20 Jahre Deutschlandradio

Labor für die Wiedervereinigung

Astrid Kuhlmey
Astrid Kuhlmey erinnert sich an den Deutschlandradio-Start. © Deutschlandradio - Bettina Straub
Astrid Kuhlmey und Konrad Franke im Gespräch mit Katrin Heise · 26.03.2014
Astrid Kuhlmey, ehemalige Redaktionsleiterin von "Kultur aktuell", und der frühere Kulturchef Konrad Franke erinnern sich an den Start von Deutschlandradio: Während Kuhlmey "stramme kalte Krieger" erwartete, rechnete Franke mit einer "Radio-Queen aus der DDR". Doch beides kam anders.
Katrin Heise: Irgendwo habe ich gelesen, Deutschlandradio sei ein "Labor für die gesellschaftliche Wiedervereinigung". Finde ich einen guten Titel für 20 Jahre Deutschlandradio. Oder, wie es die damalige Programmdirektorin Gerda Hollunder neulich genannt hat, das Vereinigungsradio.
Was wurde da eigentlich vereinigt vor 20 Jahren? Der Deutschlandfunk in Köln, der Rundfunk im amerikanischen Sektor, RIAS, Westberlin sowie der Deutschlandsender Kultur, DS Kultur, als ein Kind des Runden Tisches 1990 aus Teilen der Stimme der DDR und Radio DDR II Ostberlin zusammengefügt. Werden sollte aus dem ganzen und ist es ja auch ein bundesweites Kulturprogramm. Der Anfang, der klang so:
Auszug vom ersten Sendetag, 1. Januar 1994:
Heise: Für die Würde des Menschen in Frieden mit Glocken und Fanfarenklang – da läuft es einem ja doch in Erinnerung kalt oder heiß den Rücken runter. Ich begrüße jetzt diejenigen, die damals dabei waren, nämlich Astrid Kuhlmey, die ehemalige Redaktionsleiterin "Kultur aktuell". Schönen guten Tag, Frau Kuhlmey!
Astrid Kuhlmey: Ja, guten Morgen.
Heise: Und Konrad Franke, den ehemaligen Leiter Hauptabteilung Kultur, der ein wenig später, aber auch sehr am Anfang dabei war. Ich begrüße ihn in einem Studio in München. Herr Franke, hallo! Guten Morgen!
Konrad Franke: Guten Morgen, Frau Heise.
"Der RIAS war schon in meiner Kindheit ein Wegbegleiter"
Heise: Gemeinsam für die Würde des Menschen eintreten - Frau Kuhlmey, Sie kamen vom DS Kultur. Mit welchen Gefühlen haben Sie den RIAS betreten damals?
Kuhlmey: Ja das ist vielleicht deswegen ganz besonders, weil ich bin ja eingeborene Berlinerin und im Osten sozialisiert worden. Aber der RIAS war schon in meiner Jugend ein Wegbegleiter. Ich kann mich noch erinnern: Mein erster Abteilungsleiter, Herr Rexin, als ich mich mit dem unterhielt, und er merkte, dass ich alle Sendungen eigentlich kannte, der war so verdattert darüber und sagte, Sie kennen ja alles, Sie kennen ja sogar Kommissar Z, das war so eine Krimireihe. Das war bei uns angesagt. Oder Friedrich Luft. Bei uns durfte am Tisch zuhause immer geredet werden.
Es gab eine Ausnahme: 11:45 Uhr, Friedrich Luft. Wir aus dem Osten konnten ja die Stücke gar nicht sehen im Theater, oder die Filme, die er besprochen hat. Aber da war Ruhe angesagt. Also RIAS-sozialisiert. Es kommt auf einmal so ein Mädel, sage ich mal, aus dem Osten, klar aufgewachsen auch mit dem Begriff der Klassenfeind, RIAS Klassenfeind, aber nicht in meiner Familie, muss ich ehrlich sagen.
Heise: Ich habe hier dieses Plakat mitgebracht, ich habe es vorhin schon kurz erwähnt, von 1952, Plakat der SED. Da geht über Berlin eine Wolke: "Vorsicht RIAS-Gift". Und dieses Gift, man riecht es fast schon, tropft widerlich auf Berlin herunter.
Kuhlmey: Das ist wirklich Propaganda. Aber ich muss sagen, selbst wir in der Schule haben miteinander über Schlager der Woche, über alles geredet. Es war wirklich sehr unterschiedlich. Ich weiß es von Leuten, die in der, wir sagten immer, Republik, etwas arrogant, in der DDR wohnten, in den Ländern dort. Da war es teilweise anders. Aber Berlin hatte schon so eine Sonderstellung.
Um darauf noch mal zurückzukommen: Zum ersten Mal in dieses Haus zu gehen und zu wissen, ich bin jetzt auf einmal Mitarbeiter eines neuen Senders, also Deutschlandradio. Aber dieses Haus RIAS, da war ja noch dieses große Emblem, was ja auch denkmalgeschützt ist, was man ja heute noch sieht.
Heise: Es steht heute noch auf dem Dach!
Kuhlmey: Ja. Jeder, der über die Stadtautobahn fährt, wird es sehen. Das war schon ziemlich beeindruckend für mich. Beängstigend - es war ja eine Institution, dieser RIAS, für uns alle, und er hatte ja auch eine starke Lobby. Da kommen wir sicher noch mal drauf. Also es war beängstigend und beeindruckend zugleich, mal sehen, was da kommt. Sie haben ja vorhin gesagt, "Labor" - da ist was dran.
Heise: Ja, da ist was dran. Herr Franke, beängstigend? Ich glaube, Angst war bei Ihnen wahrscheinlich nicht dabei.
Franke: Nein, kann man wirklich nicht sagen.
Heise: Wie erinnern Sie sich an die Gefühle vor der Zusammenarbeit?
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Das Deutschlandradio-Funkhaus am Hans-Rosenthal-Platz in Berlin© Deutschlandradio Kultur
Franke: Ich hatte die Gefühle, man kann noch mal was machen. Da war was neues, und das war ziemlich ungefähr. Man wusste es nicht genau. Okay, da kommen zwei, sagen wir mal, Mitarbeiterstämme zusammen und na ja, was bringen die mit? Was kann man aus dem mitgebrachten machen? Ich hatte eine Ahnung, dass das schwierig werden würde, weil natürlich jeder hält das, was er macht, fürs beste.
Und wie man das zusammenkriegt und die Mentalitäten, die verschiedenen, zusammenbringt, wie man einen Qualitätsmaßstab herstellt und darauf achtet, dass er auch eingehalten wird. Es ging übrigens mit ganz simplen Sachen los: mit Umzügen.
Heise: Die Schreibtische beziehungsweise das, was drauf gehört, musste umziehen.
Franke: Ja! Es war unglaublich. Da gab es natürlich Nichtraucher und Raucher, und dann konnte der nicht mit dem. Ich weiß, ich habe am Anfang Schwierigkeiten gehabt, die Mitarbeiter überhaupt zu finden im Haus, und das hat sich allmählich zurechtgerüttelt mit der täglichen Arbeit, die ja geleistet werden musste. Das war das Gute.
Wir hatten ein Programm, und wir mussten dieses Programm gut machen. Dazu waren wir verurteilt, und das hat eigentlich eine Menge Schwierigkeiten überwinden helfen, weil wir einfach gezwungen waren, gut zu sein.
Heise: Auf diese Schwierigkeiten würde ich aber trotzdem noch mal kommen wollen, auch wenn nicht alle – Sie haben es beschrieben, Frau Kuhlmey -, Sie im Osten, das RIAS-Programm sehr gut kannten. Da sind aber trotzdem auf dem Flur jetzt plötzlich sich beispielsweise ehemalige Kommentatoren aus Ost und West begegnet. Ich meine, da muss es doch gekracht haben.
Kuhlmey: Ja. Interessant war aber trotzdem eins, das hat mich wiederum verwundert: Mich sprachen manchmal Leute an, hörten die Stimme - man kennt sich als Rundfunkmensch immer über Stimmen - und sagten, Sie haben doch die und Kultursendung gemacht. Sie haben die gehört beim Berliner Rundfunk, früher war ich beim Berliner Rundfunk. Also sie haben uns auch so ein bisschen verfolgt, wir waren ihnen nicht ganz und gar fremd.
Bei den Kommentatoren, auch bei den politischen Journalisten war das sicher ein bisschen anders als bei den Kulturleuten. Wir waren gegenseitig sehr interessiert, was machen die Theater da, was machen die Ausstellungen da. Aber zur Politik würde ich ganz gerne noch mal was sagen. Da habe ich gemerkt, dass trotz aller Distanz zu bestimmten Dingen in der DDR eine gewisse Infiltration doch geklappt hat.
"Die waren ganz offen"
Ich hatte mir den RIAS vorgestellt, stramme kalte Krieger, und da war ich ganz erstaunt. Da waren ganz viele, ich sage es jetzt auch mal ein bisschen in Klischees, Alt-68er. Die waren ganz offen, die hatten eine ganz offene Haltung, die wussten viele Dinge, auch die bei uns passiert waren. Da musste ich auch abbauen. Da habe ich gedacht, ist ja eigentlich fatal, da hat doch noch irgendwas gewirkt, von dem man immer hoffte, es ging an einem vorbei in der DDR. Es war aber nicht so.
Und dann konnte man eigentlich sehr schnell miteinander reden. Trotz all dem blieb diese - Herr Franke kam ja so ein bisschen später. Herr Franke, Sie haben Dinge noch anders erlebt.
Heise: Ein Jahr später.
Kuhlmey: Im ersten halben Jahr, muss ich schon sagen, da war es häufig so: Man hat in einem Zimmer gesessen, aber man hat den Eindruck gehabt, wir hatten eine Glaswand zwischen zwei Schreibtischen. Es gab wirklich Situationen, kann ich mich erinnern, da kam man morgens hinein in den Raum und sagte "guten Morgen" und sagte abends "tschüss", und mehr eigentlich kaum. Man saß vor der sogenannten NVA, Nachrichtenverteilanlage, für uns aus dem Osten auch ganz neu, erste Computer-Anwandlungen, die dann auch noch NVA hießen. Da gab es dann so wunderbare Dinge.
Vielleicht ist es sehr klein, aber es spricht auch für die Atmosphäre. Die Sekretärin von Manfred Rexin, die war auch erst sehr distanziert, und dann merkte die irgendwie, ich muss hier was machen, ich muss hier vermitteln. Dann hat die einfach über Erklären, wie dieses Haus funktioniert. Herr Franke hat ja auch gesagt, er wusste erst mal gar nicht, wo sitzen die Leute.
Die sind hier herumgerannt wie die Hasen, wo ist denn der T-Raum, wo ist denn das Studio. Nun gibt es ja hier im RIAS auch immer noch zwei Teile. Es gibt eine 314 im Anbau und eine 314 im Hauptbau. Dann suchte man erst mal, kurz vor den Nachrichten und so was alles. Also das war schon relativ kompliziert am Anfang, muss ich gestehen, auch menschlich.
Heise: Und tatsächlich: Einige so wie Sie haben schon mal ein paar Wochen vorher quasi Praktikum gemacht, da oder dort. Andere sind wirklich mit dem Tag, mit dem 1. 1., das erste Mal hier reingekommen. Im RIAS waren mehrere Kollegen, Herr Franke, die aus dem Osten geflüchtet waren. Wie trafen die nun eigentlich auf Kollegen, die im Osten gesendet hatten?
Franke: Das war ganz schwierig, weil da waren natürlich Biografien, die da gelebt wurden, und das war ein Stück ihres Lebens, und auf einmal stimmte das nicht mehr. Es war wirklich sehr eigenartig, und es hat viele Einzelgespräche gebraucht, zum Teil bei mir auf dem Sofa, kann ich mich gut erinnern, wo man einfach mal zugehört hat, dann haben die erzählt und dann wurde es ein bisschen leichter. Es ging viel über erzählen, über berichten, über zuhören.
Heise: Zuhören und erzählen, was man dann auch nach außen gegeben hat. Darum ja Vereinigungsradio. Das war ja auch die Aufgabe nach außen. 20 Jahre Deutschlandradio, "Labor der Wiedervereinigung" – darüber berichten Astrid Kuhlmey und Konrad Franke. Die Aufgabe des Senders war, das Zusammenwachsen von Ost und West in die Gesellschaft zu fördern, und natürlich ein bundesweites Kulturprogramm zu machen.
Studio im Funkhaus Deutschlandradio Kultur
Studio im Funkhaus am Hans-Rosenthal-Platz© Deutschlandradio - Bettina Straub
Wie unterschiedlich, Frau Kuhlmey, waren eigentlich die Begriffe von Kultur? Ich erinnere mich noch an einige Ausdrücke. Die einen sprachen von Genre, die anderen von "Ganger", aber das ist jetzt nur wahrscheinlich das ganz oben angesiedelte.
Kuhlmey: Ja, aber trotzdem: Selbst diese kleinen Dinge, die haben ja oft zu Ironie, nicht zu positiver Ironie dem anderen gegenüber geführt. Begriffe, Sie sagten es ja eben. Wir haben zum Beispiel, wenn wir schnitten früher, Bänder geschnitten haben, geköttert. "Wo ist denn eure Köttermaschine?" Ich sage es jetzt mal extra so ein bisschen berlinisch.
Wir cutten hier, oder so was. – Oder bei uns war es üblich, generell üblich, dass ein Redakteur - bei uns war die Mischung aus Redakteur und Autor viel enger aneinander. Man war nicht entweder Redakteur oder Autor, man war immer beides. Dann habe ich einen Vorschlag gemacht in der Redaktion: Ich möchte das und das Thema machen und dann habe ich es auch gemacht. Und ich habe auch geschnitten. Hier ist man aber plötzlich zu einer Technikerin gegangen.
Heise: Das heißt, man hat da auch dann wahrscheinlich direkt voneinander gelernt? Herr Franke, Frau Kuhlmey hat angedeutet, wie viel man im Osten vom Westen kannte. Wie viel kannte man denn gerade von der kulturellen Szene im Westen vom Osten und wie anerkannt war die?
Franke: Das hat mich sehr verblüfft, nämlich ziemlich wenig.
Heise: Das hat Sie verblüfft?
Franke: Ja. Ich habe jahrelang hier beim Bayerischen Rundfunk, in dem ich jetzt sitze, DDR-Berichterstattung gemacht im Bereich Kultur und Kulturpolitik und bildete mir ein, man könnte eigentlich einiges erfahren haben. Bei der Wiedervereinigung oder der Wende zeigte sich, dass ein großer Teil der klassischen westdeutschen Bevölkerung keine Ahnung hatte. Das ging bis zur Geographie.
Man sagte, ich fahre nach Dresden, ach dann kommen sie doch an Leipzig vorbei, so als ob das eine Vorstadt wäre. Es war ziemlich grotesk. Da ist viel gelernt worden und zum Teil heute noch nicht begriffen. Übrigens fällt mir so ein Wort ein, das verschieden war. In der DDR wurde von Nachholebedarf gesprochen, im Westen von Nachholbedarf.
Heise: Das kleine e!
Franke: Ja, das kleine e. Das waren so Geschichten, an denen man sich … Oder, was interessanter war: Geburts- und Gedenktage. Es gab plötzlich Autoren in der DDR, die dort sehr bekannt waren, wo man sagte, der hat heute, ich sage mal, 70. Geburtstag. Da haben die im Westen gesagt, wer ist denn das.
Umgekehrt starb im Westen irgendeiner, und die im Osten sagten, wer ist denn das, da müssen wir nichts machen. Und die im Westen waren ganz aufgeregt, ja warum habt ihr denn nichts gemacht, da muss doch was getan werden, wenn der tot ist. Sie kannten ihn nicht!
"Sie wurden mir apostrophiert als Radio-Queen aus der DDR"
Heise: Das heißt, es war bitter notwendig, ein bundesweites Kulturprogramm aufzulegen und durchzuziehen, was nämlich Ost und West und Nord und Süd zeigte, was eigentlich im Land los war. Man hat gleichzeitig den Kulturbegriff aber noch mal erweitert, auch musikalisch beispielsweise beim Deutschlandradio. Bevor wir das kurz ansprechen, hatte ich Sie um Musikwünsche gebeten. Herr Franke, Sie haben sich eine Komposition für zwei Bratschen von Franz Biber gewünscht.
Franke: Es sind, darf ich Sie korrigieren, vier - und das ist Barockmusik. Der Heinrich Ignaz Franz Biber war ein begnadeter Geiger, lebte von 1644 bis 1704, und er hat für sechssaitige Violas geschrieben, und davon hören wir jetzt deren drei und eine Harfe noch dazu. Es ist ein ernsthafter und etwas marschierender Rhythmus, gefällt mir.
Musik:
Heise: Musik, gewünscht von Konrad Franke, einer derjenigen, die 20 Jahre Deutschlandradio fast von Anfang an mitgemacht haben. Herr Franke, Frau Kuhlmey wollte noch etwas sagen zum sich auskennen in Ost und West, was auch direkt mit Ihrer Person zu tun hat.
Kuhlmey: Ja. Herr Franke, da muss ich Sie direkt noch mal ansprechen. Das fand ich ja wunderbar damals. Sie waren ja mit Gerda Hollunder, unserer ersten Programmdirektorin, haben Sie erzählt, auch schon zu DDR-Zeiten, zu Mauerzeiten auf der Leipziger Buchmesse. Sie kannten sich aus. Sie hatten persönliche Kontakte bis hin zu Journalisten, die Sie hier kannten, in der DDR, und das war natürlich ungeheuer hilfreich. Man sprach nicht immer hohl ins Land hinein, wenn man mit Ihnen sprach, sondern es kamen Reaktionen, und das haben wir wirklich dankbar angenommen und das war sehr, sehr wichtig, glaube ich, gerade für die Anfangszeit.
Franke: Na, das klingt ja wirklich ganz freundlich. Ich will mal sagen: Wissen Sie, was Sie für mich waren, Frau Kuhlmey?
Kuhlmey: Oh! Was?
Franke: Sie wurden mir apostrophiert als die Radio-Queen aus der DDR.
Kuhlmey: Ach Gott!
Franke: Ja! Das hat mir Frau Herig gesagt. "Nehmen Sie sich in Acht, die hat Haare auf den Zähnen." War dann gar nicht so.
Heise: Bevor wir hier noch weiter ins Detail gehen, komme ich noch mal auf die Musik zurück, über die man sich ja auch häufig ganz schön verständigen kann und ganz vieles an zwischenmenschlichem vielleicht auch erfahren kann, und genau dieser Musikbegriff, da fällt mir ein: Cross over war der Musikbegriff des Deutschlandradios. Sie haben sich nämlich, Frau Kuhlmey, eine ganz andere Musik gewünscht, an der wir das dann sehr schön in dieser Breite verdeutlichen können.
Kuhlmey: Und zwar aus folgendem Grunde, nicht nur, weil ich durch die Stones unter anderem musikalisch sozialisiert wurde, sondern weil ich mich noch genau erinnere. Wir hatten eine lange Sendung. Damals hieß unsere Kultursendung noch Galerie und da haben wir zur documenta eine Live-Sendung gemacht und wir sind mit diesem Titel damals auch eingestiegen.
Der meint gar nichts schlimmes, "Paint it black". Wir wollen hier nicht schwarz malen, aber ich sage, auf schwarz glühen ja alle anderen Farben besonders schön und wunderbar, also auch die vom Deutschlandradio. Und da ich ja zur Generation der sogenannten 68er mit gehöre, war es für uns ganz normal eigentlich und wunderbar, zu wissen, Kulturbegriff bedeutet immer für mich, hört sich ein bisschen plump an, aber es ist wirklich so: Ich höre auch zuhause meinetwegen vormittags Paint it black als Symbol und nachmittags meinetwegen Brahms oder Bach oder so. Das geht alles zusammen.
Es ist großartige Musik und das fand ich eigentlich schön. Dass man sich deswegen immer noch mal gestritten hat, ob die und die Titel zusammen passen, ist eine andere Sache. Aber die Grundkonstellation fand ich erst mal völlig richtig und lebendig und wunderbar.
Heise: Damit können wir jetzt doch eine ganze Menge verdeutlichen von dem Kulturbegriff im Deutschlandradio, jetzt Deutschlandradio Kultur. Herr Franke, Frau Kuhlmey, vielen Dank für Ihre Erinnerungen. 20 Jahre Deutschlandradio, könnte man noch viel länger drüber reden, aber unsere Zeit läuft. Für alle, die mit uns feiern wollen: Heute Abend die Feierstunde zu 20 Jahre Deutschlandradio, die wird hier live im Programm übertragen. Und wir hören jetzt die Stones mit "Paint it black".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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