50 Jahre "Sounds"

Die Neue Deutsche Welle läutete das Ende ein

Peter Behrens am Schlagzeug. Aufnahme von 1982
Die NDW-Band Trio bei einem Auftritt im Jahr 1982: In der Schlussphase verlagerte sich der Schwerpunkt von "Sounds" auf New-Wave-Musik. © Imago/ United Archives
Von Laf Überland · 01.12.2016
Die ersten Ausgaben der deutschen Musikzeitschrift "Sounds" sahen noch aus wie zusammengetackerte Studenten-Flugblätter. Später arbeiteten hier die Pioniere des deutschen Musikjournalismus.
"Unsere Musik dreht sich nicht mehr um Noten", so wurde der Free-Jazz-Heilige Albert Ayler in der ersten Ausgabe dieser Zeitschrift für Neuen Jazz zitiert: "Sie dreht sich um Sounds." Und so hieß denn auch das Blatt.
Nun sahen die ersten Ausgaben von "Sounds" zwar aus wie zusammengetackerte Studenten-Flugblätter - mit Maschine getippt und mit einer Hektografiermaschine vervielfältigt; aber auf den frühen Mitarbeiterlisten standen Jazzinnovatoren wie Willem Breuker, Gunter Hampel, Wolfgang Dauner und politische Aktivisten aus New York und Detroit.
Der Verleger und Chefredakteur war der FreeJazz-Tourneemanager Rainer Blome, ein wahrer musikalisch-politischer Überzeugungstäter an der Schreibmaschine: Doch nach grad mal einem Jahr erfasste den derart heftig der Furor einer anderen Musik, die bis dahin eher als Kinderkacke belacht worden war, dass er, schlagartig fast, die Ausrichtung seines NewJazz-Magazins zu einer neuen Subkultur hin drehte:
"In aller Stille hat sich eine musikalische Revolution vollzogen", so schrieb Blome Ende 67, "die von den meisten Jazzfreunden gar nicht bemerkt wurde: In den letzten zwei Jahren hat sich eine Rockmusik entwickelt, die heutige Gefühle repräsentiert." Und dann zählte er 17 beispielhafte Bands auf – zwischen den Animals und Jefferson Airplane, den Beatles und Frank Zappa – für eine Musik, die die Gesellschaft jetzt auch verändern sollte.

Amerikanische Popjournalisten als Vorbilder

In den frühen 70ern war Rockkritik hierzulande noch etwas Fremdes, sehr Bemühtes, aber man kriegte schnell raus, welchem Schreiber man geschmacklich trauen konnte - dem kopflastigen Analytiker von Genesis oder dem bekifften Sonnenscheinfreund von Little Feat. Und als die Redaktion von Köln nach Hamburg gezogen war, wurde "Sounds" auch schnell ziemlich lässig – mit frei flottierenden Schreibern um das fortan beständige Redaktionstriumvirat aus Jürgen Legath, Jörg Gülden und Teja Schwaner: Auch die waren, irgendwie, recht subversiv, denn - so kurz nach 68! - hatten sie ihre Ohren nicht nur am Kopf, sondern vor allem an ihren Herzen und trugen diese Herzen frech auf der Zunge.
Ihre Vorbilder waren nämlich die unerhört unseriös schreibenden amerikanischen Popjournalisten mit ihrem flapsigen Sprengsatz-Stil wie Lester Bangs, Hunter S. Thompson oder Tom Wolfe...
Die Reportagen in "Sounds" waren lustig, aber die Plattenrezensionen waren lebensnotwendig: besonders, wenn man als Jugendlicher auf dem flachen Land wohnte, wo es weit und breit keine Plattenläden gab, und wenn der Wind schlecht stand und man die Piratensender von der Nordsee nicht kriegte, konnte man allenfalls stundenweise bei den Öffentlich-Rechtlichen interessante neue Musik hören.

Zentralorgan der Neuen Deutschen Welle

Disco wurde von der "Sounds" natürlich vernachlässigt, Krautrock eher belächelt, und kommerzielle Rockmusik war lange Zeit Häbäh! Marc Bolan zum Beispiel nannte man einen Prostituierten der Musik, und Suzie Quatro wurde vorgeworfen, ihre Musik diene nur dazu, "6 bis 14-jährige auf die reibungslose Eingliederung in die bestehenden Normen der Erwachsenenwelt vorzubereiten".
"Sounds" war und blieb eine gemütliche Rettungsinsel im grenzenlosen Meer der expandierenden Rockmusik – bis dann der Punk das Rad der rebellischen Musik auf Null stellte. Zunächst verpasste "Sounds" den Anschluss, heuerte dann schlagartig sämtliche verfügbaren jüngeren Popmusik-Journalisten an, und eine Zeit lang fungierte "Sounds" dann tatsächlich als Zentralorgan der Neuen Deutschen Welle.
Das vergrätzte die traditionellen "Sounds"-Leser, die Auflage sank, und die Krise der Plattenindustrie führte zu immer weniger Anzeigen. Und so erschien im Januar 1983 dann schließlich die letzte Ausgabe von "Sounds".
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