100 Jahre Büstenhalter

"Viele tragen zu kleine BHs"

Eine Frau bindet sich den Büsternhalter zu
Praktisch und gut: 100 Jahre Büstenhalter © dpa / picture alliance / Laurent Hamels
Sabine Eichstedt im Gespräch mit Gabi Wuttke  · 12.02.2014
Seit 100 Jahren bringt der Büstenhalter die weibliche Brust in die passende Form. Aber so richtig dann doch nicht: Viele sollten "sich mal einer umfassenden Beratung" unterziehen, sagt Mode-Expertin Sabine Eichsted.
Gabi Wuttke: Ohne Männerhosenträger oder Gürtel, stattdessen mit ein paar Bändern und zwei Taschentüchern – so revolutionierte die Amerikanerin Mary Phelps Jacob heute vor 100 Jahren den Alltag von Frauen, als sie ihr Patent für den BH anmeldete. Sabine Eichstedt von der "Brigitte" ist jetzt am Telefon. Einen schönen guten Morgen, Frau Eichstedt.
Sabine Eichstedt: Guten Morgen!
Wuttke: Mal ganz unorthodox gefragt: Wenn Mieder gar so schrecklich sind, wieso sind sie dann in 100 Jahren nie ganz aus der Mode gekommen?
Eichstedt: Ich würde sagen, das Ziel bleibt ja dasselbe: man wünscht sich immer noch die perfekte "Sanduhr-Silhouette". Und zum Glück hat das Mieder ja mittlerweile keine Fischbeinstäbe oder Holzstäbe mehr, was ja damals der Grund war, dass Mary Phelps Jacob ihr Korsett bearbeitet hat und den Büstenhalter erfunden hat.
Wuttke: Mieder ist inzwischen was, womit Mann durchaus – man, so ein Blödsinn - natürlich Frau durchaus durchatmen kann. – Aber die Langversion, die war doch ausgesprochen schick für die Taille.
Eichstedt: Ja, führte aber eigentlich auch zu vielen Problemen – man denke an Atemnot und Organquetschungen und Ohnmachtsanfälle. Ich würde sagen, alles was heute mit Miedern versehen ist, ist dann doch wesentlich angenehmer zu tragen und nimmt auch Rücksicht auf die körperlichen oder physiologischen Bedingungen.
Wuttke: Aber trotzdem: es bedarf eines extra Stücks, um die Taille ein bisschen zu formen, wenn wir sie denn formen wollen. Es ist nicht das Gelbe vom Ei erfunden worden mit dem BH, oder können wir schon sagen, ja, wir müssen zumindest nicht mehr die Zipfelmützen der 50er-Jahre tragen, sondern haben es inzwischen dank der Weiterentwicklung von Stoffen doch durchaus sehr viel bequemer?
Alles, um ein schönes Dekolleté zu formen
Eichstedt: Ja, in der Tat. Alles was es gibt, um einen schönen BH oder ein schönes Dekolleté zu formen, gibt es ja inzwischen. Für die Taille gibt es inzwischen Shapewear. Damit ist ja Sara Blakely berühmt und zu den reichsten Amerikanerinnen geworden. Für die Taille an sich gibt es nach wie vor die Miederhöschen oder die Höschen, die sogar bis unter die Brust reichen.
Wuttke: Bequem ist was anderes?
Eichstedt: Ja! Promis beschweren sich ja auch, zuletzt Barbara Schöneberger im "Stern".
Wuttke: Was hat sie da gesagt?
Eichstedt: Die hat sich geärgert über die Aussage eines Journalisten, der sie fälschlicherweise bezichtigt hat, ein Schlauchkleid ohne entsprechende Unterwäsche getragen zu haben, und sie hatte aber wohl die entsprechende Shapewear darunter und war darüber natürlich dann verärgert.
Wuttke: Da geben wir dann mal diesen Einwurf an den Fabrikanten weiter, fragen uns aber, was mit Firmen wäre, die keine tragbaren Stoffe für Unterwäsche, im Speziellen für BHs liefern. Ist das inzwischen wirklich das Ausschlaggebende, warum Frauen diese Firma und nicht jene Firma kaufen, oder zwängen wir uns doch ganz gerne mal in etwas, was unbequemer ist?
Eichstedt: Ich denke, es kommt immer darauf an, welchen Effekt man erzielen will, und ich glaube, man lebt immer noch nach dem Motto, "Schönheit muss leiden“ oder "wer schön sein will, muss leiden“. Aber ich denke, es gibt auf jeden Fall sehr gute Hersteller, die mit hochwertigen Materialien auch tolle formende Wäsche herstellen. Dafür muss man dann einfach tiefer in die Tasche greifen.
Wuttke: Hautfarben, das war mal Standard. Heute ist bunt mit oder ohne Spitze eigentlich das Normale. BHs können viel farbenfroher sein als Badeanzüge und Bikinis, die ja tatsächlich auch nach außen hin getragen werden. Wie groß ist denn Ihrer Einschätzung nach als erfahrene Moderedakteurin der autoerotische Faktor eines BHs?
Der Griff zu erotischer Unterwäsche
Eichstedt: Ich denke, mittlerweile geht es mehr darum, seine eigene Laune oder Lust auszuleben, je nachdem wie man sich fühlt. Wenn man sich sexy fühlt und auch sexy herüberkommen will, dann greift man wahrscheinlich zu erotischerer Unterwäsche, weil man dann einfach in diesem Selbstbewusstsein lebt, ich habe drunter was total Schönes an. Das muss gar nicht nur dem Mann gefallen, oder es muss ja auch kein Mann sehen, aber allein zu wissen, was man drunter trägt, hat ja vielleicht auch so was Geheimnisvolles an sich, und das strahlt man dann wahrscheinlich auch aus.
Wuttke: Wenn wir könnten, Frau Eichstedt, würden wir uns dann auch noch in 100 Jahren über den 200. Geburtstag des BHs unterhalten, weil es ihn immer noch gibt? Ist er zu verbessern?
Eichstedt: Es wird ja ständig daran gearbeitet, ihn zu verbessern, und was eigentlich noch immer schade ist, dass viele Frauen gar nicht wissen, welche Größe ihnen überhaupt perfekt passt.
Wuttke: Tatsächlich?
Eichstedt: Ja. Viele tragen zu kleine BHs oder die falschen Körbchen und im Grunde müsste man sich mal einer umfassenden Beratung im Wäschegeschäft unterziehen, um dann herauszufinden, dass es sehr wohl BHs gibt, die einem sehr gut passen und auch überhaupt nicht stören. Das ist wahrscheinlich das, was wir in den nächsten 100 Jahren noch lernen müssen, weil es wird stetig an Innovationen gebastelt und es gibt mittlerweile wirklich tolle Passformen und gut sitzende BHs, die überhaupt nicht pieksen oder stechen oder einen einzwängen.
Wuttke: Der Tipp von "Brigitte“-Moderedakteurin Sabine Eichstedt: Gehen Sie mal ins Fachgeschäft und lassen Sie sich beraten - heute am 100. Geburtstag des Büstenhalters. Frau Eichstedt, besten Dank, machen Sie sich schön!
Eichstedt: Gern geschehen! Bis bald!
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