30 Jahre Rockpalast

Die erste Rockpalast-Nacht: Rory Gallagher mit Alan Bangs (M) und Peter Rüchel (r). in der Esener Grugahalle.
Die erste Rockpalast-Nacht: Rory Gallagher mit Alan Bangs (M) und Peter Rüchel (r). in der Esener Grugahalle. © WDR/Manfred Becker
Von Christian Gampert · 21.07.2007
Es war einfach unglaublich. Es war der Hammer. Es war die pure Energie. Als am 23. Juli 1977 ein kleiner, versoffener, langhaariger Ire namens Rory Gallagher mit einer ziemlich verschrammten Gitarre die Bühne der Essener Gruga-Halle betrat, da trauten wir unseren Augen kaum: Rockmusik im ersten Programm der ARD, direkt nach dem "Wort zum Sonntag"! Wo sonst trübsinnige Ratespielchen stattfanden oder nachts ein Western lief, dort hatte die Subkultur einen Platz erobert.
Man kann sich heute, wo man schon beim Durchklicken der Sender mit zig Musikvideos bombardiert wird, kaum vorstellen, was das bedeutete: harte Live-Musik inmitten eines Programms, in dem sonst nur Krawattenträger auftraten! Laut, primitiv, pentatonisch!

Sogenannte Zeitzeugen bekommen einen gläsernen Blick, wenn sie sich daran erinnern, wie sie damals vor dem Fernseher knieten, um die kostbaren Töne mitzuschneiden. Eine französische Freundin, die später Rockpalast-Sendungen per Eurovision in Rouen verfolgte, erklärt noch heute mit einem gewissen Erstaunen: da war ja was los in Deutschland!

Es war was los im Sommer 77. Buback, Ponto, Schleyer, letzterer wurde Anfang September entführt, und der deutsche Herbst diskreditierte die gesamte radikale Linke, die sich an den Universitäten bis dahin nicht schlecht gehalten hatte. Es war das Ende linker Hochschulpolitik, das Ende des AStA mit politischem Mandat. Aber die Musik, die blieb! Irgendwo hinten in England dröhnte schon die Punk-Bewegung, bald darauf machten Bands, die kaum drei Akkorde konnte, merkwürdige deutsche Texte und nannten es Neue Deutsche Welle. Kultgruppe der Tübinger Szene war eine Band namens "Autofick"; sie spielte auch so. Und zweimal im Jahr war "Rockpalast", Gelegenheit für eine wilde Party, auf der man bis morgens um vier Live-Konzerte sehen und vor allem: den besten Gitarristen auf die Finger gucken konnte. In welcher Lage spielt der das noch mal? Im Rockpalast konnte man es sehen. Traten dort Graham Parker oder Joe Jackson auf, waren am nächsten Montag die Plattenläden voll mit Parker- oder Jackson-Platten. Ja, liebe Kinder: Schallplatten waren das, diese großen runden schwarzen Scheiben mit Rillen drin! Und die Konzerte waren tatsächlich noch Konzerte, nicht durchgetimte Show-Events mit gecasteten Tanzpüppchen. Es war üblich, dass Stücke mindestens zehn Minuten dauerten, und jeder bekam sein Solo, sogar der Schlagzeuger, sogar der Bassist - auch wenn es nervte:

Im Rockpalast konnte man Musiker hinter der Bühne sehen und im Umkleideraum mit seltsamen Getränken und seltsamen Interviewern. Kult war der immer etwas linkische Moderator Albrecht Metzger mit seinem schwäbischen Akzent. Man wird ihm auch heute, in den Wiederholungs-Sendungen, gerne zuhören...Wirklich schade ist nur, dass wir jetzt alle dreißig Jahre älter sind. Rory Gallagher ist tot, auch unsere Knochen klappern, aber immerhin wissen wir aus dem Rockpalast, dass ein Stück noch lange nicht zu Ende ist, wenn es zu Ende ist, sondern dass man den Schlussakkord immer noch mal raushämmern kann in ein Publikum, das für eine Nacht die Ekstase will - und sonst gar nichts.