2000 Jahre deutsche Geschichte
Am Wochenende öffnet das Deutsche Historische Museum in Berlin seine Pforten für das Publikum. Die ständige Ausstellung zeichnet 2000 Jahre deutsche Geschichte nach - von der Römerzeit bis zur Wiedervereinigung. Heute wurde die Schau in einer Pressekonferenz vorgestellt. Winfried Sträter war dabei.
Auszüge aus dem Gespräch:
Eckhard Roelcke: "Es tut sich etwas Großes." Mit diesem selbstbewussten Satz hat heute Hans Ottomeyer, der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, eine Pressekonferenz eröffnet. Vorgestellt wurde die Dauerausstellung zur deutschen Geschichte, die nun so eine Art historisches Nationalmuseum darstellen soll. Vor 20 Jahren hatte Bundeskanzler Helmut Kohl die Errichtung eines solchen Museums angekündigt, dann änderte sich ebenso unverhofft wie dramatisch der Lauf der deutschen Geschichte, 1989 und die Folgen. Nun bekommen wir also das, was andere Länder längst haben, eine nationale Geschichtsschau. Winfried Sträter, Sie waren bei der Pressekonferenz, ist denn wirklich etwas Großes auf die Beine gestellt worden?
Winfried Stäter: Zumindest erst einmal von den äußeren Dimensionen ist etwas Großes entstanden. Auf knapp 8000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden 2000 Jahre deutscher Geschichte dargestellt im europäischen Kontext. Das ist wirklich ein ambitioniertes Vorhaben, mit über 8000 Ausstellungsobjekten und 150 Medienstationen. Die Dimension dieser Ausstellung ist schon sehr groß. Und wenn man sich diese Ausstellung anguckt, braucht man wirklich schon einige Zeit, um sich gründlich durch diese Ausstellung hindurch zu bewegen.
Roelcke: Deutsche Geschichte ist ein schwieriges Ausstellungsobjekt. Wie kann man überhaupt so etwas ausstellen, zumal wenn man diese Ausstellung mit dem Anspruch verbindet, der Öffentlichkeit auch das nationale Geschichtsmuseum auch zu präsentieren. Eine politisch heikle Aufgabe. Wie haben denn die Museumsmacher das gelöst?
Sträter: Die Aufgabe ist besonders heikel, wenn man bedenkt, dass dieses Zeughaus im Kern der alten Reichshauptstadt, der heutigen Bundeshauptstadt Berlin, einstmals die Waffenkammer des alten Preußens gewesen ist. Hier hat sich der Staat, so wie er außen herum existierte, so dargestellt, wie er sich darstellen wollte. Das heißt, das ist schon ein Ort, an dem man mit Fingerspitzengefühl herangehen muss. Und wenn man in die Ausstellung reingeht, ist man erstaunt, wie mutig die Ausstellungsmacher da rangehen. Denn die Ausstellung beginnt mit dem Jahr 9 n. Chr., man sieht eine römische Reitermaske, wir bekommen erst einmal präsentiert einen Sieg der Germanen über die Römer.
Das wäre eine Heldentat in früherer Zeit gewesen, aber die Ausstellungsmacher hatten gar keine Angst, dass sie sich mit diesem Thema die Finger verbrennen, weil sie haben nicht den Sieg der Germanen über die Römer thematisiert, sondern im Grunde umgekehrt, mit den Römern, mit Tacitus, tauchen die Germanen in der europäischen Geschichte auf. Und mit den Römern lernen die Germanen, die damals noch in den Wäldern hausten, schon gewissermaßen die Stadt kennen. Insofern ist von Anfang an spürbar, das ist es keine nationale Verherrlichung, kein nationales Pathos, sondern man versucht den Fährten der deutschen Geschichte im europäischen Kontext nachzuspüren. Und versucht auch kenntlich zu machen, wie sehr die europäische Geschichte uns beeinflusst und oft auch befruchtet hat.
Roelcke: Wie funktioniert denn dieser Erkenntnisprozess, den man als Ausstellungsbesucher mitbekommt?
Sträter: Im Kern kann man sagen über Ausstellungsobjekte. Es ist keine inszenierte Geschichte. … Es gibt Bildschirme, aber da geht es nicht darum, dass man das Flimmern erlebt, sondern darum, dass man in eine Geschichte tiefer einsteigen kann. Vor allem geht es aber darum, dass die Exponate für sich sprechen. Und dieses nüchterne Konzept, dieses schon fast konservative Museumskonzept vertritt der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Hans Ottomeyer, sehr selbstbewusst.
…
Roelcke: Das heikelste Kapitel dieser Ausstellung ist sicherlich das 20. Jahrhundert, die NS-Geschichte. Ist die denn angemessen dargestellt? Man weiß ja, welche Schwierigkeiten mit diesem gigantischen Thema verbunden sind. Hat man versucht, da auch so etwas wie historischen Abstand zu gewinnen?
Sträter: Es ist ja auf der einen Seite die Gefahr, dass es zu nahe ist, und auf der anderen Seite, dass man versucht, jetzt, wo die NS-Geschichte ein Stück weit weg ist, dass man einen Schlussstrich zieht oder versucht zu vermitteln, dass ist eine Barbarei der Vergangenheit. Dieser Gefahr sind die Museumsmacher nicht erlegen. Fast eher der umgekehrten Gefahr. Wenn man bedenkt, die Ausstellung findet auf zwei Ebenen statt: Im Obergeschoss sehen wir 1900 Jahre deutscher Geschichte, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Und dann steigen wir hinab ins 20. Jahrhundert. Wir kommen in die Zeit der Weimarer Republik. Eigentlich kennt man da vom Schulunterricht her demokratische Errungenschaften, Verfassung und zum ersten Mal eine Demokratie, aber man spürt sofort, da stimmt etwas nicht, da ist etwas sehr düster. Und die ganze Inszenierung der Weimarer Republik ist darauf angelegt, dass man in diesen Zivilisationsbruch des Jahres 1933 hineingerät. Und die Geschichte des Dritten Reiches nimmt von der Ausstellungsfläche eine ganze Menge Raum ein und sie überschattet gefühlsmäßig das gesamte 20. Jahrhundert.
Das Gespräch mit Winfried Sträter können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-On-Demand-Angebot nachhören.
Eckhard Roelcke: "Es tut sich etwas Großes." Mit diesem selbstbewussten Satz hat heute Hans Ottomeyer, der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, eine Pressekonferenz eröffnet. Vorgestellt wurde die Dauerausstellung zur deutschen Geschichte, die nun so eine Art historisches Nationalmuseum darstellen soll. Vor 20 Jahren hatte Bundeskanzler Helmut Kohl die Errichtung eines solchen Museums angekündigt, dann änderte sich ebenso unverhofft wie dramatisch der Lauf der deutschen Geschichte, 1989 und die Folgen. Nun bekommen wir also das, was andere Länder längst haben, eine nationale Geschichtsschau. Winfried Sträter, Sie waren bei der Pressekonferenz, ist denn wirklich etwas Großes auf die Beine gestellt worden?
Winfried Stäter: Zumindest erst einmal von den äußeren Dimensionen ist etwas Großes entstanden. Auf knapp 8000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden 2000 Jahre deutscher Geschichte dargestellt im europäischen Kontext. Das ist wirklich ein ambitioniertes Vorhaben, mit über 8000 Ausstellungsobjekten und 150 Medienstationen. Die Dimension dieser Ausstellung ist schon sehr groß. Und wenn man sich diese Ausstellung anguckt, braucht man wirklich schon einige Zeit, um sich gründlich durch diese Ausstellung hindurch zu bewegen.
Roelcke: Deutsche Geschichte ist ein schwieriges Ausstellungsobjekt. Wie kann man überhaupt so etwas ausstellen, zumal wenn man diese Ausstellung mit dem Anspruch verbindet, der Öffentlichkeit auch das nationale Geschichtsmuseum auch zu präsentieren. Eine politisch heikle Aufgabe. Wie haben denn die Museumsmacher das gelöst?
Sträter: Die Aufgabe ist besonders heikel, wenn man bedenkt, dass dieses Zeughaus im Kern der alten Reichshauptstadt, der heutigen Bundeshauptstadt Berlin, einstmals die Waffenkammer des alten Preußens gewesen ist. Hier hat sich der Staat, so wie er außen herum existierte, so dargestellt, wie er sich darstellen wollte. Das heißt, das ist schon ein Ort, an dem man mit Fingerspitzengefühl herangehen muss. Und wenn man in die Ausstellung reingeht, ist man erstaunt, wie mutig die Ausstellungsmacher da rangehen. Denn die Ausstellung beginnt mit dem Jahr 9 n. Chr., man sieht eine römische Reitermaske, wir bekommen erst einmal präsentiert einen Sieg der Germanen über die Römer.
Das wäre eine Heldentat in früherer Zeit gewesen, aber die Ausstellungsmacher hatten gar keine Angst, dass sie sich mit diesem Thema die Finger verbrennen, weil sie haben nicht den Sieg der Germanen über die Römer thematisiert, sondern im Grunde umgekehrt, mit den Römern, mit Tacitus, tauchen die Germanen in der europäischen Geschichte auf. Und mit den Römern lernen die Germanen, die damals noch in den Wäldern hausten, schon gewissermaßen die Stadt kennen. Insofern ist von Anfang an spürbar, das ist es keine nationale Verherrlichung, kein nationales Pathos, sondern man versucht den Fährten der deutschen Geschichte im europäischen Kontext nachzuspüren. Und versucht auch kenntlich zu machen, wie sehr die europäische Geschichte uns beeinflusst und oft auch befruchtet hat.
Roelcke: Wie funktioniert denn dieser Erkenntnisprozess, den man als Ausstellungsbesucher mitbekommt?
Sträter: Im Kern kann man sagen über Ausstellungsobjekte. Es ist keine inszenierte Geschichte. … Es gibt Bildschirme, aber da geht es nicht darum, dass man das Flimmern erlebt, sondern darum, dass man in eine Geschichte tiefer einsteigen kann. Vor allem geht es aber darum, dass die Exponate für sich sprechen. Und dieses nüchterne Konzept, dieses schon fast konservative Museumskonzept vertritt der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Hans Ottomeyer, sehr selbstbewusst.
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Roelcke: Das heikelste Kapitel dieser Ausstellung ist sicherlich das 20. Jahrhundert, die NS-Geschichte. Ist die denn angemessen dargestellt? Man weiß ja, welche Schwierigkeiten mit diesem gigantischen Thema verbunden sind. Hat man versucht, da auch so etwas wie historischen Abstand zu gewinnen?
Sträter: Es ist ja auf der einen Seite die Gefahr, dass es zu nahe ist, und auf der anderen Seite, dass man versucht, jetzt, wo die NS-Geschichte ein Stück weit weg ist, dass man einen Schlussstrich zieht oder versucht zu vermitteln, dass ist eine Barbarei der Vergangenheit. Dieser Gefahr sind die Museumsmacher nicht erlegen. Fast eher der umgekehrten Gefahr. Wenn man bedenkt, die Ausstellung findet auf zwei Ebenen statt: Im Obergeschoss sehen wir 1900 Jahre deutscher Geschichte, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Und dann steigen wir hinab ins 20. Jahrhundert. Wir kommen in die Zeit der Weimarer Republik. Eigentlich kennt man da vom Schulunterricht her demokratische Errungenschaften, Verfassung und zum ersten Mal eine Demokratie, aber man spürt sofort, da stimmt etwas nicht, da ist etwas sehr düster. Und die ganze Inszenierung der Weimarer Republik ist darauf angelegt, dass man in diesen Zivilisationsbruch des Jahres 1933 hineingerät. Und die Geschichte des Dritten Reiches nimmt von der Ausstellungsfläche eine ganze Menge Raum ein und sie überschattet gefühlsmäßig das gesamte 20. Jahrhundert.
Das Gespräch mit Winfried Sträter können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-On-Demand-Angebot nachhören.