100 Jahre Göttinger Händelfestspiele

Renaissance für einen Barock-Helden

61:24 Minuten
Undatiertes Porträt von Georg Friedrich Händel im Civico Museo Bibliografico Musicale Bologna, das den Komponisten mit der typischen, langen Lockenperrücke der Zeit und dunkelblauer Samtjacke zeigt.
Genialer Genuss- und Opernmensch: Georg Friedrich Händel © imago images / Leemage
Moderation: Bernhard Schrammek, Gast: Intendant Tobias Wolff · 15.08.2020
1920 wurde in Göttingen erstmals eine Händel-Oper auf die Bühne gebracht. Das war eine Entdeckung fürs Publikum und löste eine Renaissance aus. Was machen seine Werke aus? Wie hat sich das Festival entwickelt? Diese Fragen beantwortet unser Gast.
Das Jubiläum zur 100-Jahrfeier der Göttinger Händelfestspiele musste in diesem Jahr ganz anders umgesetzt werden als geplant. Teil davon sind die vielen Onlineangebote, wie das digitale Ausstellungsprojekt oder das Onlinestellen etlicher Händel-Opern als vollständige Videostreams.

Aus rechtlichen Gründen können wir in der nachhörbaren Fassung die Musikbeispiele nicht vollständig anbieten.

Der Beginn der deutschen Händel-Renaissance

1920 ist in Göttingen erstmals eine Händel-Oper auf die Bühne gebracht worden, "Rodelinda". Diese Aufführung wurde der Anstoß für eine intensive Neubetrachtung seiner Werke in Deutschland, insbesondere der Opern, die nach dem Tod des Komponisten schnell in Vergessenheit gerieten - im Gegensatz zu seinen Oratorien oder festlichen Orchesterwerken.
Zu Gast ist der scheidende geschäftsführende Intendant Tobias Wolff, der dieses Amt seit 2011 innehatte. Zuvor war er als Musikjournalist, Dramaturg, Marketingleiter und Verwaltungsdirektor an verschiedenen Theatern und Festivals tätig. Für ihn strahlt die Musik Händels eine besondere Kraft aus.
Ein Mann in Geschäftskleidung und Brille steht vor einer grünen Hecke und lächelt.
Tobias Wolff wollte im Jubiläumsjahr alle 42 Opern Händels auf die Bühne bringen.© Tobias Wolff / Dorothea Heise
"Ich glaube, Händel versteht es wie kaum ein anderer, wirklich menschliche Gefühle auszudrücken. Und das in einer Einfachheit, die zu Herzen geht. Er braucht da gar nicht viel, es ist oft eine einfache Melodie, man denke nur an die Arie 'Lascia ch'io pianga'. Das sind sehr simple Schritte, keine komplizierten Dinge, und er schafft es dennoch, eine Gefühlswelt aufzumachen, das finde ich faszinierend. Und das schafft er mit jeder Oper. Er schafft es, Charaktere zu zeichnen mit Musik und Atmosphäre. Da ist er mir sehr ans Herz gewachsen."
Er würde, erzählt Wolff, ihm gern einmal begegnen, denn Händel sei ein großer Genussmensch gewesen - das erzählten die überlieferten Weinbestellungen. Und er war ein genialer Organisator, der immer zu wirtschaften verstand.

100 Jahre Händelfestspiele

Für das Jubiläum hätten Wolff und sein Team eine wahnwitzige Idee umgesetzt: alle 42 Opern in einem Jahrgang auf der Bühne. Das wäre ein immenses Programm für die eingeladenen Künstler und das FestspielOrchester Göttingen gewesen.
Ein Orchester steht mit alten Instrumenten in einem leeren historischen Raum mit Säulen und gepflegtem Parkett.
Das Göttinger FestspielOrchester im Jahr 2017.© Göttinger Festspielorchester / Frank Stefan Kimmel
Das Orchester war eine der Antriebsfedern für das Entstehen der Festspiele. Der Universitätsbund in Göttingen und das Orchester hatten 1917 die Idee entwickelt, dem Publikum etwas Außergewöhnliches zu bieten. Händel war damals vor allem durch Oratorien wie "Messiah" bekannt. Man wollte nun etwas ganz anderes vorstellen und wählte dafür die Oper "Rodelina" aus, die damals Oskar Hagen und seine Frau Thyra Hagen-Leisner für die Bühne einrichteten. Die Gründung eines Festivals stand erst einmal nicht im Vordergrund.

Festivalgründung

1920 kam es dann zur Realisierung mit Thyra Hagen-Leisner in der Titelpartie. Dabei wurde die Inszenierung ganz modern und in deutscher Sprache konzipiert. Die Entwürfe zum Bühnenbau und Fotos der Inszenierung sind erhalten. Folgende Projekte wurden schnell gefunden - die Festivalidee geboren.
Sängerinnen und Sänger, sowie Dirigenten, die das Festival lange begleiteten und noch begleiten, werden an diesem Abend zu hören sein. Die älteste authentische Aufnahme stammt aus dem Jahr 1928.
Ebenso wird Tobias Wolff über die Entwicklung des Festivals sprechen, das gerade in den 1930-er Jahren Verschiebungen in der Leitungsebene erfahren musste. Dann kam die Annäherung an die Alte-Musik-Bewegung und der Aufbruch Richtung internationaler Aufmerksamkeit mit dem jungen Dirigenten John Eliot Gardiner.
Georg Friedrich Händel
Auszüge aus "Admeto", "Agrippina", "Saul", "Judas Maccabaeus" u.a.

FestspielOrchester Göttingen
Leitung: Nicolas McGegan, John Eliot Gardiner, Laurence Cummings u.a.

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