600 Seelen, eine Hühnerfarm

Von Andreas Wenderoth |
Außer günstiges Bauland gibt es nicht viel in Großseifen. Von den drei Kneipen in dem Dorf in Westerwald ist keine übrig geblieben. Und auch bei der Freiwilligen Feuerwehr brennt es: Kaum noch einer von der Dorfjugend ist bereit, sich bei der Feuerwehr zu engagieren.
Die Freiwilligen:

"Sie Spaß an der Freud und andern Leuten zu helfen. Alle wollen halt Geld oder was anderes haben, wir wissen, wir können auf unsere Leute immer zählen. Auch außerhalb der Feuerwehr. Das ist schon viel mehr wert."

Der Gemeindebürgermeister:

"Die Interessenslage für das ehrenamtliche Wirken hat sich grundsätzlich geändert. Man ist nicht mehr bereit, die Freizeit für andere zu opfern, sondern man will Freizeit für sich selbst, für Familie, ohne Verpflichtungen zu haben und dabei das eigene Leben zu riskieren."

Der Alterskamerad:

"Da schleichen sich dann Leck-mich-Gedanken ein, die eben dazu führen, dass die Motivation nachlässt."

600 Seelen, eine Hühnerfarm, ein Metallbetrieb, ein sanierungsbedürftiger Friedhof, keine Kirche. Großseifen - ein Ort mit dem gewissen Nichts. Günstiges Bauland. Die Dächer der Häuser sind schiefergedeckt und häufig auch die Hauswände auf der Wetterseite, denn das Klima im Westerwald ist rau und der Winter ziemlich lang. Zu seiner Glanzzeit hatte Großseifen drei Kneipen. Heute gibt es keine einzige mehr.

Günther: ´"Großseifen ist´n bisschen schwieriges Dorf, ja. Wir hatten diesen Frauenchor, wir hatten einen Kaninchenzuchtverein, besteht auch nicht mehr, sind bloß noch zwei Personen, nee einer nur noch. Keine Wirtschaft mehr im Dorf, keine Post, kein Geschäft, wo soll man sich kennen lernen?"

Auch bei der Feuerwehr brennt es. Kfz-Mechaniker Peter Günther, 56, braunes Haar, dichter Schnauzer, schraubt in seiner gepachteten Werkstatt ein paar Kilometer entfernt. Er blickt auf stolze 34 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr zurück. Seit zwei Jahren ist er Wehrführer, und könnte es sich, wenn die Gesundheit mitspielt, auch vorstellen, noch mit 70 zu sein. Es wird ein schwerer Abschied werden, soviel steht fest. "Sind´n paar Jahre und die bleiben ja nicht im Anzug hängen", sagt Günther, der kein Freund großer Worte ist, weil es doch Taten sind, die im Leben eines Menschen zählen. Eine Selbstverständlichkeit ist es für ihn, eine Ehre. Aber im Dorf sehen das viele anders. Je weiter nördlich, desto weniger Ehre.

"Wir haben wirklich alles mögliche schon versucht, die Leute auf der Straße angesprochen, ich hab mir mal so´n Flyer einfallen lassen, n Notruf sagen wir mal, die haben wir dann im Dorf verteilt an alle Haushalte. Keine Resonanz, nichts. Zwei Ausreden sind: hab ich keine Zeit für, oder was man sagen muss, sie dürfen nicht, ja wir haben zwei Interessenten, die würden gerne, aber die Frau sagt nein, und dann haben sie keine Chance mehr, so sieht´s halt eben aus."

Den Kameraden Galka wird er auch mal von der Liste streichen. Unterschreibt und kommt trotzdem nicht. Günther schüttelt den Kopf. Ohne die Freiwilligen läuft in Deutschland gar nichts, sagt Günther und verweist darauf, dass die Freiwillige Feuerwehr mehr als eine Million Mitglieder hat – fast so viele wie in allen anderen europäischen Staaten zusammen. Weil das Ehrenamt in vielen ländlichen Regionen nicht mehr hoch im Kurs steht, sagt er, ist das europaweit engmaschigste Netz der Brandbekämpfung in Gefahr: Seit 2001 mussten bereits 584 Standorte geschlossen werden. Zwei benachbarte Ortswehren erst letztes Jahr: Zuletzt Nisterau, das genau wie Großseifen, auf dem Papier noch zwölf Aktive hatte. Aber zu den Übungen waren nie mehr als drei erschienen. Im Leitungsbüro der benachbarten Stützpunktwehr Bad Marienberg schlägt, mit großer Liebe zu Ordnung und Detail, Klaus Groß, der die Feuerwehren der Gemeinde koordiniert, seinen Statistikhefter auf:

"Ich hab mir auch hier ne Liste gemacht mit der Altersstruktur, wie ist das Alter in den Wehren, wo haben wir in Kürze Probleme? Ich hab die über 50-Jährigen in rot gekennzeichnet, also alles wo´s ziemlich rot wird, da muss man dann irgendwann mal nachhaken und der grüne Bereich, also die bis 30-Jährigen entsprechend auffüllen."

Leider weiß man nicht so genau, wo man sie hernehmen soll. Das Durchschnittsalter bei der Wehr in Nisterau, die sie dichtgemacht haben, lag bei 44,8. Großseifen liegt bereits bei 39,4, was zwar noch kein sicheres Todesurteil ist, aber doch alles andere als beruhigend. "Das Schwert schwebt über ihnen", warnt der Gemeindebürgermeister. Nur durch die Kooperation mit anderen Nachbargemeinden hat man die Schließung bislang verhindern können. Aber wie lange noch? Günther sagt, es ist schwer mit dem Nachwuchs.

"Vier Jugendliche, alle so um die 14, die standen auf einem Haufen, und ich hab mir gedacht, musst was machen, bin ich hin und hab die gefragt, was ist, habt ihr keine Lust, bei der Jugendfeuerwehr mitzumachen, da guckt der eine den anderen an. Sagt der nee. Sag ich ja wie nee? Nö, hab kein Bock, und die anderen sagen, wir haben auch keine Lust. Ja, wat will man da sagen, fällt einem nichts mehr ein, ne."

Aber womit soll er sie auch ködern? Mit der Technik eines Feuerwehrwagens im Zeitalter des Internets? Damit, dass manche Betriebe Bewerbungen von Leuten der Freiwilligen Feuerwehr sofort aussortieren, weil die Produktion ja weitergehen muss und man bei den Feuerwehrleuten nie genau weiß, wann sie wieder fort müssen? Große Einsätze haben sie meist nicht. In diesem Jahr mussten sie erst zweimal ausrücken. Aber manchmal passiert es schneller als man denkt. Und so erwarten sie stets das Unerwartete.

"Gegenüber auf dem freiem Platz vor dem Gerätehaus, wo jetzt Bagger und Bauwagen stehen, gab es einmal ein Mehrfamilienwohnhaus. Dachstuhlbrand, war nicht mehr zu retten, Schwimmbad waren wir beteiligt. Sturm, Wiebke , Kyrill waren zwei an dem Tag, wo´s gewesen ist und einen Tag später, Baum ist in Wintergarten gefallen , ansonsten haben wir halt Ölspuren, Ölspuren, Ölspuren, Ölspuren ..."

Hin und wieder suchen sie auch vermisste Personen. Es gibt ein psychiatrisches Wohnheim und jede Menge Verwirrte. Eine Bewohnerin haben sie in Frankfurt am Bahnhof aufgegriffen, eine andere saß in Mosel mit einer Bekannten beim Kaffee. Zwei Tage haben sie nach ihr gesucht. Aber manchmal bringen sie auch nur ein wenig Leben ins Dorf: Martinszug, Aktion Weihnachtsbäume, Wandertage, Muttertagsgrillen und Schlachtfest. Was man so macht, damit man nicht eine reine Wohn- und Schlafgemeinde wird. Günther ist neben Schornsteinfegermeister Mario Merkel der einzige, der schon beim großen Kurbadbrand in Bad Marienberg dabei war. Obwohl damals 30 Zentimeter Schnee liegen, ist die Hitzeentwicklung so stark, dass das Wasser im Schwimmbecken kocht. Aber das ist schon ein Weilchen her. Hat sich viel geändert seitdem, sagt Günther.

"Die Kameradschaft ist schon noch da, aber vor 15, 20 Jahren sah das Bild noch anders aus. Da wurd' sich auch so mal zwischendurch getroffen, Sonntagmorgen zum Frühschoppen im Gerätehaus, das gibt’s heut nicht mehr . Warum? Ich glaube, dann wär das auch mit dem Rückgang bei Vereinen im Allgemeinen nicht so dramatisch. Wenn das noch gepflegt würde, wenn noch Leut kommen würden, ja ... nur solche Zeiten, wie ich’s erlebt habe, morgen um neun zur Übung, und dann kam man nachmittags um drei, halbvier, vier nach Hause, die Zeiten sind vorbei gibt’s nicht mehr."

Die guten Geschichten der Großseifener Feuerwehr spielen bereits alle in der Vergangenheit. Manchmal spricht man noch auf den Dorffesten darüber: Wie sie einmal im Traktor nach Erbach unterwegs waren, zwölf Prozent Gefälle ins Tal, und der Bauer mit sechs Personen auf dem Hänger, hat, damit´s schneller geht, einfach den Leerlauf reingeknallt. Wie sie beim Schreinerei-Brand im Nistertal so viel Wasser gespritzt hatten, dass ihnen, als sie die Tür öffneten, schon die ersoffenen Hühner entgegenschwammen. Wie beim Dachstuhlbrand gegenüber vor 14 Jahren einer der ermittelnden Kripobeamten eine Großseifenerin nach intensiver Befragung gleich heiratete. Oder wie Renate ihrem Mann Helmut, als er, wie üblich, nach der Übung zu spät zum Essen kam, aus Protest sein Brathähnchen einfach draußen in den Baum gehängt hat.

Günther lässt im Keller des Großseifener Gerätehauses die Jalousien im Gemeinschaftsraum hoch, der seit einiger Zeit kaum noch genutzt wird. "Anderen zu helfen, ist ´ne Sache, die man macht oder nicht macht." Er macht sie. Und er macht sie gern. An der holzgetäfelten Wand gegenüber der selbstgezimmerten Bar hängen Fotos aus einer Zeit, als man noch nach jedem Einsatz zusammen saß. "Bild mir ja nichts ein", sagt Günther, aber dass alle Pokale der Jugendfeuerwehr, die dort oben langsam im Regal verstauben, ausschließlich aus der Zeit stammen, als er ihr Chef war, sagt ja vielleicht auch etwas über seine Arbeit. 1982 hat er sie gegründet.

"Damals mit noch elf Jugendlichen, wobei heute noch ein einziger dabei ist, der Rest ist weggezogen oder meistens sind es zeitliche Gründe, wo die Leute halt eben sagen, keine Zeit mehr, na ja."

Ein Stockwerk höher. Unter den Feuerpatschen an der Wand, die graulackierten offenen Spinte: Helm mit Nummer, darunter Hupf 4-Jacken, viel schwerer als die aktuellen Modelle der Berufsfeuerwehr, aber immerhin mehrlagig und feuerfest: Nomex-Faser, hält im Winter warm und im Sommer schwitzt man, immer dasselbe. Dunkelblaue Anzüge mit grellen Leuchtstreifen, bei denen man die Hitze erst spürt, wenn es schon fast zu spät ist. Die Klamotten von Ex-Wehrführer Günther Uhl hängen unangetastet in seinem Spind, Lungenembolie vor zehn Jahren, sie haben ihn verehrt. Auch Alterskamerad Wolfgang Merkel hat noch seinen Schrank. Hin und wieder hilft er ja beim Schlachtfest aus. Der rote Feuerwehrwagen, 104 PS, ist 18 Jahre alt und verbraucht etwa 20 Liter, was allerdings nicht weiter ins Gewicht fällt, überwiegend steht er ja rum. "Weltbewegendes ist meist nicht", sagt, unter einer Wandtafel aller gängigen Knotenarten, Peter Günther. Es sei denn ...

Um 18.30 Uhr kommt der Einsatzbefehl aus Bad Marienburg: Übungsalarm. Egal ob sie grad auf dem Klo sitzen, sich über einen schönen Spießbraten hermachen oder sonst vergnügen - wenn der Pieper zu Hause tönt, haben sie noch acht Minuten bis zum Einsatzort. Manchmal kommen sie in Schlafanzug und Schlappen zum Gerätehaus rüber. Es ist nicht jedermanns Sache, sich einer Allgemeinheit zu verpflichten, die dies in vielen Fällen nicht honoriert. Im Zweifel das eigene Leben zu opfern, in jedem Fall aber viel Zeit, unentgeltlich: Zwölf Übungen im Jahr. Und vorher die Grundausbildung, 70 Stunden, Truppführer, 35 Stunden, Maschinist und Atemschutzgeräteträger, jeweils 30 Stunden. Alles für lau.

Schon eilen die ersten durch das große Metalltor. Mario, der Schornsteinfegermeister, auch schon seit einem Vierteljahrhundert dabei, die Eheleute Licht, beide Buchdrucker, Nicole Müller, OP-Schwester bei der Bundeswehr, Sascha Ax von der Kreisparkasse, Thorsten, Manfred und die anderen.

Rein in die Anzüge, Motor anlassen und los. Wer zu spät kommt, muss mit dem Pkw hinterher.

"Motor angelassen, paar Minuten warten wir noch ... die Langsamsten sind wir nicht. So übernimmst du die Gruppe ... mehr werden wahrscheinlich nicht kommen ... Wir schreiben jetzt auf, wo der Alarm ist Kreidegeräusche, Martinshorn, die sollen doch mal warten, scheiße, tut mir leid, weg ... die Jungs sind zu eifrig. Ja, wie machen wir das jetzt?"

Weil der Wagen schon voll ist, sind die Jungs im Eifer des Gefechts ohne ihren Chef abgefahren. Aber wenig später hat er sie wieder eingeholt.

"Pass auf die Autos auf, den Passat rechts darfste ruhig knuffen, aber nicht meinen."

Vor eineinhalb Jahren hat er schon fast hingeschmissen. Ein paar Mal schaut er sich an, dass er zu den Übungen fast alleine kommt. Dann beruft er eine außerordentliche Vorstandssitzung ein, weil die Lage, wie er findet, außerordentliche Maßnahmen erfordert. Der damalige Erste Vorsitzende des Fördervereins ist jedoch der Meinung, dass nur der Vorstand, insbesondere aber er selbst, eine solche Sitzung einberufen kann. "Der wollt mir fast an´n Hals", sagt Günther. Jedenfalls gibt es noch zwei weitere Krisensitzungen, die ihrerseits krisenverschärfend wirken, so dass, auf der Schwelle zur Handgreiflichkeit, der Gemeindebürgermeister schlichten muss. Am Ende bitten sie Günther zu bleiben. Er bleibt.

Dicht gedrängt sitzen sie jetzt im Wagen, der eigentlich nur sechs Plätze hat. Erwartungsvoll und doch mit gedämpfter Anspannung, denn anders als im Ernstfall werden Fehler heute keine Konsequenzen haben. Das Martinshorn hallt durch die Straßen, die Giebelhäuser Großseifens erstrahlen im blassen Widerschein des rotierenden Blaulichts. Hinter den Gardinen Augenpaare.

Eine Minute später am Einsatzort treten sie nach festgelegter Ordnung hinter dem Wagen an. Nicht zu zackig, denn den militärischen Ton wollen wir nicht so, sagt Günther. Aber da hat jeder seinen eigenen Stil. Da kein Tankfahrzeug zur Verfügung steht, ist der Zug aus Großseifen heute zuständig für den Pumpenaufbau an der 300 Meter entfernten Zisterne. 1000 Liter pro Minute bringt die Pumpe normalerweise, aber zunächst gibt es ein kleines Zündkerzenproblem, Günther wird morgen mal in der Werkstatt nachschauen. Die B-Druckschläuche, 75 Millimeter Durchmesser, werden ausgerollt und mit der Pumpe verbunden. "Leitung legen", wie es hier heißt. Ein Schlauch ist zu viel, aber wie heißt es so schön:

"Lieber´n Schlauch zu viel geschmissen, als einen zu wenig."

Der Druck stimmt, "Wasser Marsch" könnte es jetzt heißen, aber leider bricht in diesem Moment die Kommunikation zwischen den drei beteiligten Ortswehren zusammen: Niemand ist jetzt mehr erreichbar.

"Jetzt haben wir zum Beispiel das Problem, dass wir drei Feuerwehren, ne mehr, noch in zwei Nachbardörfern, wird auch ne Übung durchgeführt, und die funken alle auf´m Kanal 56, den wir auch haben und deshalb ist jetzt die Kommunikation gleich null. Jetzt müssen wir Kanalwechsel durchführen, das können wir aber nicht allein machen, sonst hören die uns da unten nicht mehr, die anrufen, alle auf anderen Kanal, dann ist die Welt wieder in Ordnung. Weil wir kriegen die Einsatzleitung nicht und die kriegen uns nicht, also im Moment müssten wir alles zu Fuß machen."

Mit kühlem Kopf wird die kleine Konfusion gemeistert. Kein Grund, sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Der Wehrführer sagt:

"Beim Einsatz kann dasselbe passieren, dass man sich nicht verständigen kann, irgendwo ist ne Übung, Feuerwehr haben ´nen Einsatz, und wir funken denen dazwischen, ist immer die große Frage, Unterschied zwischen Theorie und Praxis."

Die Zeit ist reif für eine Entscheidung.

"Wisst ihr was, setzt euch ins Auto, fahrt mit der ganzen Mannschaft darunter, sagt denen das, weil, die stehen hier nur rum, die wissen ja gar nicht, was sie hier machen sollen. Kanal 50 ..."

Als alle wieder miteinander reden, halten sie drei C-Rohre, Reichweite 35 Meter, in ein Feuer ohne Flammen. Nach einer Weile spritzen sie, damit das Scheunendach nicht zu sehr durchweicht, einfach ins angrenzende Waldstück. Mario ist bereits mit Atemschutzgerät in die Scheune. Aber sicher ist sicher. Man braucht ein bisschen Phantasie, einige Tausend Liter Wasser in ein Feuer zu jagen, das nicht brennt.

Es ist ein feuchtkühler Abend, niemandem wird heiß, trotz Brandphantasie, und gefährdet ist höchstens der Komparse, der laut Protokoll schwer verletzt auf dem nassen Boden liegend, möglicherweise von einer Erkältung bedroht ist. Mario holt ihn unter der Mähmaschine vor und bettet ihn vorsichtig auf eine Trage.

Günthers Stellvertreter, Jürgen Hecksl, der nach der Übung hilft, die Schläuche wieder einzurollen, ist auch schon 23 Jahre dabei. Der Lkw-Fahrer trägt wie fast alle Männer der Großseifener Feuerwehr Schnauzer wie der Chef. Nicht, weil sie auch optisch ihrem Wehrführer nacheifern - im Bereich der Mode gibt es naheliegendere Vorbilder als ihn – sondern deshalb, weil man es in Großseifen zurzeit eben so trägt. Hecksl beklagt, das Ehrenamt habe seine Selbstverständlichkeit verloren.

"Zu meiner Zeit war da jeder, gehört sich auch so, ist ja auch eigentlich n lustiger Haufen, außer dass man auch sagt, macht Sinn, es macht ja auch Spaß."

Auch wenn es natürlich mit verschiedenen Unannehmlichkeiten verbunden ist. Wobei man nicht alles gestört werden kann! Im Bad, beim Einkaufen oder häuslicher Zärtlichkeit. Doch wenn die Pflicht ruft, tritt alles andere zurück. Muss alles warten, bleibt alles stehen. Es ist realer als die Flucht in virtuelle Computerwelten und macht, wenn man Hecksl glauben kann, mindestens so viel Spaß.

"Ja, das ist Hobby, andere quälen sich irgendwo, klatschen Bälle an die Wand, spielen Squash oder Tennis oder Fußball. Es ist´n anderes Hobby. Zum einen ist es immer die Kameradschaft, die da herrscht, es ist ja auch so, dass man sagt, man macht was Sinnvolles."

Hecksl sagt, es ist ja nicht nur, wenn es brennt. Die Feuerwehr hat natürlich auch eine soziale Funktion. Ein bisschen sind sie wie der Kitt, der noch alles zusammenhält, irgendwie. Sie bringen ein wenig Leben ins Dorf, was man so macht, damit man nicht eine reine Wohn- und Schlafgemeinde wird: Martinszug, Aktion Saubere Umwelt, Aktion Weihnachtsbäume, Wandertage, Muttertagsgrillen und Schlachtfest. Und natürlich...

"Dann sind da die Hydranten, die Pflege, ist klar, was nützt mir ´n Hydrant, wenn nichts kommt, das muss gewährleistet sein. Dass auch die Einrichtung in den Ortschaften gepflegt wird. Das macht dann in einem Zuge, so die Witterung, es wird langsam Winter. Überprüfen, saubermachen, zusehen, dass sie nicht zufrieren, die entdrecken."

Wenig später stehen sie im Gerätehaus der benachbarten Feuerwehr. Männer, die Ihren Feierabend geopfert haben und sich jetzt auch noch anhören sollen, was sie dabei alles falsch gemacht haben. Doch die Manöverkritik meint es gut mit ihnen.

"So wie sich das gehört. Hat auch jeder gemacht, was er machen soll. Die Wasserersorgung war auch relativ zügig, war auch in Ordnung, gut wurden auch Reserveleitungen gelegt, weil ´n kleines Missverständnis war, aber lieber eine zu viel als eine zu wenig. War vielleicht jetzt für die Atemschutzgeräteträger gewöhnungsbedürftig, weil sie im Dunkeln arbeiten mussten. Hat auch bissel länger gedauert als letzte Mal, war vielleicht auch mal was anderes. Mario wie war´s für dich?"
"War auch ne neue Erfahrung, musste auch zweimal rein."

Selbst Wehrleiter Groß – mit schmissigem Barett - der heute nicht dabei sein müsste, es aber selbstverständlich ist, weil er sich diesen Höhepunkt der Übungssaison natürlich nicht entgehen lässt, findet kaum Kritikpunkte. Und Wehrführer Günther, der mit seinem cremfarbenen Feuerwehrhelm auf eigentümliche Weise verwachsen scheint, begnügt sich mit einem kurzen: "War okay.", was aus seinem Mund als Lob zu werten ist. Dann trinken sie noch ein schnelles Bier oder eine Cola und fahren zurück nach Hause. Früher hätte der Abend jetzt erst begonnen.