15 Jahre Deutsche Einheit

Von Monika Zimmermann |
15 Jahre Deutsche Einheit. Ein Grund zum Feiern? Ganz gewiss. Nur ist uns nicht zum Feiern zumute in diesen Tagen. Ohnehin ist der 3. Oktober ein sprödes Datum geblieben.
15 Jahre Deutsche Einheit. Dieses Datum fällt mitten hinein in eine schwierige Regierungsbildung. Schwierig, weil auf bisherige Gewissheiten kein Verlass mehr ist. So konnte eine kleine Partei mit ihren knapp neun Prozent bei der Bundestagswahl verhindern, dass eines der beiden großen Lager die klare Mehrheit bekam. Und diese Partei ist fest verwurzelt im Osten. Die Ostdeutschen sind also keineswegs so einflusslos, wie die immer meinen, die gern weiter den Minderwertigkeitskomplex pflegen.

15 Jahre Deutsche Einheit - das ist Anlass zu würdigen, wie weit es die Ostdeutschen im vereinten Deutschland gebracht haben. Eine Ostdeutsche ist Kanzlerkandidatin und wird am Ende vielleicht doch noch als erste Frau ins Kanzleramt einziehen können. Das ist wahrlich ein Grund, stolz zu sein auf das Erreichte. Ist es aber nicht, weil Angela Merkel von den Ostdeutschen nicht mehr als eine der Ihren gesehen wird. Das mag bedauerlich sein. Andererseits ist auch dies ein gutes Zeichen: die Grenzen und die Zugehörigkeiten verschwimmen bis zur Unkenntlichkeit.

15 Jahre Deutsche Einheit – dieses Jubiläum fällt aber auch in eine Zeit, in der nun wirklich der letzte gemerkt haben dürfte, dass es nicht mehr um Ostdeutsche geht oder um Westdeutsche, sondern um die Lösung gesamtdeutscher Probleme. An dem Reformstau sind die Ostdeutschen jedenfalls nicht als Verzögerungsfaktor beteiligt. Im Gegenteil. Der Osten ist, was das Umdenken, was Beweglichkeit, was Mobilität betrifft, dem Westen ein gutes Stück voraus: leider auch, was die negativen Seiten der Veränderung betrifft: den Mangel an Arbeitsplätzen, das Schrumpfen der Bevölkerung, das Sinken des Wohlstandsniveaus.

15 Jahre Deutsche Einheit. Noch ist nicht sicher, ob das Land die Kurve bekommt und sich auf die Tugend des Ärmelaufkrempelns besinnt. Der Ausgang der Bundestagswahl hat allen deutlich gemacht, wie zerrissen das Land ist. Aber nicht zerrissen zwischen Ost und West. Sondern zerrissen zwischen denen, die den Veränderungen ins Auge sehen wollen und jenen, die meinen, am Gewohnten festhalten zu können. Doch angesichts des knappen Wahlergebnisses reift die Erkenntnis, dass es wenig Sinn macht, sich gegenseitig bis zur Erstarrung in Schach zu halten. Denn die Bedrohung kommt aus ganz anderer Richtung als man in den Schützengräben vermutete. Die Globalisierung betrifft alle Deutschen gleichermaßen.
"Du bist Deutschland". Dieser Satz schlägt einem in diesen Tagen in ganzseitigen Zeitungsanzeigen entgegen. "Du bist Deutschland" hört man in eindringlichen Fernsehspots und fühlt sich ertappt: Ich also bin Deutschland. Ich also bin schuld, wenn das Land nicht voran kommt und die Stimmung mies ist. Absicht dieser Kampagne, hinter der große Unternehmen der Medien- und Werbebranche stecken, ist es, die depressive Stimme in Zuversicht zu wandeln. Ob das gelingt? Schlechte Stimmung ist selten Ursache, sondern meistens Folge einer schlechten Lage. Und diese Lage zu verbessern und das Land auf einen gangbaren Weg zu führen, ist zu allererst Aufgabe derjenigen, die zur Führung des Landes durch Wahlen legitimiert sind. Es gehört zu den fatalen Entwicklungen der letzten 15 Jahre, Deutschland mehr und mehr zu einer Stimmungsdemokratie gemacht zu haben, in der Umfragen und momentane Meinungsbilder die politische Entscheidung mehr beeinflussen als die Überzeugung, das Nötige tun zu müssen – im Zweifel auch gegen harten Widerstand.

Insofern braucht Deutschland für die nächsten 15 Jahre der Einheit vor allem eines: eine mutige, kluge, führungsstarke Politik.