1000 Jahre Schulgeschichte

Von Barbara Wahlster |
Lehrer und Schüler gab es schon in der Antike - aber es dauerte lange, bis die allgemeine Schulpflicht im 19. Jahrhundert vollständig durchgesetzt war. Rund 1000 Jahre Schulgeschichte lassen sich auf drei Etagen im Saarländischen Schulmuseum Ottweiler nachvollziehen. Die Ausstellung wird in originalgetreuer Umgebung, in gerettetem historischen Schulinventar gezeigt.
"Guten Morgen Herr Lehrer."

In die strengen Verhältnisse von einst findet sich die Besucherklasse schnell ein - hier im obersten Stockwerk des Saarländischen Schulmuseums, in einer typischen Lehrstube um 1850 mit dem Lehrer-Pult auf hohem Podest und breiten Bankreihen mit schrägen Tischplatten, in denen man je nach Bedarf auch mal eng zusammenrücken konnte. Was ihnen hier präsentiert wird, scheint Lichtjahre entfernt vom heutigen Schulalltag. Professor Horst Schiffler, Gründer und ehrenamtlicher Leiter des Saarländischen Schulmuseums, erläutert früher übliche Methoden:

"Beispielsweise das Erbsenbrett, auf dem Schüler zu knien hatten, wenn sie die zweite Strophe nicht konnten. Darauf mussten sie dann nachlernen. weil das ja weh tut."
In einem kleinen Kabinett sind auch die Karzer-Schrecken des Gymnasiums dokumentiert. Seit den 60er-Jahren des 20.Jahrhunderts untersagen Landesgesetze die körperliche Züchtigung durch Lehrpersonen. Aber bereits um 1900 forderte Preußen von seinen Lehrern schriftliche Rechenschaft über körperliche Strafen. Nachvollziehen lässt sich das vor einer Vitrine mit ausgestelltem Strafbuch.

"Otto Borg, 11 Jahre, am 23.10.1908, 6 Streiche aufs Gesäß, Grund der Bestrafung: Schwätzen, freche Drohung."

Solche Objekte wie auch manches Dokument an der Wand erschließen sich nur durch Lektüre oder entsprechende Anleitung. Für Schulklassen aus dem Nachbarland gibt es deshalb auch zwei ehrenamtliche Französisch sprechende Führer.

"Wir haben versucht, Aktions- und Erfahrungsräume zu kombinieren mit Informationsräumen - also: Vitrinendarstellung mit Erlebnismöglichkeiten."

Wir stehen in einem Raum voller Schul-Utensilien: Schwammdosen und Griffelkästen, die längst verschwundenen Schiefertafeln, Fibeln. Das alles ist jedoch vergleichsweise jung und hat sich erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht entwickelt.

Aber was die Schule vermitteln sollte und wer darüber zu bestimmen hatte, das führte zu heftigem Streit - zumal in der saarländischen Grenzregion.
Schon in der Antike lernten die Kinder der freien Bürger Lesen, Rechnen und Schreiben. Die Römer brachten das mit in die Gegend. Im Mittelalter sorgten dann vorrangig Klöster für die Wissensvermittlung bis sich das Schulwesen im 16. Jahrhundert durch Reformation und Humanismus breiter auffächerte. Aus dieser Zeit stammt auch ein besonders wertvoller Band aus den Beständen des Hauses, den mir Horst Schiffler zeigt:

"... einen Sammelband mit 7 Schulbüchern, könnte man sagen, die sich ein Humanist mit den Initialen PRC 1570 in einem Band zusammen hat binden lassen. Es sind zum Teil sehr kostbare Texte, ausgestattet mit Holzschnitten, um die Motivation der Schüler damit zu beflügeln. Aber auch oft Bilder, die didaktisch aufbereitet sind."

Die Schule hat sich zu allen Zeiten von den neuesten technischen Errungenschaften inspirieren lassen, hat mit Schulwandbildern und Schautafeln Anschaulichkeit hergestellt, später Projektionsverfahren eingesetzt.

"Wir haben einen der ältesten Projektoren, der wird noch mit Petroleum beleuchtet, aus den 90er-Jahren des 19.Jahrhunderts, dann viele Zwischenstufen und dann das Ende sozusagen, einen Computer mit modernem Lernspiel. Man sieht also 100 Jahre Mediengeschichte in der Schule, was für eine rasante Entwicklung. Es sind immer Kinder dabei, die sich dafür mehr interessieren als für die ausgestopften Vögel hier in dem Schulschrank."

Einzelne Wandtafeln verraten aber auch, dass es nicht nur um Anschaulichkeit ging: Selbst Märchenbilder von Schneewittchen dienten im Dritten Reich zur Vermittlung ideologischer Botschaften. Und sogar die Fingerfertigkeit junger Mädchen im Handarbeitsunterricht stand im Dienst des Vaterlandes.

"Schon im ersten Weltkrieg war das so: die Hilfe für die Soldaten im Feld. Man strickt Kniewärmer oder Kopfschützer, über oder unter dem Helm zu tragen, und das setzt sich im Zweiten Weltkrieg fort. Auch da haben wir entsprechende Anleitungen, die in den Schulen umgesetzt werden. Oder man arbeitet fürs Winterhilfswerk."

Mit "rechte Masche - linke Masche" schlug das Saarländische Schulmuseum in diesem Jahr ein besonderes Kapitel der Mädchenbildung auf, zeigte Schätze aus den Depots, die in der Dauerausstellung keinen Platz finden und blickte zurück auf Techniken, die längst nicht mehr gefragt sind.

Und auch der Zwergschulklassenraum im Erdgeschoss ermöglicht eine Zeitreise wie im Bilderbuch: mit Bullerofen, Rechen- und Lesetafeln, altem Lehrmittelzubehör. Dass so bis in die 60er-Jahre des 20.Jahrhunderts mehrere Klassenstufen in einem Raum unterrichtet wurden, ist kaum mehr vorstellbar. Die Aufgabe heute: den eigenen Namen in Sütterlin-Schrift schreiben.