100 Jahre Kreuzworträtsel

"Eine Entledigung mit sechs Buchstaben"

Ein Cus-Kreuzworträtsel im Magazin der "Süddeutschen Zeitung"
Ein CUS-Kreuzworträtsel im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" © Deutschlandradio / SZ-Magazin
Moderation: Britta Bürger · 20.12.2013
Vor hundert Jahren erschien das erste Kreuzworträtsel. Fast ein Vierteljahrhundert hat der Münchener Rätselerfinder CUS diese Geschichte mit geprägt. Hier verrät er das Geheimnis eines guten Rätsels.
Britta Bürger: Heute vor 100 Jahren erschien in der Weihnachtsbeilage der Zeitung "New York World" das erste Kreuzworträtsel. Auch eine Fundgrube für Kabarettisten. Das Kreuzworträtsel wird 100, und wir wollen darüber mit einem Mann sprechen, der auch schon 23 Jahre seines Lebens damit zubringt, Rätsel zu erfinden. Gerade heute ist wieder ein neues Kreuz mit den Worten im "Magazin" der "Süddeutschen Zeitung" erschienen.
Der Mann selbst bleibt auch ein Rätsel. Wir kennen weder seinen Namen noch seine Telefonnummer, nur sein Pseudonym, CUS. Somit haben diesmal nicht wir ihn, sondern er uns angerufen.

CUS, guten Tag in München!
CUS: Ja, guten Tag in Berlin!
Bürger: Haben Sie sich heute schon eine Frage ausgedacht?
CUS: Au ja, auf jeden Fall. Die Weihnachtsausgaben drängen und die Neujahrsausgabe, und das muss jetzt eben alles gemacht werden.
Bürger: Haben Sie noch Fragen auf Halde, oder denken Sie wirklich für jedes Rätsel, Woche für Woche, komplett neu?
CUS: Im Prinzip entsteht das Meiste komplett neu, aber es gibt natürlich so einige, die ich auf Halde lege und warte, bis dann mal der entsprechende Lösungsbegriff kommt. Ich gehe ja den umgekehrten Weg. Ich gehe von der Lösung aus und finde dann dazu die Frage. Und der Rätsler muss es ja dann wieder rückwärts auflösen.
Bürger: Ihre Rätsel, die gehören ja nicht zu den leichtesten, sollen aber doch möglichst viele Menschen erreichen. Wie gehen Sie da ran? Verschiedenste Themenspektren abzubilden - was für Kriterien legen Sie da an?
"Wie ein Kind"
CUS: Ach ja, das sind eigentlich frei fließende Gedanken. Man muss ein bisschen denken wie ein Kind vielleicht, also hochassoziativ, praktisch. Und aktuelle Themen kommen natürlich immer mal wieder dran, aber eher wenig. Und es ist auch nicht wichtig, dass man jetzt so einen riesigen Bildungshintergrund hat. Eher wichtig, dass man mit Worten spielt, ein bisschen die eingefahrenen Bahnen auch der Logik verlässt. Und manchmal, ja, manchmal eher wirklich wie ein Kind denkt.
Bürger: Wenn Sie sagen, Sie gehen vom Lösungswort aus - ich hab mal geguckt, die Auflösung im heute erschienenen "SZ-Magazin", die Auflösung von letzter Woche, das sind dann Wörter wie Stubenhocker, Parasiten, Rilke, Tabakladen, Tröte - wie kommt es dazu, dass ein Wort dann von Ihnen ausgewählt wird, zu dem Wort mache ich jetzt eine Frage.
CUS: Na ja, gut, man fängt halt sozusagen links oben mit einem langen Wort an, und dann ergeben sich daraus natürlich andere Wörter. Manchmal habe ich natürlich auch Wunschwörter, die muss ich dann einbauen. Wobei es dann ein bisschen schwieriger wird. Die anderen Wörter, es muss sich ja alles kreuzen, reinzupassen dann wieder. Aber im Allgemeinen ergibt sich, wenn man mal ein Wort drin stehen hat, ein längeres, ergibt sich der Rest dann schon relativ von selbst.
Bürger: Und die Ideen, sind die aus dem Alltag oder steckt dahinter auch wirklich richtig viel Recherche?
CUS: Wenig Recherche. Ab und zu schon mal, aber das meiste muss mir einfach so einfallen. Es sind auch keine Dinge, die man jetzt für die Löser umgekehrt leicht wieder rausfinden kann mit Google oder was. Nein, da muss einem wirklich die Idee kommen, was könnte das sein. Da hilft das Internet also nicht weiter. Das ist halt was sehr Menschliches dann.
Bürger: Ich das im Grunde ein großes Spiel mit Klischees?
CUS: Auch das, ja. Klischees kommen gerne vor, weil sie natürlich allen bekannt sind. Solche Dinge natürlich, Mann-Frau oder was auch immer, kommt gerne vor, da kriegt auch jeder sein Fett weg. Stimmt natürlich auch so nicht immer, aber es ist für Leute eben sozusagen gelerntes Wissen. Genauso wie, was im Märchen vorkommt, und so Dinge, wo ich davon ausgehen kann, dass es praktisch jeder weiß.
Bürger: Aber wahrscheinlich gehen Sie mit so einer Rätselverwertungsmaschine im Hinterkopf durchs Leben, oder? Was immer Ihnen begegnet, was Sie hören, wird aufgenommen.
CUS: Ja, ja, das wird aufgenommen. Das ist auch keine Arbeit für mich in dem Sinne, das macht mir Spaß. Und wenn ich in der U-Bahn sitze und da unterhalten sich zwei Leute, und da fällt mir auf, ach, das klingt ja interessant. Dann kann ich das, schreibe ich das gleich auf, und es ist dann sozusagen in meiner Datenbank, und irgendwann kann ich das dann einsetzen.
Bürger: Es sind ja gar nicht immer explizit Fragen, sondern eben mehr also Aufforderungen zum Querdenken. Was braucht eine gute Rätselaufgabe?
"Um die Ecke schneller zum Ziel"
CUS: Ja, sie muss natürlich idealerweise überraschend sein, sie muss mir selber auch als Löser aufzeigen, ach, da hab ich eigentlich jetzt zu sehr in eine Richtung gedacht. Also sozusagen, es zeigt mir auf, in wie viele Richtungen ich denken kann, und dass ich eben nicht immer nur geradeaus denke, weil oft kommt man auch halt um die Ecke schneller zum Ziel, als wenn ich mit dem Kopf durch die Wand will.
Bürger: Haben Sie ein Beispiel für eine Aufgabe, wo Sie sagen würden, die ist Ihnen richtig gut gelungen?
CUS: Oh ja, da gibt es einige. Natürlich nicht immer, das ist viel Handwerk, aber manchmal sind doch so kleine Geniestreiche drunter, wo ich dann selber schmunzeln muss drüber ...
Bürger: Erzählen Sie mal. Die müssen sich natürlich auch im Radio erschließen. Das ist ja noch mal anders, als wenn man sie liest.
CUS: Ja, also relativ einfach wäre zum Beispiel die übliche Form der Entledigung, ein Wort mit sechs Buchstaben. Na ja, die Heirat. Warum Entledigung? Ach so, ja, weil man nicht mehr ledig ist. Das ist also so ein Wortspiel. Das muss einem aber auch erst mal einfallen. Wenn man es jetzt so erklärt kriegt, ist es ja nicht schwer. Aber man muss es dann auch lösen, was natürlich auch nicht leicht ist, aber man hat ja oft schon ein, zwei, drei Buchstaben. Dann wird es natürlich schon bedeutend leichter.
Oder es kommen eben andere vor wie - ja, der "Reichstagsbrandt" ist mir mal eingefallen, aber mir dt hinten. Also Brandt wie Willy Brandt, Reichstags- … das war Ebert, der erste Präsident der Weimarer Republik. Es sind natürlich so ein paar Highlights, die einem ab und zu mal einfallen, und das freut mich dann selber auch, und hoffentlich die Löser ebenfalls.
Bürger: Weil Sie gerade den Brandt erwähnen: Sind Kreuzworträtsel eigentlich so etwas wie eine nationale Angelegenheit oder könnten Sie auch für Franzosen, für Polen, für Chinesen Kreuzworträtsel bauen?
CUS: Vom Inhalt sicher, aber nicht von den Wortspielen. Es erfordert ja höchste Wortkunst, das zu erfinden und dann es auch wieder aufzudröseln für die Leser. Ich könnte es nicht auf Englisch machen. Ich spreche zwar sehr gut Englisch, könnte eventuell noch solche Rätsel auf Englisch lösen, würde aber auch schon manchen Dreh gar nicht mitbekommen.
Manche so Nebenbedeutungen oder manche Dinge, die man als Kind lernt, die man aber eben nicht im Englischunterricht lernen würde. Und das sind so Dinge, die lassen sich einfach nicht übersetzen in andere Sprachen.
Bürger: Haben Sie eigentlich irgendwann einfach die Seiten gewechselt? Waren Sie selbst ein Knobler, der dann zum Erfinder wurde?
"Es macht mir durchaus Spaß"
CUS: Ja, eher wenig. Ich erinnere mich, als Studenten haben wir oft, manchmal in Gruppen auch andere Kreuzworträtsel gelöst. Und es hat schon Spaß gemacht, aber alleine hingesetzt, da hatte ich dann zu wenig Geduld. Und irgendwann habe ich dann einfach - so, jetzt reicht es mir, jetzt wechsele ich mal die Seiten. Und es hat sich herausgestellt, dass ich das offenbar ganz gut kann. Und nun mache ich es ja schon eine Weile, seit über 1.200 Heften.
Und am Anfang dachte ich auch, die ersten Jahre, das war noch so meine Naivität, dachte mir, irgendwann müssen einem ja die Einfälle ausgehen. Tun sie aber nicht, sondern es macht mir durchaus Spaß, wenn ich da mal wieder ganz was Neues rauskitzeln kann. Die Lösungswörter wiederholen sich ja sehr häufig. Da kommen ja immer die Klassiker vor: die Ehe und der Ire und so weiter. Was halt immer gern vorkommt in Kreuzworträtseln.

Es muss aber eben jedes Mal eine andere Umschreibung her. Und das ist natürlich für mich auch so ein bisschen ein sportlicher Ehrgeiz da jedes Mal, dass mir da was Neues einfällt dazu.
Bürger: Tüfteln Sie das eigentlich auf Karo-Papier aus oder am Computer?
CUS: Ich mache es am Computer. Ach so, das Gitter, die Vorlage - na ja, das macht man noch per Hand, den größten Teil. Viele so große Kreuzworträtselverlage machen das per Computer, die spucken das aus. Entsprechend sind dann die Lösungswörter nicht sehr unterschiedlich ...
Bürger: Es ist ja eigentlich eine Erfindung der Zeitung, und in der Zeitung auch geblieben seit hundert Jahren.
CUS: Ja, richtig. Es ist so, man kann es natürlich theoretisch am Bildschirm auch machen, aber es macht dann nicht wirklich den Spaß. Und es ist eigentlich ein reines Papierformat, und man muss es dann auch schriftlich vor sich sehen, darum ist es ein bisschen schwierig mit den Lösungsbegriffen im Radio, aber diese ganzen Wortspiele, wenn man die mal schriftlich vor sich hat. Es ist ein Papiermedium geblieben, ja.
Bürger: Geben Sie unseren Hörern noch eine Rätselaufgabe mit auf den Weg in den Tag?
CUS: Oh ja. Zum Beispiel ein Wort mit acht Buchstaben. Ging jetzt gerade wieder dieser Tage durch die Nachrichten. Obwohl es ein sehr häufig vorkommendes Wort ist. Ein Bonsai-Holzhaufen.
Bürger: Bonsai-Holzhaufen. Wenn wir unser Gespräch beenden, dann sagen Sie mir die Lösung, wenn ich das selber vielleicht nicht rauskriege, und dann lösen wir das noch im Rahmen dieser Stunde auf. Vor hundert Jahren erschien in einer New Yorker Zeitung das erste Kreuzworträtsel.

Fast ein Vierteljahrhundert hat der Münchener Rätselerfinder CUS diese Geschichte mit geprägt. Gerade heute ist wieder ein neues Kreuz mit den Worten von ihm im "SZ-Magazin" erschienen. CUS, besten Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.