Das Hackertreffen ist erwachsen geworden
Vier Tage lang trafen sich alle, die in der Hacker-Szene einen Namen haben, beim Chaos Communication Congress (CCC). 16.000 Besucher waren da, der CCC ist inzwischen eins der größten Hackertreffen der Welt. Die 35. Ausgabe fand in Leipzig statt.
In der Halle 2 des Leipziger Messegeländes hängt eine Art Windspiel von der Decke, ein Ring, fast 2 Meter breit, daran baumeln Kupferrohre. Wenn Besucher an die Rohre klopfen, saust oben ein Lichtimpuls raus, rast eine Lichterkette entlang. Die bunten LED-Streifen verknäulen sich über den Rohren, glühen an Kreuzungen auf, erinnern an ein Gehirn, ein neuronales Netzwerk, befeuert von Musik. "Impulse" nennt sich die Lichtinstallation.
"Es geht um das Spiel damit. Es ist ein künstlerisches Instrument, ein audiovisuelles Instrument. Es changiert zwischen den Feldern", sagt Birk Schmitdhusen.
Der Lichtkünstler Birk Schmitdhusen hat den Bereich "Art and Play" kuratiert. Eine Halle voller 3D-Drucker, Licht-Bastler, Menschen, die Synthesizer löten und Drohnen bauen, um Flüchtlingsboote im Mittelmeer zu finden. Der Künstler zeigte einen schnaufenden Fahrradschlauch von James Whiting und einen kniehohen Roboter-Käfer, der an einer Kette im Kreis stapfte und von Besuchern umprogrammiert werden durfte.
Pioniere, die Popkultur kreieren
Schmidthusen präsentiert seine Kunst ganz bewusst unfertig und auf einem Hackerkongress. Denn an wenigen Orten kämen so viele Kreative mit so unterschiedlichem Spezialwissen zusammen. "Sei es von polyamorösen Liebeskonzepten über Urban Gardening und soziale Zusammenlebformen bis zu den neuesten Chips und politischen Guerillaaktionen - auf allen Themenfeldern sind hier Pioniere unterwegs und das sind die Menschen, die Popkultur kreieren und machen. Insofern würde ich das hier mit als eine der vielen Brutstätten der Popkultur bezeichnen", so Schmithüsen.
Der Hacker-Kongress als bunter Gesellschafts-Spielplatz. CCC-Sprecher Frank Rieger frischte die 35 Jahre alte Hackethik von Steven Levy etwas auf, übernahm aber, dass Computer "Kunst und Schönheit schaffen". So waren die Messehallen bunt beleuchtet, im Pool schwamm ein Plastikkrokodil, Frauen gingen aufs Unisex-Klo und wendeten sich bei Problemen an eine Schiedsstelle. Nerds surrten mit selbstgebauten Elektrorollern zum nächsten Vortrag oder Workshop, über 160 gab es. Über Cyberfeminismus, die AfD im Bundestag, Gen-Manipulation oder Grundeinkommen.
Da staunt der Jung-Hacker
Der britische Ökonom Guy Standing erinnerte erstaunte Jung-Hacker daran, dass viele von ihnen zu einem neuen digitalen Prekariat gehören: gebildet, mobil, mit geringem und stark schwankendem Einkommen. Aber dieses Prekariat unterstütze keine neofaschistischen Populisten. "Dieses gebildete Prekariat will eine bessere Politik und spricht sich dafür aus, das Grundeinkommen für alle durch eine CO2-Steuer zu finanzieren", sagt Standing.
Überall Sicherheitslücken
Natürlich zeigten die Hacker wieder zahlreiche Sicherheitslücken: In digitalen Patientenakten, Bitcoin-Geldbörsen oder Zugangs-Systemen, die sich auf das individuelle Muster unserer Handvenen verlassen. Um diese Scanner zu überlisten, haben die Hacker Starbug und Julian schlicht Infrarot-Fotos fremder Hände gemacht und versucht, diese Hände dann nachzubauen.
"Und wir sind dann irgendwann mehr oder weniger durch einen Zufall drauf gekommen, dass Wachs, Bienenwachs, eigentlich so aussieht wie menschliches Gewebe unter Infrarotlicht und haben uns dann so eine Gießform gebaut aus Silikon, haben das mit Bienenwachs gefüllt, darauf kommt dann einfach ein Ausdruck mit Lasertoner-Tinte von den Venen und obendrauf wieder eine dünne Schicht hellrotes Bienenwachs und das funktioniert. Wenn man diese Attrappe dem Scanner präsentiert, wird das einwandfrei erkannt", beschreiben Starbug und Julian ihre Vorgehensweise.
Wie soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet agieren?
Der Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch sitzt im ZDF-Fernsehrat, das ist das Gremium, das das ZDF kontrolliert. Dobusch skizzierte unterhaltsam, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet agieren könnte. Seine Forderung: Statt bei kommerziellen Anbietern wie YouTube müssten öffentlich-rechtliche Inhalte bei der Wikipedia veröffentlicht werden.
"Wenn man sich das so ansieht: Hier ganz viel Textwüsten, keine Bilder, da ganz viel Bilder und keine Texte, eigentlich haben wir es hier mit einem Traumpaar zu tun, auch weil beide primär gemeinnützig und qualitätsorientiert sind – gerade auch, wenn es um sowas wie Nachrichten und enzyklopädische Inhalte geht", sagt Dobusch.
Dafür müssten jedoch Strukturen, Lizenzen und vor allem das Honorarsystem für Autoren und Autorinnen umgebaut werden. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sei damit aber überfordert. "Da zu sagen: Ihr macht alles, was ihr vorher gemacht habt, weiter und Ihr macht zusätzlich auch noch das hier – das ist zu viel verlangt", so Dobusch.
Er forderte daher eine separate und gut finanzierte Internetintendanz, die das Fernsehen ins Internet bringt. Nur so, habe öffentlich-rechtlicher Rundfunk eine Überlebenschance.
Die Konferenz hat sich geöffnet
Der 35. Chaos Communication Congress hat gezeigt, wie vielfältig, reich und verletzlich unsere Gesellschaft ist. Der Congress hat irritiert, inspiriert und unterhalten. Die Konferenz hat sich weiter geöffnet für Einsteiger, Frauen, Migranten; das Hackertreffen ist erwachsen geworden und gereift zu einem Labor für Gesellschaften von morgen.
Alle CCC-Vorträge gibt es hier.