41. Filmfestival Max Ophüls Preis

Queeres Erzählen ist politisch

06:08 Minuten
Szene aus dem Film "Neubau": Ein Mann in einem Unterhemd lehnt sich gegen einen großen Heuballen und blickt in die Ferne.
Filmstill aus "Neubau": Markus ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu seinen Omas und der Sehnsucht nach einem anderen Leben in Berlin. © Schuldenberg Films / Smina Bluth
Patrick Wellinski im Gespräch mit Britta Bürger · 25.01.2020
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Leben zwischen Verpflichtung und Träumen: Der queere Film "Neubau" ist bester Spielfilm des Max-Ophüls-Festivals – und erhielt zusätzlich den Preis für gesellschaftliche Relevanz. Ein Zeichen dafür, dass politisches Erzählen ohne Schlagzeilen auskommt.
Am Abend wurden in Saarbrücken die 16 Max-Ophüls-Preisträgerinnen und Preisträger bekanntgegeben. Damit endete das 41. Festival für den deutschsprachigen Filmnachwuchs. Der Hauptpreis der Jury ging an den Spielfilm "Neubau" in der Regie von Johannes Maria Schmitt. Dieser erzählt die Geschichte eines schwulen Mannes in der brandenburgischen Provinz, der sich nach einem freien Leben in Berlin sehnt, aber auch seine Verpflichtungen im Dorf, seinen Omas gegenüber, nicht vernachlässigen möchte.
Unser Filmkritiker Patrick Wellinski erinnert daran, dass in Saarbrücken schon vor gut 40 Jahren mit "Taxi zum Klo" ein Spielfilm gewonnen hatte, "der sich damals sehr offensiv mit der schwulen Lebenswelt auseinandergesetzt hat. Übrigens auch ein gesellschaftlicher Skandal damals."

Queeres Erzählen ist auch eine politische Haltung

In dieser Hinsicht sei "Neubau" formal nicht so revolutionär und schockiere auch nicht. Das Besondere am Film sei vielmehr der gezeigte Zwiespalt: "Schön ist, wie der Regisseur das zeigt, dass die Sexualität des Mannes hier nicht das Problem ist, sondern eben das In-den-Griff-bekommen dieses Lebens zwischen Familie, Verpflichtung und den Träumen, die man so hat."

Bester Spielfilm: "Neubau" von Johannes Maria Schmitt
Beste Regie: "Waren einmal Revoluzzer" von Johanna Moder
Preis für den gesellschaftlich relevanten Film: "Neubau" von Johannes Maria Schmitt
Bester Schauspielnachwuchs: Maresie Riegner für "Irgendwann ist auch mal gut"
Bester Schauspielnachwuchs: Mehdi Meskar für "Nur ein Augenblick"
Bestes Drehbuch: "Lovecut" von Illiana Estañol und Johanna Lietha
Publikumspreis Spielfilm: "Ein bisschen bleiben wir noch" von Arash T. Riahi
Preis der Ökumenischen Jury: "Jiyan" von Süheyla Schwenk
Preis der Jugendjury: "Nur ein Augenblick" von Randa Chahoud
Bester Dokumentarfilm: "Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit" von Yulia Lokshina
Beste Musik in einem Dokumentarfilm: Antimo Sorgente für "Lost in Face"
Publikumspreis Dokumentarfilm: "Lost in Face" von Valentin Riedl
Bester mittellanger Film: "Lychen 92" von Constanze Klaue
Publikumspreis mittellanger Film: "Masel Tov Cocktail" von Arkadij Khaet und Mickey Paatzsch
Bester Kurzfilm: "Das beste Orchester der Welt" von Henning Backhaus
Publikumspreis Kurzfilm: "Trading Happiness" von Duc Ngo Ngoc

Festivalleiterin Svenja Böttger hatte zum Auftakt des Filmfestivals erklärt, den "queeren Blick" zu einem der diesjährigen Schwerpunkte machen zu wollen. Es gab extra Podien zum Thema und einen Ehrenpreis für Rosa von Praunheim. Und nun bekommt "Neubau" den "Preis für den gesellschaftlich relevanten Film" - vergeben vom Deutschlandfunk Kultur und der Bundeszentrale für politische Bildung.
Szene aus dem Film "Neubau": Zwei ältere Frauen sitzen in einem Auto und blicken in die Ferne.
Markus kümmert sich liebevoll um seine Omas.© Schuldenberg Films / Smina Bluth
Für Wellinski macht diese Entscheidung durchaus Sinn: Die Jury habe mit diesem Urteil eine Art Statement abgegeben, wonach der politisch und gesellschaftlich relevante Film nicht offensichtlich mit Schlagzeilen hantieren müsse: "Die Jury sagt ganz deutlich, dass die Lebenswelten nicht heteronormativer Figuren anders erzählt werden sollen und vor allem, dass dieses Erzählen auch eine politische Haltung ist."

Nicht berücksichtigt wurden Filme, die die Kinoform feiern

Regisseur Schmitt gehöre zusammen mit seinem Drehbuchautor Tucké Royale zu einer Performance-Gemeinschaft, die sich mit diesen Themen im Dunstkreis des Maxim Gorki Theaters in Berlin bewege. "Dahingehend verstehe ich diesen Preis auch als Auszeichnung für dieses Performance-Kollektiv", sagt Wellinski.
Trotz der starken Gewinnerinnen und Gewinner bedauert Wellinski, dass "der stärkste Aspekt dieses Jahrgangs nicht wirklich berücksichtigt worden ist, nämlich Filme, die die Kinoform feiern." So habe es mit "Fellwechselzeit" und "For the Time Being" zwei herausragende Filme gegeben, "die vor allem eine sehr erwachsene Bildersprache hatten, die sich an der Grenze zwischen Genre-Kino und Installationskunst bewegt haben. Das haben wir so selten in dieser sehr reifen Form im deutschen Nachwuchskino. Ich finde, dass diese ästhetischen Handschriften in diesen Preisen fehlen – und das ist ein bisschen schade."
(ckr)
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