25 Jahre nach dem Mord

Warum ein Brandanschlag wie in Solingen heute wieder möglich wäre

Die Fahnen der Bundesrepublik Deutschland, der Türkei, Solingens und Nordrhein-Westfalens hängen zur Trauerfeier vor dem ausgebrannten Haus der türkischen Familie Genc in Solingen.
25 Jahre nach dem Solinger Brandanschlag © imago / Tillmann Pressephotos
Beate Küpper im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 29.05.2018
Von Solingen zur AfD: Die Psychologin Beate Küpper sieht Deutschland auf dem Weg nach rechts. Damals, Anfang der 1990er, seien die Denkmuster gelegt werden, die auch in der heutigen Diskussion beispielsweise zum "Asylmissbrauch" eine Rolle spielten.
Eine Linie von dem Mord an fünf Mitgliedern der türkischen Familie Genç in Solingen vor 25 Jahren bis zur AfD und den Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte heute zog der Journalist Heribert Prantl am Montag in der "Süddeutschen Zeitung". Und hat Recht damit, meint Beate Küpper, Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule Niederrhein.
"Zumindest sehen wir ganz eindeutig Parallelen", so Küpper im Deutschlandfunk Kultur. "Und wir können auch schon im Vorfeld zur jetzigen Zeit sehen, wie damals Begriffe gelegt worden sind, Denkmuster gelegt worden sind, die jetzt wieder aktualisiert werden. Beispielsweise wenn es um Themen wie Asylmissbrauch geht."

Sarrazin und Pegida als Wegbereiter

So habe etwa die Diskussion über die vermeintlich gescheiterte Integration von Muslimen "den Boden dazu bereitet, dass wir dann offen abwertend über beispielsweise Muslime gesprochen haben", so Küpper unter Verweis auf Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab".
Auch Pegida gehört für Küpper zu den Wegbereitern, "sodass wir tatsächlich eine Linie ziehen können insofern, dass Denkmuster, Begrifflichkeiten, wie man überhaupt über Asylsuchende spricht schon als Linie auch vorbereitet worden sind dazu, dass wir jetzt einen Diskurs haben, der deutlich nach rechts gerückt ist."

"Gewöhnungseffekt an den neurechten Diskurs"

Gleichwohl habe sich in den vergangenen 25 Jahren auch vieles zum Positiven gewendet, räumt Küpper ein. Zum Beispiel die gesetzliche Gleichstellung von Minderheiten wie Homosexuellen: "Das geht alles in eine Linie schon der zunehmenden Offenheit, der zunehmenden Akzeptanz von Vielfalt. Deutschland hat nun endlich akzeptiert nach vielen, vielen Jahrzehnten, dass es ein Einwanderungsland ist."
Diesen gegenüber stehe eine nicht ganz kleine Minderheit, die mit ziemlicher Lautstärke und Aggressivität agiere. Und sie sehe, dass die Mitte der Gesellschaft inzwischen ermüde, immer dagegen anzudemonstrieren, so Küpper. "Wir haben auch einen gewissen Gewöhnungseffekt an so einen neurechten Diskurs."
(uko)
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