20 Jahre Guggenheim in Bilbao

Kunst ohne Rücksicht auf regionale Begehrlichkeiten

Das vom Architekten Frank Gehry entworfene Guggenheim Museum in Bilbao, Spanien, aufgenommen am 28.8.2014
Guggenheim-Museum: Bilbao in der internationalen Kunstszene verankert © picture-alliance / dpa / Heikki Saukkomaa
Von Hans-Günter Kellner · 16.10.2017
Der Guggenheim-Effekt lässt sich nicht leugnen: Die einstige Kohle- und Stahlstadt Bilbao hat sich verändert, seit der spektakuläre Bau seine Ausstellungsräume geöffnet hat. Das Verhältnis der regionalen Kunstszene zu dem Haus bleibt aber ambivalent.
Das Guggenheim-Museum als Projektionsfläche: Eine Ton- und Lichtshow zeichnet zum 20. Geburtstag die Vergangenheit der alten Industriestadt auf die Titanhülle des berühmten Gebäudes: Feuer, Hochöfen und Schiffswerften – dann entwerfen Computergrafiken die Zukunft. Am Ende in gleisendem Licht: Das Museum selbst.

20 Millionen Besucher in 20 Jahren

Von den vergangenen 20 Jahren erzählt auch Juan Ignacio Vidarte, Generaldirektor des Museums: Von 20 Millionen Besuchern, von einem Beitrag des Museums zur baskischen Wirtschaftskraft in Höhe von fast 4,3 Milliarden Euro und von 5000 Jobs, die durch die Museumsaktivität in der Region entstanden sind.
Vidarte ist ein Mann der Zahlen. Zur ausgestellten Kunst äußert er sich erst auf Nachfrage.
"Da war die Schau 'A matter of time' von Richard Serra 2005, die ein großer Schritt für uns war, auch für das Wachstum des Museums als kulturelle Institution. Wir hatten zahlreiche Ausstellungen, die die gesamte Karriere der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts gezeigt haben. Robert Rauschenberg, Eduardo Chillida, aktuell Bill Viola. Ein weiterer Meilenstein ist sicher unsere eigene Sammlung."
Auch das beeindruckende Gebäude selbst, entworfen vom Architekten Frank Gehry, ist ein solcher Meilenstein. Doch es gab vor 20 Jahren auch Kritiker, die meinten, neben einem solchen Bau drohe die darin gezeigte Kunst nebensächlich zu werden. Vidarte kennt das Argument und weist es zurück:
"Wir sind sehr stolz auf dieses Gebäude, es ist ein Meisterstück der Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Manche glaubten, dass ein Museumsgebäude langweilig sein müsste, damit es nicht im Wettstreit mit der Kunst liege. Wir dachten aber immer, dass das beste Gebäude eines wäre, dass die besten Räume für die Kunst hat, die wir zeigen wollen."
Gegenwärtig zeigt das Museum drei Ausstellungen: Werkschauen von Anni Albers, Georg Baselitz und von Bill Viola. Hinzu kommt eine Dauerausstellung mit den enormen Skulpturen von Richard Serra sowie einer Auswahl aus der eigenen Sammlung, wie Museumssprecherin Begoña Martínez Goyenaga vor Skulpturen von Eduardo Chillida und Jorge Oteiza erklärt. Die Sammlung des Hauses umfasst insgesamt 130 Arbeiten von 74 internationalen Künstlern.
Zu den Befürchtungen in der baskischen Kulturszene, Künstler aus der Region hätten es schwer im Guggenheim, sagt Martínez Goyenaga.
"Wir wollen keinen politischen Preis zahlen und Werke ausstellen, die uns nicht überzeugen. Das ist wie mit Werken von Frauen. Wir haben da keine Quote im Kopf. Für uns gelten keine anderen Kriterien als die künstlerische Qualität."

Kritik am Sitz der künstlerischen Leitung

Über die wird allerdings in New York entschieden, wie Juan Manuel Lumbreras kritisiert. Er besitzt eine kleine Galerie in Bilbao. Juan Ignacio Vidarte sei zwar Museumsdirektor, aber die künstlerische Leitung liege weiter bei der Zentrale in New York, sagt Lumbreras.
"Ich kenne den Leiter des Guggenheim seit der Universität. Bilbao ist eine kleine Stadt. Aber dass wir Galerien Vorschläge machen könnten... Ein Kollege versucht seit 18 Jahren eine Ausstellung über die baskische Avantgarde ins Guggenheim zu bringen. Das sind neben Chillida und Oteiza viele weitere große Künstler: Valerdi, Pepe Barceló, Mendiburu, Basterrechea, eine Gruppe die Du überall auf der Welt ausstellen kannst."

Kunstgalerien in Bilbao hatten anfangs geglaubt, sie könnten vom Museum profitieren. Inzwischen mussten traditionsreiche Galerien aber schließen. Das Guggenheim übergehe die Galeristen beim Ankauf von Werken, heißt es. Doch Lumbreras winkt ab:
"Das Museum ist nicht dafür da, die Galerien zu ernähren. Zu seinen Aufgaben gehört, die Bürger weiterzubilden. Und das funktioniert! Früher schimpften die Besucher bei mir über abstrakte Kunst. Heute gehen diese Leute ins Guggenheim, sehen diese Werke und sagen sich, ich verstehe es zwar nicht, aber es hängt in diesen heiligen Hallen. Sie sind respektvoller geworden."

Ambivalentes Verhältnis zur lokalen Kunstszene

Das Verhältnis der regionalen Szene zum Guggenheim ist ambivalent. Die einen kritisieren das Guggenheim-Konzept, das Ausstellungen in mehreren Museen hintereinander zeigt und so rentabel macht. Andere meinen, auf diese Weise komme Kunst nach Bilbao, die dort früher nie zu sehen gewesen sei. Ignacio Mugica, Miteigentümer der Galerie CarrerasMugica, hält es sogar für einen Glücksfall, dass die künstlerische Leitung in New York liegt. So entziehe sich das Museum geschickt dem Einfluss der baskischen Kulturpolitik:
"Das Guggenheim war für uns entscheidend: Wenn wir jetzt zum Beispiel auf der Art Cologne sind, hören wir: Oh, Bilbao, das Guggenheim! Während sich früher auf derselben Messe kein Mensch für eine Galerie aus Bilbao interessiert hat. Viele der Leute, die wir auf diesen Messen kennenlernen, kommen später nach Bilbao und besuchen auch unsere Galerie. Das sind Kunstsammler aus Mexiko, Belgien oder der Schweiz. Wir hatten gerade eine Gruppe aus Belgien hier. 30 Leute. Da schließen wir auch Verträge ab."
Das Guggenheim-Museum in Bilbao und die lokale Szene: Am Ende liegen sie sich wohl nicht in den Armen. Aber das war auch nie das Ziel. Das Museum mit seiner globalen Ausrichtung sollte Bilbao in der internationalen Kunstszene verankern. Das hat es erreicht.
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