50 Jahre "Das klingende Sonntagsrätsel"

"Legendär und sagenumwoben"

Moderator Hans Rosenthal gibt 1983 seinen Fans Autogramme.
Moderator Hans Rosenthal gibt 1983 seinen Fans Autogramme. © imago/teutopress
Von Ralf Bei der Kellen · 07.03.2015
Das "Klingende Sonntagsrätsel" ist Kult: Früher hörten die Mitratesendung die Eltern, heute die Kinder und Enkel. Vor 50 Jahren erklang zum ersten Mal der musikalische Rätselspaß, den Hans Rosenthal und der RIAS ursprünglich aus einem ganz anderen Grund ausstrahlten.
"Und nun möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen: Es war einmal…"
Es war einmal ein junger Mann, der hieß Hans Rosenthal. Geboren 1925 als Sohn jüdischer Eltern, aufgewachsen in einer Zeit, als jüdisch sein lebensgefährlich war. Zwei Jahre versteckt er sich in einer Berliner Kleingartenanlage. Als er befreit wird, hat er vor allem ein Ziel: zum Radio zu gehen, um den Menschen die Wahrheit zu sagen.
"Wie die Flugzeuge, die uns heute unsere Ernährung bringen, die Luftbrücke vom Westen zu uns bilden, so bildet der RIAS die Brücke des menschlichen und politischen Verstehens für uns Berliner."
Louise Schröder, Oberbürgermeisterin von Berlin, 1948 zur Einweihung des RIAS-Gebäudes im Jahr der Berlin-Blockade. In diesem Jahr wechselt Hans Rosenthal vom von den Sowjets kontrollierten Berliner Rundfunk zum RIAS. Er wird Aufnahmeleiter des Funkkabaretts "Die Insulaner". Und: er macht Quizshows wie "Wer fragt, gewinnt" und "Allein gegen alle". 1965 kommt zu den vielen großen Shows eine kleine, unscheinbare Sendung hinzu:
"Das klingende Sonntagsrätsel."
Unter anderem wollte man mit der Sendung Daten darüber sammeln, wie weit eine neue Antenne in Hof den RIAS in die DDR abstrahlt. Wider Erwarten wird die kleine Sendung zum Knüller. 1971 entfallen von knapp 600.000 Hörerzuschriften an den RIAS allein 512.000 auf das Sonntagsrätsel.
"Legendär und sagenumwoben."
Ein Hit in der DDR
Vor allem in der DDR erfreut sich die Sendung großer Popularität.
"Und Hans muss das – der muss das gespürt haben, der wusste das ja nicht. Aber er muss es gespürt haben, sonst hätte er nicht so einen extremen Wert darauf gelegt, eben, wenn Post kommt aus der DDR: ´Ihr beantwortet mir die Post, ihr beantwortet mir die Post!`Mein Gott, ja doch!"
…erinnert sich Marlies Kahlfeldt, seit 1963 Sekretärin von Hans Rosenthal.
"Rätselkind: Eine Karte aus dem Osten, Kennwort ´Sabine`
Hans Rosenthal: Hmm, und das Geld schicken wir an eine Hilfsadresse, die hier auf der Karte ist, eine Ansichtskarte aus Berlin-Friedrichsfelde, das liegt im Osten, hier bei uns eingegangen ist."
Die meisten Zuschriften aus der DDR werden von der Stasi abgefangen – RIAS ist erklärter Klassenfeind. Viele schreiben daher an Hilfsadressen im Westen, die die Post dann weiterleiten. 1986 kommt dann der große Einschnitt: Hans Rosenthal erkrankt an Krebs.
"Am Mikrofon heute wieder Christian Bienert, vielleicht haben sie es gelesen, Hans Rosenthal musste noch mal ins Krankenhaus, von uns, vom RIAS und jetzt spreche ich sicher auch im Namen von Ihnen, liebe Freundinnen, liebe Freunde dieser Sendung, alle guten Wünsche und vor allem Besserung für Dich, lieber Hans."
Nach dem Tod von Hans Rosenthal
Als Rosenthal im Februar 1987 stirbt, übernimmt die Sendung Christian Bienert, seit 1969 Autor und Aufnahmeleiter des Sonntagsrätsels. Für die Hörer aus der DDR führt er eine Deckadresse ein:
"Michaela Wegner, Torgauer Str. 45, 1000 Berlin 62."
Weder Michaela Wegner noch die Torgauer Strasse 45 existieren – das zuständige Postamt reicht die Post direkt an den RIAS weiter. Und dann fällt die Mauer.
"Entmachtet ist die alte Liga und uns verbindet die Quadriga. Ohne Absender diese Karte. Grüße aus Görlitz, Grüße gehen von uns zurück."
"…und hier steht auf der Karte: Ich bin mit 57 Jahren zum ersten mal durch das Brandenburger Tor gelaufen, mein größter Wunsch ist am Tag der Öffnung hier in Erfüllung gegangen."
Nun geht die Post unkontrolliert von Ost nach West. Für die Sendung am 18. Februar 1990 gehen knapp 72.000 Zuschriften ein. Bienert und Kahlfeldt beantworten, was sie können und telefonieren nach Dienstschluss mit Hörern in Ostdeutschland.
"Und dann haben wir eben Leute ran bekommen, und die waren sprachlos manchmal, die geweint haben vor Freude – dass überhaupt sich jemand meldete."
Unter Bienert bleibt die Sendung ungebrochen populär. Am 30. Dezember 2012 geht auch diese Ära zu Ende:
"Und ich hatte da einen Begriff gewählt, er stimmte zwar weder für diesen Tag, noch stimmte er eine Woche vor Weihnachten wie sie’s sonst gewohnt sind von mir, aber: er stimmte für mich: Bye Bye."
Heute moderiert Uwe Wohlmacher, der ebenfalls seit RIAS-Tagen dabei ist, die Sendung. Gehört wird sie mittlerweile generationsübergreifend – und das sogar im Hause Rosenthal, wie Gert, der Sohn von Hans Rosenthal, bestätigt:
"Ich weiß, bis heute ist es so, dass meine Mutter hört, meine Schwester hört und sie anschließend jeden Sonntag telefonieren, ob sie’s rausbekommen haben."
Musik: "Around The World in 80 Days"
Christian Bienert: "Ein echter Evergreen!"
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