100 Jahre Panzer

Der rollende Kampfkoloss

Von Laf Überland · 14.09.2016
Vor 100 Jahren tauchten auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs die ersten Panzer auf. Automobile waren eine zivile Erfindung, aber die Militärs nutzten diese Entwicklung schnell für ihre Zwecke.
Das ist kein Pferd. Da rückt nicht die Kavallerie an. Sondern ein Ungetüm, das wild um sich schießt, Stacheldrahtverhaue und Gebüsche plattwalzt. "Quälend langsam bewegt es sich", beschreibt ein kanadischer Lance-Corporal, "runter und wieder rauf kriecht es durch die Granattrichter, ein gruseliges, plumpes Monster, unbarmherzig bewegt es sich vorwärts." Auf die deutschen Linien zu. Die Deutschen, als sie die Silhouette erkennen, springen auf und rennen, als sei ein Gespenst hinter ihnen her, schreibt der Kanadier.
Fast zehn Meter lang, über vier Meter breit und 2,50 hoch: ein rollender Kampfkoloss wie aus einer anderen Welt: Die achtköpfige Besatzung bedient zwei Kanonen und neun Maschinengewehre.
Der Erfolg des Monstrums war zunächst rein psychologisch: der Schock. Denn sieben Tanks blieben schon im Trichtervorfeld stecken, drei hatten Motorpannen, zwei wurden durch deutsche Infanterie, durch Handgranaten, zerstört, fünf von der deutschen Artillerie abgeschossen, dreizehn kehrten zurück. Deshalb auch wurde die neue Kriegsmaschine von der Deutschen Heeresleitung nicht ernst genommen.

Revolutionäre Veränderungen

Die Zeit an der Wende zum 20. Jahrhundert war unglaublich erfinderisch: der Aufstieg in die Lüfte, die telegrafische Kommunikation zwischen den Kontinenten, das Gefährt ohne Pferd - Automobil, die ersten Rundfunkausstrahlungen: alles Staunen erregende, revolutionäre Veränderungen.
Und natürlich bedient sich dieses Erfindergeistes nicht zuletzt - das Militär. Funkt zur Front, transportiert die Soldaten mit der Eisenbahn, bombardiert die Städte aus der Luft – und schmiedet Geschütze, deren Granaten 120 Kilometer weit fliegen. Gleichzeitig werden Gefechte in den ersten Kriegsmonaten noch von der Kavallerie mit gezückten Säbeln geführt: aber die Industrialisierung des Krieges überholt die altmodischen Kampfmethoden.
Der kriegsbegeisterte Wissenschaftler Fritz Haber dient der deutschen Heeresleitung sein Chlorgas an, das zigtausende tötet – und den Wettlauf der Massenvernichtungswaffen anstößt.
Das Janusgesicht des technischen Fortschritts: Der Reißverschluss zum Beispiel schaffte das mühsame Gefummel und Gehakel mit Knöpfen und Ösen ab – als erstes an amerikanischen Kampfanzügen; oder: wegen der immensen Zahl von Verwundeten wurden im Krieg erstmals Blutbanken angelegt, wegweisend auch für die zivile Medizin; oder: aus der extrem aufnahmefähigen, neuartigen Zellwatte für das Blut wurden bei den Rot-Kreuz-Krankenschwestern durch schlichte Zweckentfremdung – die fortan übliche Damenbinden. Oder: die Blindenschrift. Louis Braille entwickelte sie nach dem Vorbild einer erfühlbaren Punktschrift der Militärs, um bei Nacht lautlos Befehle weitergeben zu können. Oder: Armbanduhren – bis dahin verpönt – dienten zunächst nicht dazu, pünktlich zum Zug zu kommen, sondern sie halfen dem Artillerieschützen, das exakte Timing zu überwachen, während er beide Hände an der Geschützsteuerung hatte.

Geld für militärische Innovationen

Wo Kriege geführt werden, fließt Geld für militärische Innovationen. Und eigentlich ist immer irgendwo Krieg, der technischen Fortschritt bedingt: Der Kalte Krieg hat das atomare Wettrüsten hervorgebracht. Und der Krieg gegen den Terror?
Er hat den Panzer nicht überflüssig gemacht, aber eher an den Rand des Geschehens gedrängt. Ein anderes Ungetüm sucht uns jetzt heim – in Krieg und Frieden: die Drohne. Gewissermaßen als Antwort auf 9/11, dem neuartigen Angriff aus der Luft. Mit der Killerdrohne im Krieg entwickelte sich schnell die Foto-Drohne, die der geile alte Mann über die Nackten am FKK-Strand fliegen lässt. Sich selbst organisierende Drohnen-Schwärme: das ist die neueste Erfindung, die das Pentagon im Juli gerade getestet hat.
Die Defense Advanced Research Projects Agency – die Entwicklungsabteilung des Pentagon, kurz DARPA – hat schon viele Soldaten mit neuer Technik – und viele Bürger mit schönen, neuen Geräten beglückt. Der Roboter ATLAS, den das Pentagon vor drei Jahren vorgestellt hat, kann sich aufrecht durch unwegsames Gelände kämpfen und Werkzeuge benutzen. – Ganz klasse: Dieser Roboter FÄLLT NICHT MEHR UM beim Arbeiten auf zwei Beinen! Derzeit sei er, so heißt es (nunja) nicht als Soldat, sondern als Katastrophenhelfer gedacht. Also kein kriegerisches Ungetüm, aber – er wird noch eins, bestimmt. Dafür werden die Militärs schon sorgen ...
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