1967 - Love is not enough

Warum der Summer of Love so kurz war

"Blumenkinder" lagern 1967 auf einer Wiese in San Francisco im US-Bundesstaat Kalifornien und geben sich dem "Flower Power"-Feeling hin. |
Hippies in San Francisco 1967 © picture alliance / dpa / UPI
Von Till Lorenzen · 31.03.2017
LSD, freie Liebe, Musik: Der Summer of Love verkörpert ab Mitte der 1960er-Jahre den Höhepunkt der Hippiebewegung in den USA. 1967 ist er im Grunde aber schon wieder zu Ende - sein definitiv letztes Zucken ist das Woodstock-Festival 1969. Gescheitert ist er an seinem simplen Grundgedanken.
All you need is love - ja, alles was wir brauchen, ist Liebe. So simpel wie dieser Beatlesvers ihres gleichnamigen Songs war an sich die Idee des Summer of Love, des Sommers der Liebe. LSD-Guru Timothy Leary propagierte den Ausstieg aus der traditionellen Gesellschaft mit sechs einfachen Worten: "Turn on, tune in, drop out."
Learys Ausspruch wird zum kategorischen Imperativ der Hippiegemeinde. Nimm LSD, schalt dich ein und gib dich dem Rausch und auch der freien Liebe hin. Jefferson Airplanes Hit "Somebody To Love" wird so 1967 zu einer der beliebtesten Hippiehymnen. Grace Slick singt fordernd, wollend, ja verlangend.
Die freie Liebe als Allheilmittel, Jefferson Airplane als musikalische Legitimation. Der Refrain mit den Variationen "want somebody", "need somebody", "love somebody" und "find somebody" lädt zu einem solchen Verständnis ein. Bei genauerer Betrachtung, unterscheidet sich "Somebody to Love" aber gar nicht so sehr von gängigen Liebesliedern, erklärt Antonius Weixler, Mitherausgeber des Buches "Younger than Yesterday":
"Wenn man sich die Liebeslieder der Zeit anhört, dann ist das doch eine ganz romantische, eine emotionale Liebe, die da gefeiert wird. 'Somebody to Love' ist tatsächlich ein ganz interessanter Fall in dieser Hinsicht. Wird da wirklich die freie Liebe besungen? Wenn man sich den Text genau anguckt, dann merkt man, dass dahinter ein ganz überraschend konservatives, nämlich ein ganz monogames Liebeskonzept vertreten wird. Also der Text spricht gar nicht davon, dass es um den Somebody somehow geht, sondern um den einen Somebody to Love."
Die zweiversigen Strophen des Stücks klingen tatsächlich eher enttäuscht, fast resignierend und durch Grace Slicks Intonation sogar wütend: Wenn die Freude im Inneren stirbt, wenn Freunde dich wie einen Gast behandeln, wenn die Augen des Liebhabers dem echten "Somebody" eben nur ähneln. Hier sehnt sich jemand nach emotionaler Wärme und nicht nach freier Liebe.

All you need is love ist zu naiv

Die Ambivalenz von "Somebody to Love" verkörpert das Dilemma des sehr naiven Liebeskonzepts der Hippies. Sexuelle Freiheit und emotionale Nähe passen bei Weitem nicht für jeden der Bewegung zusammen. Jefferson Airplane reflektieren auf ihrem Album "Surrealistic Pillow" von 1967 diese Sonnen- und Schattenseiten der Gegenkultur, der sie angehören.
Bei Arthur Lees Band Love aus Los Angeles führt diese Reflexion zum Ausstieg aus dem Ausstieg. Musikalisch gehören Love definitiv zum Psychedelic Rock der Zeit, mit seinen Texten und seinem Wesen grenzt sich Arthur Lee aber von den anderen Bands und den Fans ab. Antonius Weixler:
"Er nimmt sich selbst ganz bewusst aus diesem Betrieb raus und markiert das auch ständig. In 'The Red Telephone', das beginnt ja schon mit dieser Zeile 'Sitting on the hillside', also er ist auf seinem Hügel und blickt auf das Geschehen nach Los Angeles runter, im Tal, und ist davon aber völlig losgelöst. Und dann geht's ja auch weiter mit 'Watching all the People die, I’ll feel much better on the other side'. Also deutlicher kann man das Nicht-Dazugehören und Das-Nicht-Dazugehören-Wollen eigentlich nicht betonen."
Arthur Lees Texte sind fast prophetisch zu nennen. Sie verführen zu der Annahme, er habe das Ende des Summer of Love bereits vorhergesehen. Das ist natürlich spekulativ und konstruiert, aber kaum einer formuliert so spielerisch-prägnant Gegentöne wie Lee. Count me out - rechnet nicht mit mir, ist Lees Botschaft.
Im Juni '67 endet mit dem Monterey Pop Festival inoffiziell der Sommer der Liebe. Er scheiterte gerade an seinem simplen Grundgedanken: All you need is love ist eine zu naive Idee, um damit gesellschaftsverändernd zu wirken. In einigen Songs der Zeit ist dieses mögliche Scheitern bereits angelegt, nur wurden die Warnungen, verkleidet im träumerischen Sound, nicht unbedingt gehört. Was bleibt, sind einige der besten Songs der Pop- und Rockgeschichte, die es wiederum ohne den Summer of Love nicht gegeben hätte.
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