50 Jahre Mao-Bibel

"Wir waren sehr wenig informiert"

Die "Die Worte des Vorsitzenden Mao" auch "Mao-Bibel" genannt liegt auf einem Mao-Plakat an einem Straßenverkaufsstand in Peking.
Eine "Mao-Bibel" an einem Straßenverkaufsstand in Peking © picture alliance / dpa / Alexander Becher
Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Timo Grampes · 16.12.2016
Dieses kleine rote Buch hat nach der Bibel die höchste Auflage weltweit: Die Mao-Bibel, eine Zitate-Sammlung des Mao Tsetung, war in den Sechzigern Kult. Auch der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hatte das Büchlein im Regal stehen, sieht die Mao-Begeisterung heute aber kritisch.
Während der Kulturrevolution (1966-1977) war die Mao-Bibel in China Pflicht-Lektüre. Vor genau 50 Jahren, am 16. Dezember 1966, erschien die zweite Auflage. Das war die Fassung, die beinahe jeden Winkel der Volksrepublik erreichte. Heute ist das kleine rote Buch mit Hunderten Zitaten Mao Tsetungs - des einstigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas - aus dem Alltag der meisten Chinesen verschwunden, wie Axel Dorloff aus Peking berichtet:
Auch der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hat sich die Mao-Bibel einst angeschafft. An einzelne Sprüche erinnere er sich aber nicht, sagte er im Interview mit Deutschlandradio Kultur. Und er räumte ein, dass er über den Maoismus in China damals wenig wusste und auch nie in China gewesen sei.
"Es war nicht so, dass ich mit dem Buch in der Hand auf Demonstrationen gegangen bin. Wir waren sehr wenig informiert über das, was da in weiter Ferne passierte. Es gab das Buch eines US-Amerikaners, der Mao Tsetung begleitet hat, und das hat sehr stark unsere Sicht auf China und die kommunistische Bewegung geprägt. Von heute aus gesehen, hätten wir früher wahrscheinlich vieles anders gesehen und auch anders reagiert, wenn wir gewusst hätten, was da tatsächlich passierte."
Eine goldene Statue von Mao Zedong in Shenzhen
Eine goldene Statue von Mao Zedong in Shenzhen© picture alliance / dpa / Deng Fei
Auf die Frage, warum das Posieren mit der Mao-Bibel in den 60ern und 70ern für viele so schick war, meinte Ströbele:
"Wir haben Mao Tsetung als den Anführer einer Befreiungsbewegung in China gesehen. Wir wussten, dass China von den Japanern besetzt war und dass die unendliche Gräul da begangen hatten. Mao Tsetung war die Symbolfigur für die Befreiung und für den Versuch, eine neue sozialistische oder kommunistische Gesellschaft aufzubauen. Das haben wir mit wenigen Informationen aus der Ferne beobachtet. Ich habe jedenfalls nicht an all das geglaubt, was da drin stand."
Zu den Maoisten habe er nie gehört, stellte Ströbele klar, sondern zu den Antiautoritären. Deren Haltung vertritt er noch heute und mahnt:
"Ich sage immer wieder: Wir müssen noch so angeblich feststehende und richtige Wahrheiten und Autoritäten immer wieder neu hinterfragen: Ist das berechtigt? Was ist daraus geworden? Wie ist es ursprünglich gemeint gewesen? Ist es nicht inzwischen völlig daneben und gefährlich?"
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