60 Jahre Deutsche Länder

28 Jahre lang ist Berlin eine geteilte Stadt. Geteilt in zwei politische Systeme, finanziell gefüttert auf beiden Seiten. West-Berlin ist bis zur Wiedervereinigung der Stadt völkerrechtlich kein Teil der Bundesrepublik, ebenso wenig ist Ost-Berlin ein Teil der DDR. Berlin ist eine besetzte Stadt - bis 1990.
Erst als die Alliierten der deutschen Einheit zustimmen, verzichten sie auf ihre "Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes". Mit dem Einigungsvertrag wird Berlin Teil der Bundesrepublik und eigenständiges Bundesland. Die Geschichte des Landes Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg.
"Der beherrschende Eindruck, das ist immer wieder der etwas traurige Eindruck des schönen Berliner Tiergartens: Wo einst die großen Bäume hier standen, vielleicht unsere Großeltern im Flirt spazieren gingen, da geht jetzt ein Sämann hinter zwei mageren Klappergäulen hinter einer Egge her und versucht, etwas magere Kost aus diesem dürren Boden herauszuholen."
Der Krieg ist zu Ende, Berlin ist entstellt. 70 Prozent der Gebäude sind zerstört oder schwer beschädigt. Berlin, der Schutthaufen bei Potsdam – notiert Bertolt Brecht.
Hunderttausende Einwohner haben die ehemalige Reichshauptstadt verlassen, Hunderttausende Flüchtlinge ziehen durch die Stadt.
Mai 1945. Der sowjetische Stadtkommandant setzt einen Magistrat ein. Oberbürgermeister wird der parteilose Arthur Werner, in den Schlüsselpositionen sitzen KPD-Mitglieder.
Im Juli teilen die alliierten Siegermächte Berlin in Sektoren auf. Die Stadt wird zum "besonderen Berliner Gebiet" erklärt. Schilder markieren die Sektorengrenzen, aber verwaltet wird Groß-Berlin gemeinsam. Regierungsbehörde ist die alliierte Kommandantur.
Von Anfang an gibt es Spannungen zwischen Ost und West. Sie überschatten den Wahlkampf zur Gesamtberliner Stadtverordneten-Versammlung. Am Tag vor der Wahl spricht der britische Kommentator Lindsey Frazer zu den Berlinern.
"Berlin ist der Treffpunkt der vier Zonen, der Brennpunkt. Einen Wunsch an die Berliner: Dass Sie, wenn Sie morgen an der Wahlurne stehen, frei und furchtlos so wählen, wie es ihre Grundsätze, ihre Überzeugung und ihre Hoffnungen für die Zukunft gebieten."
20. Oktober 1946: Die ersten freien Wahlen seit 13 Jahren in Groß-Berlin. Die SPD gewinnt deutlich – auch im sowjetischen Sektor, trotz massiver Behinderungen. Insgesamt erhalten die Sozialdemokraten 48,7 Prozent der Stimmen, die Christdemokraten 22,2. Die SED kommt auf nur 19,8 Prozent. Der neue Magistrat ist faktisch ein machtloses Organ, seine Arbeit wird von den Konflikten der alliierten Besatzungsmächte geprägt.
Kalter Krieg im Sommer 1948. Die Einbeziehung der drei Westsektoren in die Währungsreform bezeichnet die Sowjetunion als Bruch des Vier-Mächte-Abkommens, als Spaltung der Stadt. Sie blockiert den Reise- und Güterverkehr durch die SBZ in die Westsektoren. Am 24. Juni 1948 unterbricht sie die Stromversorgung - im Westteil der Stadt gehen die Lichter aus.
Berlin-Blockade und Luftbrücke. Hildegard Helbig lebt in der Einflugschneise von Berlin-Tempelhof. Der Lärm stört sie nicht.
"Denn wir wussten ja genau: Es hängt alles davon ab, dass die fliegen. Und wenn keiner kam, dann hatte man gleich so – die Ohren wurden immer länger – was ist los: Warum kommt jetzt keiner."
Nahrungsmittel, Heizkohle, alles muss eingeflogen werden. Vor allem die Amerikaner wollen sich dem Druck der Sowjets nicht beugen. Und von den West-Berlinern kaufen nur wenige im Osten ein:
"Ich hatte damals einen Onkel, der wollte uns einen Gefallen tun, indem er uns zu Weihnachten mit einem Tannenbaum überraschte. Ja, wo haste denn den her? - Ja, den hab ich am Alex gekauft. - Da waren wir befremdet. Wir wären nicht hingefahren, um da einen Baum zu kaufen."
Die SED nutzt die Blockade zum Versuch, im gemeinsamen Magistrat und Stadtparlament Einfluss zu gewinnen. Es kommt zu Tumulten. Am 6. September 1946 verhindern Demonstranten zum dritten Mal die Tagung der Stadtverordnetenversammlung.
Die Abgeordneten von SPD, CDU und LPD beschließen, im Westen zu tagen. Die SED-Fraktion boykottiert die Sitzungen. Die Stadt ist gespalten. Und Ernst Reuter ist offiziell nicht im Amt. Seine Wahl zum Oberbürgermeister war vom sowjetischen Kommandanten per Veto abgelehnt worden. Aber am 9. Oktober steht er in eben dieser Funktion vor der Ruine des Reichtagsgebäudes. 300.000 Berliner hören ihm zu.
"Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien. Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben könnt, nicht preisgeben könnt."
Der Preis für die Freiheit West-Berlins ist die endgültige politische Teilung der Stadt. Am 30. November 1948 beruft die SED-Fraktion eine eigene, außerordentliche Stadtverordnetenversammlung im Osten ein. Die erklärt den Gesamtberliner Magistrat für abgesetzt und installiert eine eigene Regierung für den sowjetischen Sektor. Der neu gewählte Ost-Berliner Oberbürgermeister Fritz Ebert auf der anschließenden Kundgebung:
"Der heutige 30. November ist ein bedeutungsvoller Tag in der Geschichte der Hauptstadt Deutschlands. Wir haben heute auf der außerordentlichen Stadtverordnetenversammlung dem Treiben der Spalter Berlins und Deutschlands ein Ende gemacht."
Es ist das Ende der einheitlichen Stadtverwaltung – bei den Alliierten, bei den Berlinern. Das Ende der Berlin-Blockade folgt erst am 12. Mai 1949.
"Achtung, Achtung! Hier ist Rias Berlin! In Kürze hören sie ein Kommunique der vier Großmächte über die Aufhebung der Berlin-Blockade."
Berlin - nirgendwo sonst stehen sich die Großmächte USA und Sowjetunion so direkt gegenüber. Berlin – eine geteilte Stadt in einem geteilten Land in einem geteilten Europa. Auf die Gründung der Bundesrepublik folgt die der DDR. Oberbürgermeister Reuter sucht den Anschluss West-Berlins an die Bundesrepublik. Mehrere Bittgänge nach Bonn sind nötig - wie der im August 1950.
"Ohne die ökonomische und politische Integrierung Berlins in den Westen und umgekehrt, und ohne die Übernahme einer echten, dauerhaften Verantwortung für Berlin lässt sich das Problem Berlin nicht lösen."
Reuters Mahnungen finden erst Gehör, als die Amerikaner ihm den Rücken stärken. Berlin soll vom Bund unterstützt werden, aber nur begrenzt. Politisch bestehen die Westalliierten auf ihrer obersten Gewalt und der strategischen Stellung inmitten der DDR. Sie verhindern die Anerkennung West-Berlins als zwölftes Bundesland.
Während West-Berlin in Bonn um Status und Geld ringt und sich als "Schaufenster des Westens" versteht, arbeitet die DDR am Bild Ost-Berlins als Hauptstadt der DDR. Doch Ost-Berlin kann beim Wettkampf der Systeme nicht mithalten. Schlechtere Lebensverhältnisse und Erhöhung der Arbeitsnormen - Bauarbeiter in der Stalinallee treten in den Streik. Am 17. Juni 1953 ist es ein Aufstand. Zehntausende gehen in Ost-Berlin auf die Straße. Gegen Mittag sitzt eine Arbeiterin aus dem Fortschritt-Werk 1 im Rias-Studio und berichtet.
"Wir haben immer wieder versucht rüber zu kommen, aber leider kamen ja dann die Russen mit ihren Panzern und Maschinengewehren und wir hatten plötzlich das Gefühl: wenn wir noch einen Schritt weitergehen, sie würden ohne weiteres das Feuer eröffnen."
Das tun sie am Nachmittag auf dem Potsdamer Platz.
"Lasst das Schießen sein! Wir wissen, dass ihr Angst habt. Deshalb schießt ihr. Und ihr schießt auch gegen Häuserwände!"
Die Normerhöhung wird zurückgenommen, aber die Demonstranten rufen jetzt "Weg mit Ulbricht", fordern freie Wahlen und die Wiedervereinigung. Um 19 Uhr ist der Aufstand niedergeschlagen. Die Bilanz: Über 100 Tote und eine Fluchtbewegung in den Westen.
"Seit etwa ein Uhr heute Nacht rattern die Pressluftbohrer und bohren einen Graben quer durch die Ebertstraße hier am Brandenburger Tor. Der Graben ist etwa einen halben Meter tief und einen halben Meter breit."
13. August 1961. Die Sektorengrenze ist geschlossen, die Sperre zieht sich mitten durch die Stadt. Für Ost-Berlin ist es der letzte Versuch, den auszehrenden Flüchtlingsstrom zu stoppen. Die Forderung von Chrustschow: entmilitarisierte Zone in Berlin sowie Abzug der Westmächte, ist gescheitert. Die Antwort der Amerikaner hatte gelautet: Wir bleiben. Ihre Panzer bleiben an der Sektorengrenze stehen. Die West-Berliner Stadtregierung ist machtlos, sie kann nur protestieren. Willy Brandt, Regierender Bürgermeister, erklärt nach der Sondersitzung des Senats am 13. August.
"Die vom Ulbricht-Regime auf Aufforderung der Warschauer-Pakt-Staaten verfügten und eingeleiteten Maßnahmen zur Abriegelung der Sowjet-Zone und des Sowjet-Sektors von West-Berlin sind ein empörendes Unrecht."
Das Unrecht ist über drei Meter sechzig hoch, 43 Kilometer lang und trennt Familien, Freunde und Kollegen. Der Mauerbau stabilisiert die Machtverhältnisse in Ost-Berlin und in der DDR. Gleichzeitig ist er Voraussetzung für eine neue Politik in Ost und West.
Die versteinerte Spaltung zwingt beide Seiten zu Verhandlungen über ein Besuchsrecht. Nach zwei Jahren zähen Ringens kann der Regierende Bürgermeister Willy Brand am 17. Dezember 1963 endlich mitteilen.
"Morgen, Mittwoch, 13:00 Uhr, können die West-Berliner, die Verwandte in Ost-Berlin, im Ostteil der Stadt haben, Anträge stellen! Wir alle haben lange genug auf diese Nachricht warten müssen. Nun wissen wir, dass das Weihnachtsfest für hunderttausende Berliner in beiden Teilen der Stadt schöner werden kann."
Am nächsten Tag: Großer Andrang an den Passierscheinbüros:
"Ich versuche alles, ich hab heute Morgen schon von drüben Post bekommen von meinem Schwager. Wir sind furchtbar aufgeregt. Und die warten alle schon, die Tanten und Onkel und …"
Die DDR besteht auf der Anerkennung der Realitäten als souveräner Staat. Dazu sind Bonn und West-Berlin nicht bereit. Nach drei Jahren schließt die DDR wieder das Loch in der Mauer.
Ost- und West-Berlin sind integriert – in die DDR, in der Bundesrepublik. Während Ost-Berlin Hauptstadt der DDR ist, darf West-Berlin nicht vom Bund regiert werden, ist "kein Bestandteil … der Bundesrepublik". Das hatten die West-Alliierten verhindert.
West- und Ost-Berlin sind getrennt – erst das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin, das Transit-Abkommen sowie die Reise- und Besuchregelungen für West-Berliner Anfang der 70er Jahre machen die Mauer durchlässiger, erleichtern die Lage im West-Teil der Stadt.
Ost- und West-Berlin sind verbunden – in ihrem Wettlauf. Große Bauvorhaben prägen beide Teile der Stadt. Und die Wiederbelebung alter Zentren – Kurfürstendamm West, Alexanderplatz Ost. Konkurrenz auch in Forschung, Wissenschaft und Kultur: Brecht und Humboldt-Universität, Piscator und Freie Universität.
In West-Berlin wird gebaut und geprasst: Neue Stadtautobahn, Deutsche Oper, Philharmonie, Europacenter; Steuervergünstigungen für Unternehmen und Berlin-Zulage für Beschäftigte - es fehlt an nichts, außer an Arbeitskräften. Mit der Zitterprämie - das heißt sechs Prozent mehr Lohn - werden sie aus Westdeutschland und aus Südeuropa in die Inselstadt gelockt. West-Berlin, das Schaufenster des Westens, badet in Subventionen. Der Bund gleicht den Landeshaushalt aus.
Ost-Berlin versucht Schritt zu halten, ist die erste Stadt im Staate. Die Hauptstadt nimmt in jeder Hinsicht eine privilegierte Stellung ein. Der Etat wird zu 50 Prozent aus der Staatskasse finanziert. Hier ballt sich alles: Vom Regierungsapparat bis zur Versorgung. In den 70er Jahren beginnt das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm. Ganze Stadtteile werden aus dem Boden gestampft.
Ost-Berlin überhebt sich. Mangelwirtschaft und sozialpolitische Maßnahmen und Wohnungsprogramm - das Land treibt in den Ruin. Die Unzufriedenheit wächst: Fluchtversuche, oppositionelle Gruppen, manipulierte Wahlergebnisse, Diskussionen.
4. November 1989, Alexanderplatz. Über eine Million Menschen stellen sich gegen Bevormundung, fordern Demokratie ein. Zu den Rednern gehört die Schriftstellerin Christa Wolf:
"Unglaubliche Wandlungen. Das Staatsvolk der DDR geht auf die Straße, um sich als Volk zu erkennen. Und dies ist für mich der wichtigste Satz dieser letzten Wochen. Der tausendfache Ruf: Wir sind das Volk."
Fünf Tage später, aber Jahre zu spät, teilt ZK-Mitglied Schabowski mit:
"Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen."
Die Mauer ist offen.
"Kansst Du das glooben? Kannst Du das glooben. Wir haben es gerade gehört und sind sofort los. Wir können es noch nicht fassen."
Für Berlin beginnt ein neues Kapitel. Kurz nach der Wiedervereinigung Berlins können die Bürger im Dezember 1990 nach 44 Jahren wieder ein Parlament wählen. Ein halbes Jahr später fällt die Hauptstadt-Entscheidung in Bonn. Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth verkündet sie:
"Die Spannung ist riesengroß und ich gebe das Ergebnis jetzt bekannt."
Bundestag und Regierung kommen – die Alliierten gehen. Bis zur deutschen Einheit hatten die Besatzungsmächte in der Stadt die Hoheit. Jetzt haben sie keinen Auftrag mehr. Abzug.
Berlin steht auf eigenen Füßen – zu plötzlich, auch finanziell. Lebenserhaltende Subventionen des Bundes für den Westteil der Stadt fallen weg, der Osten muss saniert werden. Berlin rutscht immer tiefer in die Schuldenfalle – trotz Hauptstadtvertrag und Hauptstadtfinanzierungsvertrag.
Der Milliarden-Skandal um die Berliner Landesbank belegt die desaströse Finanzlage der Stadt 2001 und den West-Berliner Filz der Subventionsjahre. Klaus Landowski, Landesbank-Vorstandschef und CDU-Fraktionsvorsitzender, bringt den Regierenden Bürgermeister in Erklärungsnot.
"Klaus Landowski hat die Verantwortung auf sich genommen, er ist übrigens nicht mehr in der Bank tätig und vor allen Dingen er hat auch keine öffentlichen Ämter."
Doch Diepgen steht mit dem Rücken zur Wand. Nach fast 16 Jahren Amtszeit wird er per Misstrauensvotum gestürzt. Die seit 1991 regierende Große Koalition zerbricht. Die SPD rettet sich unter Klaus Wowereit in eine Minderheitsregierung mit den Grünen. Bei den vorgezogenen Wahlen vier Monate später, am 21. Oktober 2001, bekommt Rot-Grün keine Mehrheit, Wowereit geht die Koalition mit der PDS ein. Berlin wird rot-rot.
"Und ich weiß auch, dass viele Menschen, sowohl aus dem ehemaligen Ostteil der Stadt als auch aus dem ehemaligen Westteil der Stadt, Mühe haben, sich an diese Koalition zu gewöhnen."
Der rot-rote Senat steht vor einem Schuldenberg von 50 Milliarden Euro.
28 Jahre lang ist Berlin eine geteilte Stadt. Geteilt in zwei politische Systeme, finanziell gefüttert auf beiden Seiten. West-Berlin ist bis zur Wiedervereinigung der Stadt völkerrechtlich kein Teil der Bundesrepublik, ebenso wenig ist Ost-Berlin ein Teil der DDR. Berlin ist eine besetzte Stadt - bis 1990. Erst als die Alliierten der deutschen Einheit zustimmen, verzichten sie auf ihre "Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes". Mit dem Einigungsvertrag wird Berlin Teil der Bundesrepublik und eigenständiges Bundesland.
Die Stadt ist finanziell schwer angeschlagen und höchst lebendig.
"Der beherrschende Eindruck, das ist immer wieder der etwas traurige Eindruck des schönen Berliner Tiergartens: Wo einst die großen Bäume hier standen, vielleicht unsere Großeltern im Flirt spazieren gingen, da geht jetzt ein Sämann hinter zwei mageren Klappergäulen hinter einer Egge her und versucht, etwas magere Kost aus diesem dürren Boden herauszuholen."
Der Krieg ist zu Ende, Berlin ist entstellt. 70 Prozent der Gebäude sind zerstört oder schwer beschädigt. Berlin, der Schutthaufen bei Potsdam – notiert Bertolt Brecht.
Hunderttausende Einwohner haben die ehemalige Reichshauptstadt verlassen, Hunderttausende Flüchtlinge ziehen durch die Stadt.
Mai 1945. Der sowjetische Stadtkommandant setzt einen Magistrat ein. Oberbürgermeister wird der parteilose Arthur Werner, in den Schlüsselpositionen sitzen KPD-Mitglieder.
Im Juli teilen die alliierten Siegermächte Berlin in Sektoren auf. Die Stadt wird zum "besonderen Berliner Gebiet" erklärt. Schilder markieren die Sektorengrenzen, aber verwaltet wird Groß-Berlin gemeinsam. Regierungsbehörde ist die alliierte Kommandantur.
Von Anfang an gibt es Spannungen zwischen Ost und West. Sie überschatten den Wahlkampf zur Gesamtberliner Stadtverordneten-Versammlung. Am Tag vor der Wahl spricht der britische Kommentator Lindsey Frazer zu den Berlinern.
"Berlin ist der Treffpunkt der vier Zonen, der Brennpunkt. Einen Wunsch an die Berliner: Dass Sie, wenn Sie morgen an der Wahlurne stehen, frei und furchtlos so wählen, wie es ihre Grundsätze, ihre Überzeugung und ihre Hoffnungen für die Zukunft gebieten."
20. Oktober 1946: Die ersten freien Wahlen seit 13 Jahren in Groß-Berlin. Die SPD gewinnt deutlich – auch im sowjetischen Sektor, trotz massiver Behinderungen. Insgesamt erhalten die Sozialdemokraten 48,7 Prozent der Stimmen, die Christdemokraten 22,2. Die SED kommt auf nur 19,8 Prozent. Der neue Magistrat ist faktisch ein machtloses Organ, seine Arbeit wird von den Konflikten der alliierten Besatzungsmächte geprägt.
Kalter Krieg im Sommer 1948. Die Einbeziehung der drei Westsektoren in die Währungsreform bezeichnet die Sowjetunion als Bruch des Vier-Mächte-Abkommens, als Spaltung der Stadt. Sie blockiert den Reise- und Güterverkehr durch die SBZ in die Westsektoren. Am 24. Juni 1948 unterbricht sie die Stromversorgung - im Westteil der Stadt gehen die Lichter aus.
Berlin-Blockade und Luftbrücke. Hildegard Helbig lebt in der Einflugschneise von Berlin-Tempelhof. Der Lärm stört sie nicht.
"Denn wir wussten ja genau: Es hängt alles davon ab, dass die fliegen. Und wenn keiner kam, dann hatte man gleich so – die Ohren wurden immer länger – was ist los: Warum kommt jetzt keiner."
Nahrungsmittel, Heizkohle, alles muss eingeflogen werden. Vor allem die Amerikaner wollen sich dem Druck der Sowjets nicht beugen. Und von den West-Berlinern kaufen nur wenige im Osten ein:
"Ich hatte damals einen Onkel, der wollte uns einen Gefallen tun, indem er uns zu Weihnachten mit einem Tannenbaum überraschte. Ja, wo haste denn den her? - Ja, den hab ich am Alex gekauft. - Da waren wir befremdet. Wir wären nicht hingefahren, um da einen Baum zu kaufen."
Die SED nutzt die Blockade zum Versuch, im gemeinsamen Magistrat und Stadtparlament Einfluss zu gewinnen. Es kommt zu Tumulten. Am 6. September 1946 verhindern Demonstranten zum dritten Mal die Tagung der Stadtverordnetenversammlung.
Die Abgeordneten von SPD, CDU und LPD beschließen, im Westen zu tagen. Die SED-Fraktion boykottiert die Sitzungen. Die Stadt ist gespalten. Und Ernst Reuter ist offiziell nicht im Amt. Seine Wahl zum Oberbürgermeister war vom sowjetischen Kommandanten per Veto abgelehnt worden. Aber am 9. Oktober steht er in eben dieser Funktion vor der Ruine des Reichtagsgebäudes. 300.000 Berliner hören ihm zu.
"Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien. Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben könnt, nicht preisgeben könnt."
Der Preis für die Freiheit West-Berlins ist die endgültige politische Teilung der Stadt. Am 30. November 1948 beruft die SED-Fraktion eine eigene, außerordentliche Stadtverordnetenversammlung im Osten ein. Die erklärt den Gesamtberliner Magistrat für abgesetzt und installiert eine eigene Regierung für den sowjetischen Sektor. Der neu gewählte Ost-Berliner Oberbürgermeister Fritz Ebert auf der anschließenden Kundgebung:
"Der heutige 30. November ist ein bedeutungsvoller Tag in der Geschichte der Hauptstadt Deutschlands. Wir haben heute auf der außerordentlichen Stadtverordnetenversammlung dem Treiben der Spalter Berlins und Deutschlands ein Ende gemacht."
Es ist das Ende der einheitlichen Stadtverwaltung – bei den Alliierten, bei den Berlinern. Das Ende der Berlin-Blockade folgt erst am 12. Mai 1949.
"Achtung, Achtung! Hier ist Rias Berlin! In Kürze hören sie ein Kommunique der vier Großmächte über die Aufhebung der Berlin-Blockade."
Berlin - nirgendwo sonst stehen sich die Großmächte USA und Sowjetunion so direkt gegenüber. Berlin – eine geteilte Stadt in einem geteilten Land in einem geteilten Europa. Auf die Gründung der Bundesrepublik folgt die der DDR. Oberbürgermeister Reuter sucht den Anschluss West-Berlins an die Bundesrepublik. Mehrere Bittgänge nach Bonn sind nötig - wie der im August 1950.
"Ohne die ökonomische und politische Integrierung Berlins in den Westen und umgekehrt, und ohne die Übernahme einer echten, dauerhaften Verantwortung für Berlin lässt sich das Problem Berlin nicht lösen."
Reuters Mahnungen finden erst Gehör, als die Amerikaner ihm den Rücken stärken. Berlin soll vom Bund unterstützt werden, aber nur begrenzt. Politisch bestehen die Westalliierten auf ihrer obersten Gewalt und der strategischen Stellung inmitten der DDR. Sie verhindern die Anerkennung West-Berlins als zwölftes Bundesland.
Während West-Berlin in Bonn um Status und Geld ringt und sich als "Schaufenster des Westens" versteht, arbeitet die DDR am Bild Ost-Berlins als Hauptstadt der DDR. Doch Ost-Berlin kann beim Wettkampf der Systeme nicht mithalten. Schlechtere Lebensverhältnisse und Erhöhung der Arbeitsnormen - Bauarbeiter in der Stalinallee treten in den Streik. Am 17. Juni 1953 ist es ein Aufstand. Zehntausende gehen in Ost-Berlin auf die Straße. Gegen Mittag sitzt eine Arbeiterin aus dem Fortschritt-Werk 1 im Rias-Studio und berichtet.
"Wir haben immer wieder versucht rüber zu kommen, aber leider kamen ja dann die Russen mit ihren Panzern und Maschinengewehren und wir hatten plötzlich das Gefühl: wenn wir noch einen Schritt weitergehen, sie würden ohne weiteres das Feuer eröffnen."
Das tun sie am Nachmittag auf dem Potsdamer Platz.
"Lasst das Schießen sein! Wir wissen, dass ihr Angst habt. Deshalb schießt ihr. Und ihr schießt auch gegen Häuserwände!"
Die Normerhöhung wird zurückgenommen, aber die Demonstranten rufen jetzt "Weg mit Ulbricht", fordern freie Wahlen und die Wiedervereinigung. Um 19 Uhr ist der Aufstand niedergeschlagen. Die Bilanz: Über 100 Tote und eine Fluchtbewegung in den Westen.
"Seit etwa ein Uhr heute Nacht rattern die Pressluftbohrer und bohren einen Graben quer durch die Ebertstraße hier am Brandenburger Tor. Der Graben ist etwa einen halben Meter tief und einen halben Meter breit."
13. August 1961. Die Sektorengrenze ist geschlossen, die Sperre zieht sich mitten durch die Stadt. Für Ost-Berlin ist es der letzte Versuch, den auszehrenden Flüchtlingsstrom zu stoppen. Die Forderung von Chrustschow: entmilitarisierte Zone in Berlin sowie Abzug der Westmächte, ist gescheitert. Die Antwort der Amerikaner hatte gelautet: Wir bleiben. Ihre Panzer bleiben an der Sektorengrenze stehen. Die West-Berliner Stadtregierung ist machtlos, sie kann nur protestieren. Willy Brandt, Regierender Bürgermeister, erklärt nach der Sondersitzung des Senats am 13. August.
"Die vom Ulbricht-Regime auf Aufforderung der Warschauer-Pakt-Staaten verfügten und eingeleiteten Maßnahmen zur Abriegelung der Sowjet-Zone und des Sowjet-Sektors von West-Berlin sind ein empörendes Unrecht."
Das Unrecht ist über drei Meter sechzig hoch, 43 Kilometer lang und trennt Familien, Freunde und Kollegen. Der Mauerbau stabilisiert die Machtverhältnisse in Ost-Berlin und in der DDR. Gleichzeitig ist er Voraussetzung für eine neue Politik in Ost und West.
Die versteinerte Spaltung zwingt beide Seiten zu Verhandlungen über ein Besuchsrecht. Nach zwei Jahren zähen Ringens kann der Regierende Bürgermeister Willy Brand am 17. Dezember 1963 endlich mitteilen.
"Morgen, Mittwoch, 13:00 Uhr, können die West-Berliner, die Verwandte in Ost-Berlin, im Ostteil der Stadt haben, Anträge stellen! Wir alle haben lange genug auf diese Nachricht warten müssen. Nun wissen wir, dass das Weihnachtsfest für hunderttausende Berliner in beiden Teilen der Stadt schöner werden kann."
Am nächsten Tag: Großer Andrang an den Passierscheinbüros:
"Ich versuche alles, ich hab heute Morgen schon von drüben Post bekommen von meinem Schwager. Wir sind furchtbar aufgeregt. Und die warten alle schon, die Tanten und Onkel und …"
Die DDR besteht auf der Anerkennung der Realitäten als souveräner Staat. Dazu sind Bonn und West-Berlin nicht bereit. Nach drei Jahren schließt die DDR wieder das Loch in der Mauer.
Ost- und West-Berlin sind integriert – in die DDR, in der Bundesrepublik. Während Ost-Berlin Hauptstadt der DDR ist, darf West-Berlin nicht vom Bund regiert werden, ist "kein Bestandteil … der Bundesrepublik". Das hatten die West-Alliierten verhindert.
West- und Ost-Berlin sind getrennt – erst das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin, das Transit-Abkommen sowie die Reise- und Besuchregelungen für West-Berliner Anfang der 70er Jahre machen die Mauer durchlässiger, erleichtern die Lage im West-Teil der Stadt.
Ost- und West-Berlin sind verbunden – in ihrem Wettlauf. Große Bauvorhaben prägen beide Teile der Stadt. Und die Wiederbelebung alter Zentren – Kurfürstendamm West, Alexanderplatz Ost. Konkurrenz auch in Forschung, Wissenschaft und Kultur: Brecht und Humboldt-Universität, Piscator und Freie Universität.
In West-Berlin wird gebaut und geprasst: Neue Stadtautobahn, Deutsche Oper, Philharmonie, Europacenter; Steuervergünstigungen für Unternehmen und Berlin-Zulage für Beschäftigte - es fehlt an nichts, außer an Arbeitskräften. Mit der Zitterprämie - das heißt sechs Prozent mehr Lohn - werden sie aus Westdeutschland und aus Südeuropa in die Inselstadt gelockt. West-Berlin, das Schaufenster des Westens, badet in Subventionen. Der Bund gleicht den Landeshaushalt aus.
Ost-Berlin versucht Schritt zu halten, ist die erste Stadt im Staate. Die Hauptstadt nimmt in jeder Hinsicht eine privilegierte Stellung ein. Der Etat wird zu 50 Prozent aus der Staatskasse finanziert. Hier ballt sich alles: Vom Regierungsapparat bis zur Versorgung. In den 70er Jahren beginnt das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm. Ganze Stadtteile werden aus dem Boden gestampft.
Ost-Berlin überhebt sich. Mangelwirtschaft und sozialpolitische Maßnahmen und Wohnungsprogramm - das Land treibt in den Ruin. Die Unzufriedenheit wächst: Fluchtversuche, oppositionelle Gruppen, manipulierte Wahlergebnisse, Diskussionen.
4. November 1989, Alexanderplatz. Über eine Million Menschen stellen sich gegen Bevormundung, fordern Demokratie ein. Zu den Rednern gehört die Schriftstellerin Christa Wolf:
"Unglaubliche Wandlungen. Das Staatsvolk der DDR geht auf die Straße, um sich als Volk zu erkennen. Und dies ist für mich der wichtigste Satz dieser letzten Wochen. Der tausendfache Ruf: Wir sind das Volk."
Fünf Tage später, aber Jahre zu spät, teilt ZK-Mitglied Schabowski mit:
"Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen."
Die Mauer ist offen.
"Kansst Du das glooben? Kannst Du das glooben. Wir haben es gerade gehört und sind sofort los. Wir können es noch nicht fassen."
Für Berlin beginnt ein neues Kapitel. Kurz nach der Wiedervereinigung Berlins können die Bürger im Dezember 1990 nach 44 Jahren wieder ein Parlament wählen. Ein halbes Jahr später fällt die Hauptstadt-Entscheidung in Bonn. Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth verkündet sie:
"Die Spannung ist riesengroß und ich gebe das Ergebnis jetzt bekannt."
Bundestag und Regierung kommen – die Alliierten gehen. Bis zur deutschen Einheit hatten die Besatzungsmächte in der Stadt die Hoheit. Jetzt haben sie keinen Auftrag mehr. Abzug.
Berlin steht auf eigenen Füßen – zu plötzlich, auch finanziell. Lebenserhaltende Subventionen des Bundes für den Westteil der Stadt fallen weg, der Osten muss saniert werden. Berlin rutscht immer tiefer in die Schuldenfalle – trotz Hauptstadtvertrag und Hauptstadtfinanzierungsvertrag.
Der Milliarden-Skandal um die Berliner Landesbank belegt die desaströse Finanzlage der Stadt 2001 und den West-Berliner Filz der Subventionsjahre. Klaus Landowski, Landesbank-Vorstandschef und CDU-Fraktionsvorsitzender, bringt den Regierenden Bürgermeister in Erklärungsnot.
"Klaus Landowski hat die Verantwortung auf sich genommen, er ist übrigens nicht mehr in der Bank tätig und vor allen Dingen er hat auch keine öffentlichen Ämter."
Doch Diepgen steht mit dem Rücken zur Wand. Nach fast 16 Jahren Amtszeit wird er per Misstrauensvotum gestürzt. Die seit 1991 regierende Große Koalition zerbricht. Die SPD rettet sich unter Klaus Wowereit in eine Minderheitsregierung mit den Grünen. Bei den vorgezogenen Wahlen vier Monate später, am 21. Oktober 2001, bekommt Rot-Grün keine Mehrheit, Wowereit geht die Koalition mit der PDS ein. Berlin wird rot-rot.
"Und ich weiß auch, dass viele Menschen, sowohl aus dem ehemaligen Ostteil der Stadt als auch aus dem ehemaligen Westteil der Stadt, Mühe haben, sich an diese Koalition zu gewöhnen."
Der rot-rote Senat steht vor einem Schuldenberg von 50 Milliarden Euro.
28 Jahre lang ist Berlin eine geteilte Stadt. Geteilt in zwei politische Systeme, finanziell gefüttert auf beiden Seiten. West-Berlin ist bis zur Wiedervereinigung der Stadt völkerrechtlich kein Teil der Bundesrepublik, ebenso wenig ist Ost-Berlin ein Teil der DDR. Berlin ist eine besetzte Stadt - bis 1990. Erst als die Alliierten der deutschen Einheit zustimmen, verzichten sie auf ihre "Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes". Mit dem Einigungsvertrag wird Berlin Teil der Bundesrepublik und eigenständiges Bundesland.
Die Stadt ist finanziell schwer angeschlagen und höchst lebendig.