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Von Alexa Hennings |
Am Tag, an dem man zum ersten Mal mit D-Mark bezahlte, bildeten sich keine Schlangen vor dem Dorfkonsum in Stralendorf. Bedächtig bis ängstlich wendeten die Mecklenburger die neuen Taler im Portemonnaie. Mit dem staatlich gestützten Preisgefüge und dem 50-Pfennig-Brot kam die ganze kleine Welt und das Verhältnis der Ansässigen zum Geld ins Rutschen: Der Dorfkonsum ist jetzt ein Döner-Imbiss und für Brot kann man heute 3.50 Euro ausgeben. Macht sieben Mark. West.
De Maiziere: "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ich wende mich heute, am Vorabend des Inkrafttretens des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik direkt an Sie weil wir alle gemeinsam morgen, am ersten Juli, einen großen, einen entscheidenden Schritt in Richtung Einheit gehen . Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion schafft ganz wesentliche Voraussetzungen für die Verwirklichung der deutschen Einheit. Sie ist die Brücke für die Vereinigung beider deutscher Staaten."

Dies ist der Klang des Westgeldes. Metallisch, laut, hart. Schon sein entschlossenes Klackern beim Umkippen verrät: Ich habe Gewicht. Und damit Wert. Wenn man eine DDR-Mark irgendwohin legte, gab das fast gar kein Geräusch. Da muss man schon genau hinhören.

Nahezu tonlos klimperten die leichten Aluminium- Chips beim Bezahlen. Am Portemonnaie hatten wir DDR-Bürger nicht zu schleppen. Das Format der Geldscheine war ressourcensparend gestaltet, das Design berücksichtigte Arbeiter, Bauern, Künstler und Intellektuelle gleichermaßen.

Möller: "DDR, äh - zuerst war ein Mähdrescher drauf. Es gab ja auch so’nen Jargon, Käthe Kollwitz war drauf, die war das wert. Der wurde dann speziell gefaltet, dieser Fünfmark-Schein. So alt sieht sie denn aus, wenn nachher der Trabi kommt - das war so ein Witz mit dem Schein. Karl Marx war 100 wert, Goethe war auf dem Zehner drauf. Wer auf dem 20er drauf war, müsste ich nachgucken. Ich hab sie noch da. Hab’ ich aufgehoben. "

Hat aber der größere Sohn an sich genommen, weshalb wir uns jetzt nicht von der Richtigkeit aller Angaben überzeugen können. Ich für meinen Teil glaube, Clara Zetkin auf dem Fünfmark-Schein gesehen zu haben. Damals. Aber wer weiß.

Poschmann: "Guck mal, das ist von 1977, dieses Zweimarkstück. Das ist 1953, dieser Pfennig. Da ist noch dieser Hammer, Zirkel und die Ähren. Ich hab’ gedacht: Marion, das musst du einfach festhalten. Das kommt nie wieder. Und auch in so kurzer Zeit! Guck mal, dass wir die DDR-Mark verloren haben, die D-Mark bekommen haben und jetzt den Euro. In so kurzer Zeit! Was sind im Laufe der Geschichte zehn Jahre! Das kam von innen. Ich hab’ gedacht: Hebst einfach auf. "

Der die Scheine gesammelt hat ist Johannes Möller-Titel, damals Bauleiter bei der LPG in Stralendorf, einem Ort in der Nähe von Schwerin. Die mit dem Kleingeld ist Marion Poschmann. Sie arbeitete, als das Westgeld nach Stralendorf kam, im Bezirksersatzteillager, das in ihrem Dorf mehrere große Hallen belegt hatte. Viele der damals 800 Stralendorfer hatten Arbeit in ihrem Dorf: In der LPG und im Obstbaubetrieb, im Kreisbetrieb für Landwirtschaftstechnik, in Schule, Krippe oder Kindergarten, in der Gaststätte und im Dorfkonsum. Allein dort arbeiteten elf Frauen. Wer jetzt an einen Tante-Emma-Laden denkt, liegt falsch. Hannelore Jeising weiß es besser. Sie hat schließlich im Dorfkonsum gearbeitet. Als stellvertretende Leiterin.

Jeising: "Von Kühlschränken über Teppiche und Haushaltsgeräte und Lebensmittel, Wurst und Fleisch und Kuchen und alles. Gab’s alles. Das war immer richtig spannend. Wenn die Frauen dann abends von der LPG von der Arbeit kamen, dann habe ich denen schon immer gesagt: Das und das habe ich - Mensch, und das war dann alles ruckzuck wieder weg! "

Die Zeiten, als alles ruckzuck wieder weg war, ob Bettwäsche oder Teppich, Schnellkochtopf oder Nudossi, neigte sich im Sommer 1990 dem Ende zu. Es war die Zeit, als viele dachten: Bald ist unser Geld nichts mehr wert, geben wir es jetzt aus! Die modebewussten Stralendorferinnen brachten ihr Erspartes im Exquisit-Laden in Schwerin durch, manche kauften rasch noch einen Fernseher der Marke "Color" für 6000 Mark . Wahnsinn, fand LPG-Bauleiter Johannes Möller-Titel und investierte lieber in handgreifliche Objekte: Zahnbürsten, Spatenstiele, Zement und Schalbretter.

Möller: "Also ein Spatenstiel kostete zu DDR-Zeiten 80 Pfennige. Ich habe also 60 Spatenstiele gekauft für 80 Pfenninge bis 1.20, je nachdem, wie der Griff oben war. Und wenn ich bedenke, das heute so’n Ding 5 Euro kostet, da weiß, ich, dass ich eine gute Sache gemacht habe. Ich habe auch noch vier Stück stehen. Erst hat meine Verwandtschaft richtig gelacht, erst gelächelt, nachher gelacht, Aber alle haben sich brav Spatenstiele geholt, nachdem sie gesehen haben, was es dann kostete. "

Wie beim Umgraben im Garten kamen ganz neue, unbekannte Schichten hoch, als es hieß: Es gibt bald Westgeld. Im normalen Leben beispielsweise wäre Johannes nie eingefallen, riesengroße Mengen profaner, täglich verfügbarer Waren anzuraffen. Aber in dieser Ausnahmesituation, in diesem Sommer 1990 tat er es eben. Da wurde er plötzlich zum Kaufmann, der er nie gewesen war.

Möller: "Ich selber habe einen ganzen Container Klopapier gekauft. Weil, als mein Cousin nach dem Westen ging, der ist legal ausgereist, und der erste Brief kam, da schrieb der : Ob du’s glaubst oder nicht, das Schlimmste ist, dass ich mein Klopapier jetzt mit Westgeld zahlen muß! Und als mir das bewusst wurde habe ich - nicht das kratzige rote, nein, nein, das gute braune, was damals 20 Pfennige kostete, einen Container aufgekauft. Die Rolle für drei Pfennig, weil ja alles nichts mehr wert war. "

Nachdem die letzten Ost-Pfennige, die nur so sanft und aluminiumhaft klimperten, ausgegeben waren, rollte am Montag, dem 2.Juli 1990, das Westgeld an. Ein großer Geldtransport war nicht nötig, um den Stralendorfer Konsum damit auszustatten. Eine kleine Schatulle mit dem harten Wechselgeld reichte vorerst - denn Schlangen bildeten sich keine. Eher im Gegenteil. Der Laden blieb komischwerweise fast leer.

Jeising: "Zuerst hat jeder sein Westgeld festgehalten. Und hat gedacht: Mensch, du kannst doch nicht vom Westgeld leben! Du kannst doch nicht deine Lebensmittel davon kaufen! Westgeld war ja immer so ein Heiligtum. Wenn einer von seinen Verwandten zehn D-Mark oder was weiß ich wie viel bekommen hatte und dann im Intershop einkaufen konnte - und jetzt auf einmal sollst du alles bestreiten? Das war schon ‘ne Umstellung. "

Möller: "Ich weiß noch, dass ich in der ersten Zeit meine Brieftasche nicht mehr in der hinteren Gesäßtasche getragen habe, sondern um den Hals im Beutel, als ich das Westgeld hatte. Das weiß ich noch. Das habe ich mindestens ein dreiviertel Jahr gemacht, weil ich einfach ein bissel ängstlich mit dem Westgeld war. Früher ist man auch schnell mal in ‘ne Gaststätte rein oder hat sich ‘ne Bockwurst gekauft. Das hat man nach der Wende überhaupt nicht gemacht, paar Jahre nicht. Dass man sich am Imbiss was geleistet hat. Und dann ist es erst wieder gekommen langsam. "

Schlechte Zeiten für die Dorfkneipe von Stralendorf, die neben dem Konsum an der Dorfstraße lag ,zusehends verwaiste und bald dicht machte. Das Bier für 49 Pfennige - Ost - war Geschichte. Eine Mark zwanzig West sollte man plötzlich für das Warsteiner bezahlen. So etwas konnte man nur boykottieren. Und: Man bekam zum ersten Mal das Gefühl sich etwas, das früher ganz selbstverständlich war, nicht mehr leisten zu können. Die Verkäuferin Hannelore Jeising erinnert sich noch genau an den Blick in die erste Lohntüte mit der D-Mark.

Jeising: "Die Löhne sind ja erst nach und nach erst ein bisschen angestiegen. Vorher hatte ich so 700 DDR-Mark, denn nachher 350 bloß noch gehabt- das war auch ein ganz schöner Schock. "

Ein Schock waren auch die Brotpreise. Das staatlich gestützte 53-Pfennig-Schwarzbrot oder das 93-Pfenning-Feinbrot Brot kostete plötzlich das Dreifache im Dorfkonsum. Die Stralendorfer wußten sich zu helfen.

Möller: "Die erste Zeit hat man sich oft ein altes Brot gekauft, weil es den halben Preis hatte. Und ich weiß noch, die Bäckerei in Schwerin-Lankow hatte da extra einen Laden, und da konnte man das Brot und die Brötchen vom Vortag für den halben Preis kaufen. Und das haben viele gemacht, wirklich sehr viele gemacht. "

Not macht erfinderisch, im Kleinen wie im Großen. Und so guckten die Stralendorfer den Lübeckern jenseits der Grenze bald ab, wie man sich in puncto Geld so verhält. Das Wort Profit kannten die Bauern aus Johannes’ Brigade nur aus dem fernen Staatsbürgerkundeunterricht, aber wie man jetzt möglichst viel im Kurs 1:1 , der pro Person begrenzt war, tauschen konnte, das hatten sie bald raus.

Johannes: "Da wurde wirklich sehr, sehr viel hin- und hergeschoben, auch bei vielen Freunden, Bekannten. Einige haben sich nachher auch verzankt, weil sie es vergessen hatten, zurückzugeben. Auch da sind mir zwei Fälle bekannt. Der eine hatte 6000 Mark bekommen, weil er nicht einen Pfennig auf der Naht hatte. Und hat die dann getauscht, also automatisch getauscht, und als er sie zurückgeben sollte sagt er: Nö, die hest mir ja gäben, wat soll ik dir die wedder gäben? Un hat die behollen und utgäben, hat sich ‘n Fernseher köfft und all so Saken. Das hat der andere nicht wieder gekriegt das Geld. Aber prozessieren wollte er auch nicht, da hat er auch Schiss gehabt, dass es nach hinten losging, weil er ja gar nicht hätte tauschen dürfen eins zu eins. Und er wollte ja nun auch sozusagen das an der Sache vorbeiwirtschaften. Na, der hat auch seinen Meister gefunden! "

In diesen Monaten war es, genau im Juni 1990, als die ersten freien Kommunalwahlen in Stralendorf stattfanden. Der LPG-Bauleiter war Mitglied des Neuen Forums - man erinnert sich, das waren die, die mit Kerzen in der Hand - auch in Schwerin - die Wende einleiteten. Der stämmige Mecklenburger Pastorssohn mit dem struppigen Vollbart, den er noch heute trägt, gewann damals die Wahl und wurde Stralendorfs erster frei gewählter Bürgermeister.. Als er die ersten Tage in seiner Amtsstube saß, klopfte eine ältere Dame an die Tür, die mit dem Ausfüllen der Formulare für den Geldumtausch nicht zurande kam.

Möller: "Sei käm an und seggt: Sei möten mi mal helpen, Herr Bürgermeister, die Kinner sind nich da un dat Konto wird umstellt und de Enkelkinner haben ok keen Tied. Ick segg: Möten Sei mi mal all de Saken bringen un dann könn wi dat maken, dann fülln wi dat in. Nee, seggt sei, ik hab so’n span’sches Konto tu Hus. Ik segg: Oh, da heb ik ok keine Ahnung, ik ruf mal bei der Bank an. Dann habe ich bei der Staatsbank angerufen, die auch: keine Ahnung, aber bringen Sie mal die Unterlagen. Ik segg: komm sei mal klock Ein tu mi in Büro, klock twei möten wi bi de Bank sin, und denn moken wi dat allens klor. Oma kam an, geschniegelt und gebügelt, mit Rüschenbluse und Krückstock. Vom Allerfeinsten. So, seggt sei, ik heb allens mitbröcht, nu setten sich mal dal und kieken allens an. Ik segg: Mensch, dat is doch ein Spargiro-Konto! Na, heb ik doch seggt, ‘ span’sches Konto! Die von der Bank haben sich auch köstlich amüsiert wie Bolle über das spanische Konto, das dann ein Spargirokonto war! "

Trecker kommen heute nur noch selten die Dorfstraße entlang. Die LPG, in der Johannes arbeitet, gibt es nicht mehr. Den ehrenamtlichen Bürgermeister-Posten hatte er vier Jahre, dann kam die PDS und jetzt regiert im Dorf die CDU. Johannes sitzt inzwischen als Parteiloser für die Bauernpartei im Kreistag des Landkreises Ludwigslust, seine Brötchen verdient er als Mitarbeiter des Bauamtes in Stralendorf. Er hatte Glück.
Denn mit dem Westgeld kam auch die damals noch ganz unbekannte Arbeitslosigkeit nach Stralendorf. Das ganze sorgsam ge-, ver- und überplante DDR-Gefüge kam ins Rutschen. Dinge wie das "Bezirksersatzteillager", in dem Marion Poschmann, Mutter von zwei Kindern, damals als Lageristin arbeitete, waren plötzlich überflüssig wie ein Kropf.

Poschmann: "Lagerwirtschaft ist unrentabel. Das gab es ja nicht in den alten Bundesländern. Und da sind wir 1990 in Kurzarbeit gegangen, null Stunden, also, wir waren zu Hause. Dann nachher hat das ja ein Däne übernommen, die Hallen, als Möbelladen. Da habe ich auch eine zeitlang gearbeitet. Der ist nachher auch in Konkurs gegangen. Wir haben keinen Lohn bekommen. Das waren so meine ersten Erfahrungen. Das hat man sich gar nicht vorstellen können: Der zahlt einfach kein Geld! Und du arbeitest hier acht Stunden und länger? Und der verdünnisiert sich einfach und lässt hier alles stehen und liegen? Dass es solche Menschen überhaupt gibt! Denen ist es egal, was mit den Arbeitnehmern passiert, und da hängen ja auch Familien dran. So ‘ne Rücksichtslosigkeit, das sind richtige Ganoven! "

Im Stralendorfer Dorfkonsum ging es nicht gleich so rabiat zu. Alle Verkäuferinnen durften weiter arbeiten - vorerst. Der Laden wurde bunter und voller, Kaufentscheidungen waren plötzlich gefragt. Der Stralendorfer musste sich erst freischwimmen im neuen, bunten westlichen Warenozean, der nach Einführung der D-Mark zunächst in großen Joghurt-Wellen in den Konsum schwappte.

Poschmann: "Die Leute waren so verrückt auf diesen Joghurt, dass schon Bestellungen aufgenommen wurden. Dann hat man den immer zugeteilt gekriegt. Man kochte keinen Pudding mehr, man hat dann einfach Joghurt gegessen. Das war eine Entdeckung! Hmmm, das hat gut geschmeckt! "

Erprobte Mütter und Hausfrauen vergaßen plötzlich das Kochen und Backen, weil es ja so viel Fix-und Fertiges gab. Tadellos verschweißt, farbenfroh verpackt. Traurig und grau verstaubten die Ostprodukte im Konsumregal.

Jeising: "Wir hatten dann mehr oder weniger so ‘nen Ausverkauf gehabt an DDR-Lebensmitteln. Und sie haben überwiegend erstmal die neuen Sachen ausprobiert und haben gesagt: Das andere taugt nix, das andere ist alles besser. Selbst bei Nougatcreme und Marmelade, da ging die von Rokoma überhaupt nicht mehr. "

Kind: "Ich gucke immer so eine Reklame - singt - Kaffee, das Aroma, die Idee, Kaffee, Kaffee... "

Poschmann: "Da hat man nicht gewusst, was da eigentlich noch mit dran hängt. Man hat nur sich gesehen. Und kauft den Zucker aus dem Westen anstatt Kristallzucker aus Güstrow. Das Auge kauft ja mit. Diese Verpackung, man war geblendet. Dieses Bunte, und dann ist es manchmal zwei-, dreimal eingepackt gewesen! Und unseres war ganz einfach und schlicht. Aber es war im Endeffekt auch das drin, was in den anderen Zuckertüten war. Das ist dieser Konsumrausch, dem wir verfallen sind damals. Und jetzt - man verändert sich ja - kaufe ich viel bewusster ein. Ich kaufe jetzt Ostprodukte ein. Und da hängen ja auch wieder Arbeitsplätze dranne. Da denk’ ich dran. "

Vom Wirtschaftswunder, das die D-Mark nach Stralendorf brachte, ist schnell berichtet. Sämtliche größere Betriebe gibt es nicht mehr. Kleinere Gewerbe haben sich angesiedelt. Der Konsum ging 1991 pleite. Die ehemalige Verkaufstellenleiterin übernahm ihn privat und musste 1998 Konkurs anmelden. Die Stralendorfer kauften lieber auf den größeren Märkten ein, die auf der grünen Wiese entstanden sind. In solch einem Markt arbeitete Hannelore Jeising seit 1992 . Als jedoch im vergangenen Jahr in der Nachbarschaft zwei neue Supermärkte eröffneten, ging auch ihr großer, aber nun schon leicht veralteter Markt pleite, und Frau Jeising sitzt nun arbeitslos im schmuck renovierten Häuschen.

Die Einwohnerzahl von Stralendorf hat sich inzwischen fast verdoppelt, eine Siedlung wie aus dem Katalog entstand, denn im nahegelegenen Schwerin hat man entdeckt, dass es sich hier gut wohnen lässt. Die Schule ist deshalb schon fast überfüllt, und weil das so ist, ist auch der "Urfa-Grill" gut besucht.

Imbiss-Frau: "Die Kinder haben mehr Geld wie wir. Ich gehe davon aus, was ich hier sehe. Die zahlen mit 50-Euro-Scheinen. Kleine Kinder. Ehrlich. Der Unterschied ist sehr groß hier. Manche haben gar nix und die anderen alles. Das ist nicht schön, Nee. "

Die Imbiss-Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte, trägt ein gelbes T-Shirt. Auf dem Rücken prangt die Aufschrift: Döner macht schöner. Vor zweieinhalb Jahren zog der Dönerladen in einen Teil des ehemaligen Dorfkonsums ein.

Imbiss-Frau: "Man muss es probieren heutzutage. Da kann man nicht mehr unbedingt nach dem Standort gehen. Ich denke mal, solange man noch alles bezahlen kann, geht das. Reich wird man heutzutage nicht mehr dabei. "

Atmo Kasse: "...tippt...kommt noch was dazu? Nein. 11 600 Euro! ...Geld klimpern... "

Das Komma ist verrutscht beim Preis. Die Vorahnung des nächsten Wirtschaftswunders?

"...Ja, manche lächeln, manche machen huch. Spaß muss sein, Das Leben ist so schon viel zu ernst... "

"...zehn Stück? ..Kasse...zwei Euro bitte... "

Neben dem Döner-Imbiss, im anderen Teil des ehemaligen Dorfkonsums, kauft eine Frau gerade im Blumenladen Brötchen. Zehn Stück für zwei Euro. Simone Lorenz legt den Rosenstrauß aus der Hand und kassiert erst einmal die Brötchen.

Lorenz: "Ich sag mal, Blumen ist das letzte, was die Leute sich jetzt noch gönnen. Früher haben sie sich alle zwei Wochen mal zum Wochenende einen Strauß geholt. Selbst für die Vase, wer keinen Garten hatte. Aber heute? Ist nicht mehr. Selten. Vielleicht mal eine Rose und ein bisschen Grün. Selbst zum Verschenken überlegen sie ja schon: Ach, wir haben noch ein paar Gartenblumen. Ach, wir haben noch was stehen und das Geschenk, das wir haben, war teuer genug. - Lachen - Ja. Sie lachen, aber ist so! "

Und weil es so ist, hat die Floristin eben auch einen Back- und einen Kaffeeautomaten neben den Rosen stehen, einen Mini-Postschalter, einen Zeitungsstand und einen Lebensmittel-Notdienst mit Zucker-Salz-Gummibärchen-Sortiment. Und die Blumenfrau sagt den gleichen Satz wie die Imbiss-Frau.

Lorenz: "Man wird nicht reich. Ich habe auch zwei Leute, die ich beschäftige, stundenweise. Das ist auch viel wert. Weil, ich bin ja sonst kein Mensch mehr. Wir fangen morgens um sechs an zu backen, und abends um sechs, halb sieben kommst nach Haus. Und jedes Wochenende. Mit Kind und Familie und altes Haus, was wir denn noch umbauen - lacht - Reporterin: Sie machen trotzdem noch einen fröhlichen Eindruck! - Ja, das täuscht. Äußerlich, ja - lacht. Innerlich bin ich anders. Manchmal sitze ich auch zu Haus in der Ecke und heul’ - lacht, seufzt - ja. "

De Maiziere: "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! "

Marion Poschmann - die mit dem Kleingeld - arbeitet jetzt als Altenpflegerin und hat nebenbei ihren Gemüsegarten wieder in Schwung gebracht. Hilft alles sparen, sagt sie. Sie kocht wieder Marmelade und weckt ein - wie früher, in ihrem DDR-Leben.

Poschmann: "Wir müssen alle zurückfahren. Wo soll das hin? Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Ich denke, man muss sich auf das Alte und das Natürliche besinnen, das ist ganz wichtig. "

De Maiziere: " Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion - "

Poschmann: "Die Familie ist wichtiger. Dass man zusammenhält. Auch mal grillt und so. Und das machen wir auch. "

De Maiziere: " - ist die Brücke für die Vereinigung beider deutscher Staaten. "