200. Todestag von Germaine de Staël

Die Frau, die Napoleon die Stirn bot

Ein Porträt von Baronin Anne Louise Germaine de Staël-Holstein, genannt Madame de Stael (1766-1817).
Ein Porträt von Baronin Anne Louise Germaine de Staël-Holstein, genannt Madame de Stael (1766-1817). © imago / Leemage
Von Maike Albath · 14.07.2017
Die Philosophen der Aufklärung gingen in ihrem Elternhaus ein und aus. Kein Wunder, dass aus der Französin Germaine de Staël eine kritische und widerspenstige Schriftstellerin wurde. Sie nahm kein Blatt vor dem Mund. Damit verärgerte sie auch Napoleon – und musste ins Exil.
"Das Studium der Geschichte führt, wie mir scheint, zu der Überzeugung, dass alle bedeutenden Ereignisse dem gleichen Ziel dienen – der Zivilisierung der Menschheit."
1800 veröffentlichte Germaine de Staël ihre Schrift Über die Literatur. Eine kulturgeschichtliche Zäsur, denn Literatur wird erstmals als ein Ausdruck gesellschaftlicher Zustände beschrieben.
"Ich gehe weiter: Wissenschaftlicher Fortschritt macht moralischen Fortschritt zu einer Notwendigkeit; denn wenn die Macht des Menschen wächst, müssen die Hemmungen verstärkt werden, die ihn davon abhalten, sie zu missbrauchen."
Germaine de Staël, 1766 in Paris geboren, glaubte an die Veränderbarkeit der menschlichen Natur. Die Philosophen der Aufklärung hatte sie schon als Kind im Salon ihrer Mutter Suzanne Necker kennen gelernt, und mit politischen Ideen kam sie durch ihren Vater Jacques Necker in Berührung, Genfer Bankier und Finanzminister unter Ludwig XVI.

Heirat, Kinder, Schriftstellerei

1786 heiratete Germaine den schwedischen Botschafter Baron Stael von Holstein, wurde Mutter und veröffentlichte erste philosophische Essays. Die Französische Revolution war eine Umwälzung nach ihrem Geschmack. Aber als sich die innenpolitische Lage zuspitzte, floh Madame de Staël mit ihren Kindern auf den Landsitz ihres Vaters Coppet bei Genf. 1794 begann sie eine turbulente Liebschaft mit dem Schriftsteller und Politiker Benjamin Constant.
"Ich habe niemals eine Frau gekannt, die einen so ununterbrochen in Anspruch nahm, ohne sich dessen bewusst zu sein. Jedermanns Leben muss zur Gänze, in jeder Stunde, in jeder Minute, jahrelang, zu ihrer Verfügung stehen, sonst gibt es einen Ausbruch wie alle Gewitter und Erdbeben zusammen."

Unbändige Denk- und Sprechlust

Auf zeitgenössischen Gemälden mit dunklen Locken, modischen Hauben und einem bemerkenswerten Dekolleté dargestellt, war Madame de Staël eine Art Naturereignis, von unbändiger Denk- und Sprechlust getrieben.
Nach Robespierres Tod und dem Ende der Schreckensherrschaft kehrte sie 1795 gemeinsam mit Constant nach Paris zurück. Weil man sie monarchistischer Umtriebe verdächtigte, musste sie die Hauptstadt erneut für einige Zeit verlassen.

Napoleon erst Freund, dann Feind

Als Napoleon auf den Plan trat, begeisterte sie sich zunächst für den ambitionierten Konsul, schürte dann aber schon bald durch ihre Parteinahme für republikanische Prinzipien seinen Zorn und wurde im Dezember 1802 aus Paris verbannt.
Fasziniert von der deutschen Philosophie und Literatur trat sie 1803 mit Constant eine Reise nach Weimar an. Sie sammelte Material für ihr Buch De l’Allemagne, das ihre einflussreichste Veröffentlichung werden sollte. Germaine de Staël traf Goethe, Schiller, Wieland und Wilhelm von Humboldt, schockierte die Herren mit ihren Geistesblitzen und dem nie versiegenden Redestrom und wurde zur Attraktion der Saison.

Gedruckt und verboten

August Wilhelm Schlegel nahm sie als Hauslehrerin mit nach Coppet, wo sich in den folgenden Jahren die geistige und politische Avantgarde versammelte. 1810 ging "De l’Allemagne – Über Deutschland" inmitten der hegemonialen Bestrebungen Napoleons mit einer für damalige Verhältnisse exorbitanten Auflage von 10.000 Stück in den Druck, wurde sofort verboten und komplett eingestampft.
Erst drei Jahre später konnte ihr Buch in London erscheinen, 1814 dann in Frankreich.
"Dem Deutschen fehlt es, mit wenigen Ausnahmen, an Fähigkeit zu allem, wozu Gewandtheit und Geschicklichkeit erfordert wird. Alles beunruhigt ihn, macht ihn verlegen; er bedarf eben so sehr der Methode im Handeln, als der Unabhängigkeit im Denken. Der Franzose hingegen betrachtet die Handlungen mit der Freiheit der Kunst und die Ideen mit der Knechtschaft der Gewohnheit."

Später Ruhm nach Napoleons Tod

Ihr Deutschlandbild war neu und faszinierend: Während die französische Literatur in der Nachahmung antiker Modelle erstarrt sei, habe sich das politisch rückständige Deutschland philosophisch und literarisch erneuert. Als Gegnerin Napoleons war Madame de Staël zu weiteren Auslandsaufenthalten gezwungen.
Nach dessen Sturz kehrte sie 1814 nach Paris zurück – und wurde als große Intellektuelle gefeiert. Am 14. Juli 1817 starb Germaine de Staël mit 51 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Unter den jüngeren Schriftstellern löste ihr Spätwerk eine regelrechte Deutschland-Manie aus.
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