60 Jahre Deutsche Länder
Ein Kunstprodukt, das zwei Landesteile zusammenführe, die nicht zusammengehörten, so wurde das Land Nordrhein-Westfalen häufig bezeichnet. Mal waren es die Zechen im Ruhrpott, die die Bewohner verbanden, mal der Sitz der Bundeshauptstadt in Bonn. Doch nach wie vor sucht das Bindestrichland nach dem Wir-Gefühl.
"Heute, da ich wiedergekommen bin, liegt die Stadt in Trümmern. Diese Trümmer rufen uns zu: Baut uns auf! Schafft wieder ein herrliches, ein heiliges Köln!"
Als Joseph Kardinal Frings im Sommer 1946 in seine Heimatstadt zurückkehrte, ließen die alliierten Besatzungsmächte gerade einen anderen bekannten Kölner zusammen mit dem SPD-Chef Kurt Schumacher nach Berlin einfliegen: Konrad Adenauer, ehemals Oberbürgermeister von Köln und nunmehr Vorsitzender der CDU in der britischen Zone:
"Da wurde uns nun vorjelecht, dass Großbritannien offenbar in Einvernehmen mit Amerika beabsichtige, ein Land Nordrhein-Westfalen zu schaffen. Und es wurde uns eine Karte jezeicht, auf der die Grenzen waren, und wir wurden gefragt, ob wir damit einverstanden seien.""
Die Frage nach dem Einverständnis der deutschen Politiker war rhetorischer Natur. Die Beschlüsse waren gefasst, die Grenzlinien gezogen, auch ohne die Zustimmung von Adenauer und Schumacher.
Nordrhein-Westfalen – ein Kunstprodukt. Es gab Vorbehalte vor allem im Hinblick auf die Zusammenführung der großen Landesteile Nordrhein und Westfalen, deren einzige historische Klammer darin bestand, dass beide dem ehemaligen preußischen Staatsverband angehörten. Eine Klammer mit wenig Zugkraft, wie sich zeigte. Denn die Bewohner des Nordrheins fühlten sich mehr den Rheinländern weiter südlich verbunden als ihren Nachbarn im Osten. Und auch unter den Westfalen gab es zahlreiche Gegner des neuen Bundeslandes.
Auch der erste nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Rudolf Amelunxen, ein Westfale, hatte ursprünglich den Zusammenschluss mit dem Rheinland abgelehnt. Erst als ihn die Briten ins Amt setzten, ließ sein Widerstand nach. Noch Jahre später ist einem weiteren Ministerpräsidenten, dem CDU-Politiker Franz Meyers, die schwierige Geburtsphase des Landes gut in Erinnerung:
"Es ist auch nicht zu bestreiten, dass in den ersten Jahren des Bestehens des Landes Nordrhein-Westfalen die Bewohner seiner beiden Landesteile dem neuen Land mit einer gewissen kühlen Reserve gegenüber standen."
In den ersten Jahren nach dem Gründungsakt des Landes kam immer wieder die Frage auf, ob nicht die Entscheidung der Besatzungsmächte revidiert und die Einheit des Rheinlandes wiederhergestellt werden müsse. Die Wiederangliederung der Regierungsbezirke Koblenz und Trier hätte jedoch Nordrhein-Westfalen, ohnehin das bevölkerungsreichste Bundesland, so groß werden lassen, dass die Frage nach der Selbstständigkeit Westfalens wieder aufgekommen wäre. Doch daran wollten die Landespolitiker nun nicht mehr rühren. Also blieben Rheinländer und Westfalen zusammen in einem Bundesland. Fortan und bis in die heutige Zeit das Kernthema nordrhein-westfälischer Identitätsbildung.
Die Industrialisierung hat das Land zusammengeführt. Dort, wo Kohle und Stahl produziert werden, waren klare Trennlinien der Landesteile noch nie gut erkennbar. Johannes Rau:
"Im Ruhrgebiet kann man schon Rheinland und Westfalen sehr schwer auseinander halten. Die wenigsten Menschen wissen, dass Gelsenkirchen zu Westfalen und Essen zum Rheinland gehört. Da passen die alten Klischees dann nicht mehr."
Auf das Ruhrgebiet mit seinen Zechen und Hochöfen hatten die Besatzungsmächte ein besonderes Augenmerk gerichtet. Von der ehemaligen "Waffenschmiede des Deutschen Reiches" sollte nie wie eine Bedrohung ausgehen. Die Franzosen forderten anfangs, das Revier vom deutschen Staatsgebiet abzutrennen und zu internationalisieren. Die Sowjets wollten es, ähnlich wie Berlin, der Kontrolle der vier Mächte unterstellen.
Doch der aufkommende Kalte Krieg ließ diese Pläne in der Schublade verschwinden. Auf Initiative der Briten wurde am 28. April 1949 das Ruhrstatut beschlossen. Die Kohleförderung und die Stahlproduktion wurden der Kontrolle einer internationalen Ruhrbehörde unterstellt, aber das Ruhrrevier konnte deutsches Staatsgebiet bleiben.
Die Westmächte erkannten sehr bald, dass Kohle und Stahl für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes unverzichtbar waren. Die Produktionsbeschränkungen wurden wieder aufgehoben und die Kontingente freigegeben. Die Kontrollbehörde hatte sich bereits 1952 erledigt und wurde wieder aufgelöst. Die Ruhrzechen konnten die Förderung hochfahren.
"Glückauf, Glückauf, Glückauf darauf: Hier wird noch harte Arbeit geleistet, hier arbeiten Bergarbeiter tausend Meter tief unter der Erde. In den Hüttenwerken, vor den Hochöfen, in den großen Schmieden sind die Männer ständig von Gefahren umwittert."
"Es hat sich in jeder Beziehung als richtig erwiesen…"
Da war sich Rudolf Amelunxen, erster Landesvater und Gründungsskeptiker, im Rückblick sicher:
"…dass das inmitten unseres Landes eingeschlossene Ruhrgebiet, dieses dichtest besiedelte Gebiet Europas, das sowohl rheinisch wie westfälisch ist, in einer staatlichen Organisation zusammengefasst wurde."
Während der Ruhrpott das Land der Malocher war, bereitete man sich entlang der Rheinschiene auf administrative Aufgaben vor. Düsseldorf war schon Landeshauptstadt geworden, nun begann eine kleine Residenzstadt im Süden des Landes sich auf noch größere Aufgaben vorzubereiten:
"Fast ohrenbetäubend setzen die schweren Presslufthämmer wieder ein. Und langsam beginnt das aufgeworfene Erdreich hier vor uns schon ein wenig Gestalt anzunehmen. Später soll hier ein großer repräsentativer Bau entstehen, wo heute Schutt, Erde, Steine und Trümmer sind."
Die Frage war noch gar nicht entschieden, ob Bonn auch tatsächlich Sitz von Parlament und Regierung werden würde, da wurden dort schon Fakten geschaffen. Die Entscheidung im Parlamentarischen Rat zwischen Bonn und Frankfurt fiel in den späten Abendstunden des 10. Mai 1949, und sie war denkbar knapp.
Adenauer: "Ich bitte, dass die Zuhörer jedes Zeichen des Missfallens und des Beifalls unterlassen. Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: Es haben erhalten Bonn 33, Frankfurt 29."
Versammlungsleiter Adenauer hatte hinter den Kulissen alles ihm Mögliche unternommen, um das christdemokratische Bonn gegenüber dem "roten" Frankfurt in die Favoritenstellung zu bringen. Und wie so oft war das Adenauersche Kalkül aufgegangen.
Bonn war nun provisorische Bundeshauptstadt oder Hauptstadt eines Provisoriums, als welches der Teilstaat Bundesrepublik damals definiert wurde. Und damit wurde eine ganze Region aus dem Dornröschenschlaf geweckt.
Am 3. April 1951 lädt der Reporter Peter von Zahn die Hörer des Nordwest-deutschen Rundfunks zu einer Straßenbahnfahrt durchs Ruhrgebiet ein. Zu hören ist das einfarbige Bild jener Jahre vom Ruhrrevier als rußgeschwärztem Kohlenpott:
"Mit ihnen fährt ein freundliches, aber kein lustiges Volk. Auch die jüngeren Frauen sehen immer ein bisschen erschöpft aus, die älteren sind von vielen Geburten schwerfällig und müssen sich von den Schaffnern über die Trittbretter helfen lassen. Meistens tragen sie ein unfrohes Grau oder Schwarz.
Und plötzlich fällt Ihnen, wenn Sie hinausblicken, etwas Ungewöhnliches auf: Ein Briefkasten wird knallgelb gestrichen. Das ist der einzige Farbfleck seit einer halben Stunde. Sonst nur grauer Rauch und schwärzliche Trümmer und dunkel gekleidete Menschen. Selbst die Kinder sind dunkel uniformiert mit Skimützen. Hinter den Trümmerfeldern aber die finsteren Silhouetten von Zechen. (...) Die Städte und Dörfer des Industriegebiets liegen über den größten Schätzen an Energie, welche Europa besitzt. Aber sie selber sind ärmlich, provinziell, rückständig geblieben."
Die Montanindustrien kamen nach dem Krieg wieder schnell auf die Beine, Kohle und Stahl wurden für den Wiederaufbau dringend gebraucht. Allein in den 150 Zechen des Ruhrbergbaus waren damals über 600.000 Kumpel beschäftigt. Hinzu kamen noch die vielen Tausend Arbeitskräfte in der Stahlerzeugung und in den Branchen, die von den Montanindustrien abhingen. Das Revier lebte von Kohle und Stahl.
Dann, Ende der 50er-Jahre kam, für die Bürger überraschend, die Kohle in die Krise. Es gab immer noch Engpässe bei der Versorgung mit Hausbrand, dennoch fuhren die Kumpel jetzt gelegentlich Feierschichten. Der Grund: Die Preise für Heizöl waren dramatisch gefallen, von 1957 bis 1960 um gut die Hälfte. Außerdem war die Importkohle jetzt billiger zu haben als die Kohle aus heimischer Förderung.
In Bochum standen zahlreiche Zechen vor dem Aus. Die Stadt protestierte auf einer außerordentlichen Ratssitzung am 6. November 1959:
"Die neusten Ereignisse zwingen die Stadtverordnetenversammlung in ihrer heutigen außerordentlichen Sitzung nach reiflicher Überlegung nunmehr zu folgenden Erklärungen: Sie protestiert gegen den Beschluss des Vorstandes der GBAG die drei Schachtanlagen ‚Prinzregent’, ‚Engelsburg’ und ‚Friedlicher Nachbar’ mit etwa 7.000 Arbeitsplätzen stillzulegen und erwartet von den Aufsichtsräten, dass sie diesem Beschluss nicht folgen."
Es blieb nicht bei gelegentlichen Zechenschließungen. Das Revier stand vor einem grundlegenden Strukturwandel. Das Motto dazu hatte Willy Brandt auf dem Außerordentlichen Parteitag der SPD in Bonn am 28. April 1961 ausgegeben:
"Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden."
Von Manger: "Aber ich weiß et nich, blauer Himmel über der Ruhr, ich weiß nich, wie se dat machen wollen, weil der Schornstein muss ja rauchen, nich. Da gibt’s doch kein Vertun."
Weg von den Montanindustrien, hieß die Devise, und hin zu Beschäftigungsalternativen, damals noch im industriellen Sektor. Für eine Region, die ganz auf Kohle und Stahl eingestellt war, keine leichte Aufgabe.
"Seit wenigen Augenblicken ist Bochum jetzt auch offiziell die Autostadt des Reviers. Denn heute Morgen wird hier eine der modernsten Automobilfabriken der Welt, so bezeichnete jedenfalls Mr. Stark, der Vorsitzende des Vorstandes der Adam Opel AG, das neue Werk, feierlich eröffnet.
Für Bochum und für das gesamte Ruhrgebiet ist das ein denkwürdiger Tag. Nach der Stilllegung von sieben Zechen in den letzten drei Jahren, die Anzahl der im Bochumer Bergbau Beschäftigten ist von rund 43.000 auf fast 20.000 Menschen gesunken, ist heute eine wesentliche Etappe im Strukturwandel der Wirtschaft zurückgelegt. Heute sind in den riesigen neuen Hallen des Opelwerks 1 in Laer und in Werk 2 in Langendreer fast 10.000 Menschen beschäftigt."
1966 kam es durch ein Konstruktives Misstrauensvotum zu einem Koalitionswechsel in Düsseldorf, eine parteipolitische Weichenstellung für Jahrzehnte. Die CDU war in der Wahl deutlich hinter der SPD zurückgeblieben, besaß aber zusammen mit der FDP immer noch die denkbar knappe Mehrheit von zwei Mandaten. Als sich Franz Meyers mit nur einer Stimme Mehrheit zum Ministerpräsidenten wählen ließ, sprach der SPD-Politiker Heinz Kühn von einer "Sperrkoalition gegen Sozialdemokraten" und prophezeite der Regierung Meyers eine nur kurze Lebensdauer.
Fünf Monate später ging Kühns Verwünschung in Erfüllung. FDP-Chef Willi Weyer hatte seine Partei ins Lager der Sozialdemokraten geführt und mit ihnen eine sozialliberale Koalition gebildet, Vorbote und Modell des Regierungswechsels drei Jahre später in Bonn.
In Düsseldorf markiert das erste Kabinett Kühn den Beginn einer fast 40 Jahre währenden ununterbrochenen Herrschaft der Sozialdemokraten. Kühns Gedanken zur nordrhein-westfälischen Identität stiegen schon bald in Rang geflügelter Worte auf:
"Nicht landsmannschaftliche Einheitlichkeit, nicht historisch-dynastisches Zusammenwachsen haben die Grenzen dieses Bundeslandes vorgezeichnet. Vielleicht war es so etwas wie die List der Geschichte, (...) indem sie die Menschen dieses Bindestrichlandes im Schmelztiegel dieses Vierteljahrhunderts gewiss zu weniger als einem Volk, wenngleich zu mehr als nur einer Bevölkerung zusammenwachsen ließ."
Weniger als ein Volk, aber mehr als nur eine Bevölkerung, den Bürgern an Rhein und Ruhr stand nicht der Sinn nach solch feinsinniger Deutung. Denn auf die Krise der Steinkohle folgte die Stahlkrise.
"Die Nachtschicht von Krupp marschiert in einem Demonstrationszug durch die Stadt…"
"Das ist ja unvorstellbar, was der Vorstand mit uns macht, so ein paar Leute über Tausende von Menschen zu entscheiden. Schon seit Jahren gibt es die Stahlkrise, seit Jahren warten wir, dass was gemacht wird. Die lassen uns bis zuletzt arbeiten, und dann sagen sie, wir machen zu."
Es half nichts, die Industrien waren auf dem Rückzug. Sie wanderten in die Länder, wo die Löhne und die Standards der sozialen Absicherung niedriger sind. Zurück blieben die Industriebrachen. Sie wurden plattgemacht oder an die Bedürfnisse der neu ins Land geholten Dienstleistungsbranchen angepasst. Einige wenige Stücke blieben erhalten als museale Denkmäler einer abgelaufenen Epoche.
Die klassische Facharbeiterschaft löste sich durch den Strukturwandel auf, die SPD verlor zunehmend ihre klassische Wählerklientel. Und so entwarf die SPD-geführte Landesregierung den Slogan "Wir in Nordrhein-Westfalen" und der Kommunalverband Ruhr startete die Anzeigenkampagne "Ein starkes Stück Deutschland". Versuche, in schwierigen Zeiten die kollektive Identität zu stärken.
Landesvater Johannes Rau, mit 20 Dienstjahren der mit Abstand am längsten amtierende Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, entdeckte im Lande die Vielfalt der Einheit oder Einheit durch Vielfalt?
"Der Bindestrich ist weg, aber die Vielfalt ist da. Das heißt, die Menschen empfinden sich nicht mehr als Nordrheiner oder Westfalen, sie empfinden sich als Nordrheinwestfalen. Aber als Unterfall sind sie Bielefelder, Lipper, Eifeler, Bergische. Und diese Regionen haben eine ausgesprochene Bindungskraft, die aber bei uns in Nordrhein-Westfalen dazu führt, dass das Ganze sich zusammen fügt und nicht auseinander gerät."
Bundestags-Präsidentin Dr. Rita Süßmuth: "Ich rufe auf den einzigen Tagesordnungspunkt unserer heutigen Sitzung, der in der Geschäftsordnung ganz nüchtern heißt: Beratung der Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz. Jeder weiß, worum es heute geht, um die Entscheidung in der Frage Bonn/Berlin."
20. Juni 1991: Wieder steht die Hauptstadtfrage auf der Tagesordnung. Die deutsche Einheit ist seit einem knappen Jahr hergestellt. Die Bundeshauptstadt am Rhein wird daran erinnert, dass sie nur ein Provisorium sein sollte. Die alte und jetzt auch wieder neue Hauptstadt Berlin will den Parlaments- und Regierungssitz zurück. Doch die Widerstände derer, die sich am Rhein gut eingelebt haben, sind groß. Die Bonn-Befürworter malen den Niedergang einer ganzen Region an die Wand. Es wird mit einer knappen Entscheidung gerechnet.
Dr. Rita Süßmuth: "Die Spannung ist riesengroß. Ich gebe das Ergebnis jetzt bekannt: Abgegebene Stimmen: 660, davon gültige Stimmen: 659. Für den Antrag Bundesstaatslösung Bonn-Antrag – 320 Stimmen. Für den Antrag Vollendung der Einheit Deutschlands – Berlin-Antrag – 337 Stimmen. Enthaltungen ..."
Bonn hatte nach fast 50 Jahren Bundeshauptstadt ausgedient. Aber es war nicht am Ende. Der Region um Bonn wurde für den Verlust ihrer Regierungsfunktionen eine ganze Reihe von kompensatorischen Maßnahmen versprochen. Und Landesvater Johannes Rau wollte dafür sorgen, dass die Versprechen auch eingehalten würden.
"Ich werde mich in der Sorge um die Rheinschiene von niemandem übertreffen lassen."
Die Hilfsmaßnahmen für den verlassenen Parlamentssitz griffen. Bonn geht es heute besser als je zuvor.
Am 22. Mai 2005 fanden in Nordrhein-Westfalen erneut Landtagswahlen mit bundespolitischer Bedeutung statt. In Düsseldorf hatte die rot-grüne Landesregierung ihre Mehrheit verloren. Wie die Wahlforscher meinten, hatten die Bürger aber weniger über Landespolitik abgestimmt als vielmehr über die Reformpolitik von Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Der Bundeskanzler sah dies genauso und ließ noch am Abend der Landtagswahl durch Parteichef Franz Müntefering vorgezogene Neuwahlen im Bund ankündigen, die am 18. September 2005 auch mit der Abwahl der rot-grünen Bundesregierung endeten. So hatte wieder einmal eine Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine bundespolitische Trendwende eingeläutet.
Nordrhein-Westfalen hat über die sechs Jahrzehnte seines Bestehens sein Gesicht deutlich verändert. Durch den Rückzug der Montanindustrien ist es nicht länger das Industrieland unter den Bundesländern. Durch den Verlust von Parlaments- und Regierungssitz und der Erweiterung Deutschlands nach Osten hin ist es nicht mehr Kernland der Republik. Identitätsstiftende Merkmale, die Nordrhein-Westfalen verloren gingen. Das Bindestrichland ist somit wieder oder immer noch auf der Suche nach einem Wir-Gefühl.
Als Joseph Kardinal Frings im Sommer 1946 in seine Heimatstadt zurückkehrte, ließen die alliierten Besatzungsmächte gerade einen anderen bekannten Kölner zusammen mit dem SPD-Chef Kurt Schumacher nach Berlin einfliegen: Konrad Adenauer, ehemals Oberbürgermeister von Köln und nunmehr Vorsitzender der CDU in der britischen Zone:
"Da wurde uns nun vorjelecht, dass Großbritannien offenbar in Einvernehmen mit Amerika beabsichtige, ein Land Nordrhein-Westfalen zu schaffen. Und es wurde uns eine Karte jezeicht, auf der die Grenzen waren, und wir wurden gefragt, ob wir damit einverstanden seien.""
Die Frage nach dem Einverständnis der deutschen Politiker war rhetorischer Natur. Die Beschlüsse waren gefasst, die Grenzlinien gezogen, auch ohne die Zustimmung von Adenauer und Schumacher.
Nordrhein-Westfalen – ein Kunstprodukt. Es gab Vorbehalte vor allem im Hinblick auf die Zusammenführung der großen Landesteile Nordrhein und Westfalen, deren einzige historische Klammer darin bestand, dass beide dem ehemaligen preußischen Staatsverband angehörten. Eine Klammer mit wenig Zugkraft, wie sich zeigte. Denn die Bewohner des Nordrheins fühlten sich mehr den Rheinländern weiter südlich verbunden als ihren Nachbarn im Osten. Und auch unter den Westfalen gab es zahlreiche Gegner des neuen Bundeslandes.
Auch der erste nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Rudolf Amelunxen, ein Westfale, hatte ursprünglich den Zusammenschluss mit dem Rheinland abgelehnt. Erst als ihn die Briten ins Amt setzten, ließ sein Widerstand nach. Noch Jahre später ist einem weiteren Ministerpräsidenten, dem CDU-Politiker Franz Meyers, die schwierige Geburtsphase des Landes gut in Erinnerung:
"Es ist auch nicht zu bestreiten, dass in den ersten Jahren des Bestehens des Landes Nordrhein-Westfalen die Bewohner seiner beiden Landesteile dem neuen Land mit einer gewissen kühlen Reserve gegenüber standen."
In den ersten Jahren nach dem Gründungsakt des Landes kam immer wieder die Frage auf, ob nicht die Entscheidung der Besatzungsmächte revidiert und die Einheit des Rheinlandes wiederhergestellt werden müsse. Die Wiederangliederung der Regierungsbezirke Koblenz und Trier hätte jedoch Nordrhein-Westfalen, ohnehin das bevölkerungsreichste Bundesland, so groß werden lassen, dass die Frage nach der Selbstständigkeit Westfalens wieder aufgekommen wäre. Doch daran wollten die Landespolitiker nun nicht mehr rühren. Also blieben Rheinländer und Westfalen zusammen in einem Bundesland. Fortan und bis in die heutige Zeit das Kernthema nordrhein-westfälischer Identitätsbildung.
Die Industrialisierung hat das Land zusammengeführt. Dort, wo Kohle und Stahl produziert werden, waren klare Trennlinien der Landesteile noch nie gut erkennbar. Johannes Rau:
"Im Ruhrgebiet kann man schon Rheinland und Westfalen sehr schwer auseinander halten. Die wenigsten Menschen wissen, dass Gelsenkirchen zu Westfalen und Essen zum Rheinland gehört. Da passen die alten Klischees dann nicht mehr."
Auf das Ruhrgebiet mit seinen Zechen und Hochöfen hatten die Besatzungsmächte ein besonderes Augenmerk gerichtet. Von der ehemaligen "Waffenschmiede des Deutschen Reiches" sollte nie wie eine Bedrohung ausgehen. Die Franzosen forderten anfangs, das Revier vom deutschen Staatsgebiet abzutrennen und zu internationalisieren. Die Sowjets wollten es, ähnlich wie Berlin, der Kontrolle der vier Mächte unterstellen.
Doch der aufkommende Kalte Krieg ließ diese Pläne in der Schublade verschwinden. Auf Initiative der Briten wurde am 28. April 1949 das Ruhrstatut beschlossen. Die Kohleförderung und die Stahlproduktion wurden der Kontrolle einer internationalen Ruhrbehörde unterstellt, aber das Ruhrrevier konnte deutsches Staatsgebiet bleiben.
Die Westmächte erkannten sehr bald, dass Kohle und Stahl für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes unverzichtbar waren. Die Produktionsbeschränkungen wurden wieder aufgehoben und die Kontingente freigegeben. Die Kontrollbehörde hatte sich bereits 1952 erledigt und wurde wieder aufgelöst. Die Ruhrzechen konnten die Förderung hochfahren.
"Glückauf, Glückauf, Glückauf darauf: Hier wird noch harte Arbeit geleistet, hier arbeiten Bergarbeiter tausend Meter tief unter der Erde. In den Hüttenwerken, vor den Hochöfen, in den großen Schmieden sind die Männer ständig von Gefahren umwittert."
"Es hat sich in jeder Beziehung als richtig erwiesen…"
Da war sich Rudolf Amelunxen, erster Landesvater und Gründungsskeptiker, im Rückblick sicher:
"…dass das inmitten unseres Landes eingeschlossene Ruhrgebiet, dieses dichtest besiedelte Gebiet Europas, das sowohl rheinisch wie westfälisch ist, in einer staatlichen Organisation zusammengefasst wurde."
Während der Ruhrpott das Land der Malocher war, bereitete man sich entlang der Rheinschiene auf administrative Aufgaben vor. Düsseldorf war schon Landeshauptstadt geworden, nun begann eine kleine Residenzstadt im Süden des Landes sich auf noch größere Aufgaben vorzubereiten:
"Fast ohrenbetäubend setzen die schweren Presslufthämmer wieder ein. Und langsam beginnt das aufgeworfene Erdreich hier vor uns schon ein wenig Gestalt anzunehmen. Später soll hier ein großer repräsentativer Bau entstehen, wo heute Schutt, Erde, Steine und Trümmer sind."
Die Frage war noch gar nicht entschieden, ob Bonn auch tatsächlich Sitz von Parlament und Regierung werden würde, da wurden dort schon Fakten geschaffen. Die Entscheidung im Parlamentarischen Rat zwischen Bonn und Frankfurt fiel in den späten Abendstunden des 10. Mai 1949, und sie war denkbar knapp.
Adenauer: "Ich bitte, dass die Zuhörer jedes Zeichen des Missfallens und des Beifalls unterlassen. Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: Es haben erhalten Bonn 33, Frankfurt 29."
Versammlungsleiter Adenauer hatte hinter den Kulissen alles ihm Mögliche unternommen, um das christdemokratische Bonn gegenüber dem "roten" Frankfurt in die Favoritenstellung zu bringen. Und wie so oft war das Adenauersche Kalkül aufgegangen.
Bonn war nun provisorische Bundeshauptstadt oder Hauptstadt eines Provisoriums, als welches der Teilstaat Bundesrepublik damals definiert wurde. Und damit wurde eine ganze Region aus dem Dornröschenschlaf geweckt.
Am 3. April 1951 lädt der Reporter Peter von Zahn die Hörer des Nordwest-deutschen Rundfunks zu einer Straßenbahnfahrt durchs Ruhrgebiet ein. Zu hören ist das einfarbige Bild jener Jahre vom Ruhrrevier als rußgeschwärztem Kohlenpott:
"Mit ihnen fährt ein freundliches, aber kein lustiges Volk. Auch die jüngeren Frauen sehen immer ein bisschen erschöpft aus, die älteren sind von vielen Geburten schwerfällig und müssen sich von den Schaffnern über die Trittbretter helfen lassen. Meistens tragen sie ein unfrohes Grau oder Schwarz.
Und plötzlich fällt Ihnen, wenn Sie hinausblicken, etwas Ungewöhnliches auf: Ein Briefkasten wird knallgelb gestrichen. Das ist der einzige Farbfleck seit einer halben Stunde. Sonst nur grauer Rauch und schwärzliche Trümmer und dunkel gekleidete Menschen. Selbst die Kinder sind dunkel uniformiert mit Skimützen. Hinter den Trümmerfeldern aber die finsteren Silhouetten von Zechen. (...) Die Städte und Dörfer des Industriegebiets liegen über den größten Schätzen an Energie, welche Europa besitzt. Aber sie selber sind ärmlich, provinziell, rückständig geblieben."
Die Montanindustrien kamen nach dem Krieg wieder schnell auf die Beine, Kohle und Stahl wurden für den Wiederaufbau dringend gebraucht. Allein in den 150 Zechen des Ruhrbergbaus waren damals über 600.000 Kumpel beschäftigt. Hinzu kamen noch die vielen Tausend Arbeitskräfte in der Stahlerzeugung und in den Branchen, die von den Montanindustrien abhingen. Das Revier lebte von Kohle und Stahl.
Dann, Ende der 50er-Jahre kam, für die Bürger überraschend, die Kohle in die Krise. Es gab immer noch Engpässe bei der Versorgung mit Hausbrand, dennoch fuhren die Kumpel jetzt gelegentlich Feierschichten. Der Grund: Die Preise für Heizöl waren dramatisch gefallen, von 1957 bis 1960 um gut die Hälfte. Außerdem war die Importkohle jetzt billiger zu haben als die Kohle aus heimischer Förderung.
In Bochum standen zahlreiche Zechen vor dem Aus. Die Stadt protestierte auf einer außerordentlichen Ratssitzung am 6. November 1959:
"Die neusten Ereignisse zwingen die Stadtverordnetenversammlung in ihrer heutigen außerordentlichen Sitzung nach reiflicher Überlegung nunmehr zu folgenden Erklärungen: Sie protestiert gegen den Beschluss des Vorstandes der GBAG die drei Schachtanlagen ‚Prinzregent’, ‚Engelsburg’ und ‚Friedlicher Nachbar’ mit etwa 7.000 Arbeitsplätzen stillzulegen und erwartet von den Aufsichtsräten, dass sie diesem Beschluss nicht folgen."
Es blieb nicht bei gelegentlichen Zechenschließungen. Das Revier stand vor einem grundlegenden Strukturwandel. Das Motto dazu hatte Willy Brandt auf dem Außerordentlichen Parteitag der SPD in Bonn am 28. April 1961 ausgegeben:
"Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden."
Von Manger: "Aber ich weiß et nich, blauer Himmel über der Ruhr, ich weiß nich, wie se dat machen wollen, weil der Schornstein muss ja rauchen, nich. Da gibt’s doch kein Vertun."
Weg von den Montanindustrien, hieß die Devise, und hin zu Beschäftigungsalternativen, damals noch im industriellen Sektor. Für eine Region, die ganz auf Kohle und Stahl eingestellt war, keine leichte Aufgabe.
"Seit wenigen Augenblicken ist Bochum jetzt auch offiziell die Autostadt des Reviers. Denn heute Morgen wird hier eine der modernsten Automobilfabriken der Welt, so bezeichnete jedenfalls Mr. Stark, der Vorsitzende des Vorstandes der Adam Opel AG, das neue Werk, feierlich eröffnet.
Für Bochum und für das gesamte Ruhrgebiet ist das ein denkwürdiger Tag. Nach der Stilllegung von sieben Zechen in den letzten drei Jahren, die Anzahl der im Bochumer Bergbau Beschäftigten ist von rund 43.000 auf fast 20.000 Menschen gesunken, ist heute eine wesentliche Etappe im Strukturwandel der Wirtschaft zurückgelegt. Heute sind in den riesigen neuen Hallen des Opelwerks 1 in Laer und in Werk 2 in Langendreer fast 10.000 Menschen beschäftigt."
1966 kam es durch ein Konstruktives Misstrauensvotum zu einem Koalitionswechsel in Düsseldorf, eine parteipolitische Weichenstellung für Jahrzehnte. Die CDU war in der Wahl deutlich hinter der SPD zurückgeblieben, besaß aber zusammen mit der FDP immer noch die denkbar knappe Mehrheit von zwei Mandaten. Als sich Franz Meyers mit nur einer Stimme Mehrheit zum Ministerpräsidenten wählen ließ, sprach der SPD-Politiker Heinz Kühn von einer "Sperrkoalition gegen Sozialdemokraten" und prophezeite der Regierung Meyers eine nur kurze Lebensdauer.
Fünf Monate später ging Kühns Verwünschung in Erfüllung. FDP-Chef Willi Weyer hatte seine Partei ins Lager der Sozialdemokraten geführt und mit ihnen eine sozialliberale Koalition gebildet, Vorbote und Modell des Regierungswechsels drei Jahre später in Bonn.
In Düsseldorf markiert das erste Kabinett Kühn den Beginn einer fast 40 Jahre währenden ununterbrochenen Herrschaft der Sozialdemokraten. Kühns Gedanken zur nordrhein-westfälischen Identität stiegen schon bald in Rang geflügelter Worte auf:
"Nicht landsmannschaftliche Einheitlichkeit, nicht historisch-dynastisches Zusammenwachsen haben die Grenzen dieses Bundeslandes vorgezeichnet. Vielleicht war es so etwas wie die List der Geschichte, (...) indem sie die Menschen dieses Bindestrichlandes im Schmelztiegel dieses Vierteljahrhunderts gewiss zu weniger als einem Volk, wenngleich zu mehr als nur einer Bevölkerung zusammenwachsen ließ."
Weniger als ein Volk, aber mehr als nur eine Bevölkerung, den Bürgern an Rhein und Ruhr stand nicht der Sinn nach solch feinsinniger Deutung. Denn auf die Krise der Steinkohle folgte die Stahlkrise.
"Die Nachtschicht von Krupp marschiert in einem Demonstrationszug durch die Stadt…"
"Das ist ja unvorstellbar, was der Vorstand mit uns macht, so ein paar Leute über Tausende von Menschen zu entscheiden. Schon seit Jahren gibt es die Stahlkrise, seit Jahren warten wir, dass was gemacht wird. Die lassen uns bis zuletzt arbeiten, und dann sagen sie, wir machen zu."
Es half nichts, die Industrien waren auf dem Rückzug. Sie wanderten in die Länder, wo die Löhne und die Standards der sozialen Absicherung niedriger sind. Zurück blieben die Industriebrachen. Sie wurden plattgemacht oder an die Bedürfnisse der neu ins Land geholten Dienstleistungsbranchen angepasst. Einige wenige Stücke blieben erhalten als museale Denkmäler einer abgelaufenen Epoche.
Die klassische Facharbeiterschaft löste sich durch den Strukturwandel auf, die SPD verlor zunehmend ihre klassische Wählerklientel. Und so entwarf die SPD-geführte Landesregierung den Slogan "Wir in Nordrhein-Westfalen" und der Kommunalverband Ruhr startete die Anzeigenkampagne "Ein starkes Stück Deutschland". Versuche, in schwierigen Zeiten die kollektive Identität zu stärken.
Landesvater Johannes Rau, mit 20 Dienstjahren der mit Abstand am längsten amtierende Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, entdeckte im Lande die Vielfalt der Einheit oder Einheit durch Vielfalt?
"Der Bindestrich ist weg, aber die Vielfalt ist da. Das heißt, die Menschen empfinden sich nicht mehr als Nordrheiner oder Westfalen, sie empfinden sich als Nordrheinwestfalen. Aber als Unterfall sind sie Bielefelder, Lipper, Eifeler, Bergische. Und diese Regionen haben eine ausgesprochene Bindungskraft, die aber bei uns in Nordrhein-Westfalen dazu führt, dass das Ganze sich zusammen fügt und nicht auseinander gerät."
Bundestags-Präsidentin Dr. Rita Süßmuth: "Ich rufe auf den einzigen Tagesordnungspunkt unserer heutigen Sitzung, der in der Geschäftsordnung ganz nüchtern heißt: Beratung der Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz. Jeder weiß, worum es heute geht, um die Entscheidung in der Frage Bonn/Berlin."
20. Juni 1991: Wieder steht die Hauptstadtfrage auf der Tagesordnung. Die deutsche Einheit ist seit einem knappen Jahr hergestellt. Die Bundeshauptstadt am Rhein wird daran erinnert, dass sie nur ein Provisorium sein sollte. Die alte und jetzt auch wieder neue Hauptstadt Berlin will den Parlaments- und Regierungssitz zurück. Doch die Widerstände derer, die sich am Rhein gut eingelebt haben, sind groß. Die Bonn-Befürworter malen den Niedergang einer ganzen Region an die Wand. Es wird mit einer knappen Entscheidung gerechnet.
Dr. Rita Süßmuth: "Die Spannung ist riesengroß. Ich gebe das Ergebnis jetzt bekannt: Abgegebene Stimmen: 660, davon gültige Stimmen: 659. Für den Antrag Bundesstaatslösung Bonn-Antrag – 320 Stimmen. Für den Antrag Vollendung der Einheit Deutschlands – Berlin-Antrag – 337 Stimmen. Enthaltungen ..."
Bonn hatte nach fast 50 Jahren Bundeshauptstadt ausgedient. Aber es war nicht am Ende. Der Region um Bonn wurde für den Verlust ihrer Regierungsfunktionen eine ganze Reihe von kompensatorischen Maßnahmen versprochen. Und Landesvater Johannes Rau wollte dafür sorgen, dass die Versprechen auch eingehalten würden.
"Ich werde mich in der Sorge um die Rheinschiene von niemandem übertreffen lassen."
Die Hilfsmaßnahmen für den verlassenen Parlamentssitz griffen. Bonn geht es heute besser als je zuvor.
Am 22. Mai 2005 fanden in Nordrhein-Westfalen erneut Landtagswahlen mit bundespolitischer Bedeutung statt. In Düsseldorf hatte die rot-grüne Landesregierung ihre Mehrheit verloren. Wie die Wahlforscher meinten, hatten die Bürger aber weniger über Landespolitik abgestimmt als vielmehr über die Reformpolitik von Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Der Bundeskanzler sah dies genauso und ließ noch am Abend der Landtagswahl durch Parteichef Franz Müntefering vorgezogene Neuwahlen im Bund ankündigen, die am 18. September 2005 auch mit der Abwahl der rot-grünen Bundesregierung endeten. So hatte wieder einmal eine Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine bundespolitische Trendwende eingeläutet.
Nordrhein-Westfalen hat über die sechs Jahrzehnte seines Bestehens sein Gesicht deutlich verändert. Durch den Rückzug der Montanindustrien ist es nicht länger das Industrieland unter den Bundesländern. Durch den Verlust von Parlaments- und Regierungssitz und der Erweiterung Deutschlands nach Osten hin ist es nicht mehr Kernland der Republik. Identitätsstiftende Merkmale, die Nordrhein-Westfalen verloren gingen. Das Bindestrichland ist somit wieder oder immer noch auf der Suche nach einem Wir-Gefühl.

Die Lambertikirche in Münster.© Presseamt Stadt Münster/Joachim Busch

Die Schwebebahn in Wuppertal.© AP

Mitarbeiter der Nachmittagsschicht des Autoherstellers Opel in Bochum.© AP

Der Landtag in Düsseldorf.© AP