190 Jahre Streichhölzer

"Zündende Idee" eines englischen Apothekers

John Walkers Erfindung: die Streichhölzer. Am 7. April 1827 verkaufte er die "friction lights" zum ersten Mal in seinem Laden in Stockton-on-Tees.
John Walkers Erfindung: die Streichhölzer. Am 7. April 1827 verkaufte er die "friction lights" zum ersten Mal in seinem Laden in Stockton-on-Tees. © imago
Von Andrea Westhoff · 07.04.2017
Jahrhunderte lang war das tägliche Feueranmachen eine Qual für die Menschheit. Bis der englische Apotheker John Walker eine leichtentflammbare chemische Mischung entdeckte und damit die ersten Streichhölzer anfertigte. Am 7. April 1827 verkaufte er die "friction lights" zum ersten Mal in seinem Laden in Stockton-on-Tees.
Eine klassische Filmszene im "Western": Der einsame Cowboy nachts in der Prärie, lässig reißt er an der Stiefelsohle ein Streichholz an und hält die Flamme an die Zigarette, bis der rotglühende Punkt aufscheint.
Eine solche Szene würde es ohne John Walkers Erfindung der Reibehölzer nicht geben. Zwar nutzte man schon vor mehr als 1000 Jahren im alten China und bald auch in Europa mit Schwefel getränkte Holzstäbchen, um in Kaminen und Herdstellen Feuer zu machen. Aber die mussten selbst erst durch Funkenschlag und einen glimmenden "Zunderschwamm" entflammt werden.
Später gab es so genannte Tunkhölzer, mit Köpfen aus weißem Phosphor und Chlorsalzen. Die zündeten aber nur, wenn man sie in Schwefelsäure tauchte. Man musste also immer ein Fläschchen dieser gefährlichen Flüssigkeit dabeihaben.

Extravagant und gebildet

Und dann kam eben John Walker, 1781 in Stockton-on-Tees, einem kleinen Städtchen in Nordengland, geboren:
"Er war bekannt für seinen extravaganten Kleidungsstil: einen großen Biberhut, eine weiße Krawatte, graue Strümpfe, graubraune Kniehosen und einen braunen Schoßrock."
... schreibt seine Heimatstadt über ihn. Walker betrieb eine große Apotheke in der Highstreet Nummer 59 und galt als überaus gebildet: Er war nicht nur bei einem Chirurgen in die Lehre gegangen, sondern hatte zudem Pflanzenkunde und Mineralogie studiert.
"Man nannte ihn auch 'Stockton's Enzyklopädie'. Er hatte ein besonders lebhaftes Interesse an Chemie und verbrachte viel Zeit mit irgendwelchen chemischen Experimenten."
So auch im November 1826: Walker mischt Antimon-Sulfid, eine Schwefelverbindung, und Chlorsalz – Kaliumchlorat – mit Gummi arabicum und Stärke. Dabei stellt er fest, dass ein bisschen von der zähen Masse an dem hölzernen Rührstäbchen kleben bleibt.
Gedankenverloren vielleicht oder ärgerlich, will er die Reste an einer rauen Oberfläche abstreifen – und plötzlich gibt es eine kleine Stichflamme.
Walker erkannte schnell den praktischen Wert seiner Zufallsentdeckung. Er ließ im örtlichen Armenhaus kleine Holzscheite schnitzen, die er dann selbst mit Zündköpfen aus seiner speziellen Chemikalienmischung versah. Ein Stück zusammengefaltetes Sandpapier dazu – und fertig waren die Streichhölzer. In seinem Tagebuch notierte er:
"7. April 1827: Die 'Friction lights' erstmals verkauft an Mr. Hixton (den örtlichen Rechtsanwalt) – in Zinndosen zu 100 Stück, für einen Schilling und zwei Pence."

Reich geworden ist John Walker nicht

Die "Reibelichter" gehen gut, aber reich geworden ist John Walker damit nicht, weil er seine Erfindung nicht rechtlich schützen ließ. Stattdessen machte ein Samuel Jones aus London das große Geschäft: Der hatte von Walkers Idee gehört, selbst solche Streichhölzer hergestellt und sie 1828 zum Patent angemeldet.
Er nannte sie "Lucifers" – passenderweise, verbreiteten sie doch einen unangenehmen Schwefelgeruch.
John Walker geriet fast völlig in Vergessenheit. Und selbst seine Heimatstadt Stockton-on-Tees hatte mit dem Gedenken an ihn kein glückliches Händchen.
Streichholzschachtel und Streichholz
Streichholzschachtel und Streichholz© Stock.XCHNG / Peter Müller
Zwar erinnert seit 1977 eine Bronzebüste vor der Highstreet Nummer 104 daran, dass hier einst das Geburtshaus des berühmtesten Erfinders des Ortes stand. Aber: Im Februar 2016 musste der Stadtrat kleinlaut zugeben, dass man 40 Jahre lang den falschen John Walker geehrt hatte.
John Walkers Streichholz-Idee aber zündete weltweit, auch wenn noch viele Chemiker an der Mischung herumgebastelt haben. Für eine ruhigere Flamme und längere Brenndauer wurde bald weißer Phosphor verwendet. Das machte allerdings die Herstellung sehr gesundheitsschädlich.

Walkers Streichhölzer gibt es nur noch für Cowboys

Und eine weitere Gefahr: Die Streichhölzer entflammten schon durch kleinste Reibungen. 1844 heißt es in der "Zeitschrift für Pyrotechniker":
"Kürzlich entzündete sich ein Packet Zündhölzchen, das von der Höhe von nur drei Schuh auf einen Teppich gefallen war."
Heute gibt es "Sicherheitsstreichhölzer". Die Kopfmischung aus Schwefel und Kalium lässt sich nur an einer speziellen Reibefläche außen auf der Schachtel anzünden.
Aber ganz verschwunden sind die Walker'schen Streichhölzer nicht. Die so genannten Überall-Zündhölzer oder Cowboy-Matches kann man an jeder rauen Oberfläche anreißen: Sie tragen immer noch das zündende Element im Köpfchen.
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