seit "Jahrzehnten" nicht mehr im Kino geweint hat, nach dem deutschen Wettbewerbsbeitrag "24 Wochen" einen veritablen Nervenzusammenbruch erlitt, und tränenüberströmt sich kaum aus dem Kino schleppen konnte. Das Kino als Empathie-Maschine hat hier mal wieder großartig funktioniert - wenn sogar die wohltemperierten Gemüter einbrechen.
    Ansonsten war ich sehr angetan von einem Wettbewerbs-Regisseur, der mir nach dem Interview gestand, dass er nicht nur müde, sondern auch fertig mit den Nerven sei, weil er nicht nur seine Filmcrew hier in Berlin betreuen musste, sondern auch noch seine ganze Familie, inklusive Schwiegermutter. Dabei wollte er einfach nur mal allein sein. Ist natürlich unmöglich während der Berlinale.
    5. Pannen, Missgeschicke?
    Ich glaube während unserer Vollbild-Sendung vom Berlinale-Open-House sind so einige kleine Dinge passiert, aber ich war so voller Adrenalin, dass ich das meiste nicht mitbekommen habe. Es war natürlich schade, dass Regisseur Rudolf Thome sein Interview während der Live-Sendung eigenmächtig von zehn Minuten gerne auf 30 ausdehnen wollte, da waren ihm die Nachrichten um 16 Uhr ziemlich egal. Naja - ansonsten war es noch erstaunlich pannenfrei dieses Jahr.
    6. Lustigster / bizarrster Moment?
    Kritiker-Smalltalk gepaart mit der üblichen Festivalneurose. Das generierte während des Festivals ganz viele tolle kleine Sprüche und Kommentare von Kollegen über Filme und das Drumherum. Vieles davon ist eher Situationskomik und leider nicht wirklich protokllierbar. Es ist schon erstaunlich, zu welch humoristischen Höhenflügen die Kollegen aufblühen, wenn sie sich an einem Film (zu recht oder unrecht - ist ja egal) aufregen. Aber wie gesagt: Das ist irgendwie Insider-Humor. Aber mir macht er Spaß.
    Bizarr war übrigens, dass die Journalisten sich für eine Pressevorstellung, zum ersten Mal in der Festivalgeschichte, Tickets holen mussten. Das mag für Außenstehende logisch und harmlos klingen. Aber glauben Sie: Das führte hier zu den größten Stressanfällen - und das selbst bei den coolsten und abgeklärtesten Kollegen.
    7. Bisherige Favoriten für die Bären?
    Ich gehöre wohl zu den wenigen, die den Lampedusa-Dokufilm "Fuocoammare" recht problematisch finden und daher nicht zu den großen Bären-Favoriten zählen. Ich war sehr angetan von der spielerischen Leichtigkeit des bosnischen Films "Death in Sarajevo", wobei er der Jury wohl zu konventionell sein wird. Ansonsten sind die drei stärksten Filme bislang: "Karten des Krieges" aus Portugal, "L'avenir" aus Frankreich und "Crosscurrent" aus China. Aber es kommen ja noch Filme. Vielleicht sieht es danach anders aus.
    Hannelore Heider
    Hannelore Heider hat auf einer Pressekonferenz eine hochpolitische Frage-Antwort-Stunde erlebt© Deutschlandradio / Annette Bräunlein
    Hannelore Heider:
    1. Filme:
    30 (vorher schon Pressevorführungen Generation, Panorama)
    2. Stunden Schlaf pro Nacht:
    6
    3. Becher Kaffee:
    30
    4. Interessanteste Begegnung / denkwürdigster Moment:
    Am Mittwoch, die Pressekonferenz zu "Zero Days": eine erstaunliche internationale und US-Präsenz großer Zeitungen und Sender und eine hochinteressante hochpolitische Frage-Antwort-Stunde.
    5. Pannen, Missgeschicke?
    Bislang keine.
    6. Lustigster / bizarrster Moment?
    Erinnere mich im Moment an keinen.
    7. Bisherige Favoriten für die Bären?
    "Quand on a 17 ans", "Zero Days"
    Norbert Wassmund
    Norbert Wassmund hält "Inhebbek Hedi" für einen Bären-Favoriten.© Deutschlandradio / Annette Bräunlein
    Norbert Wassmund:
    1. Filme:
    Viel zu wenige, schaffe es gerade im Schnitt auf einen pro Tag!
    2. Stunden Schlaf pro Nacht:
    Etwa sechs Stunden müssen sein: meist 24 bis 6 Uhr
    3. Becher Kaffee:
    Drei bis vier Mugs pro Tag
    4. Interessanteste Begegnung / denkwürdigster Moment:
    Begegnungen in unserem Studio mit Regisseuren - weil man da mal kurz in Ruhe reden kann miteinander (Rafi Pitts, Danis Tanovic u.a.)
    5. Pannen, Missgeschicke?
    --- alles gut!
    6. Lustigster / bizarrster Moment?
    Wenn unsere Gäste Interview-Termine vertauschen oder vergessen
    7. Bisherige Favoriten für die Bären?
    "Inhebbek Hedi", "Fuocoammare" und ein Silberner Bär für Julia Jentsch ("24 Wochen")


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