Zwischen Traum und Wirklichkeit

Von Noemi Schneider · 27.12.2011
Ein "kultureller Leuchtturm" in den Palästinensergebieten sollte es werden: Das Cinema Jenin. Mit großem Idealismus hatte der Regisseur Marcus Vetter das alte Kino der Stadt im Westjordanland wieder aufbauen lassen, doch es wird kaum angenommen. Darüber hat Vetter einen Film gedreht, der demnächst Premiere im Cinema Jenin feiern soll.
Der deutsche Filmemacher Marcus Vetter hat einen Traum. Er will ein ehemaliges Kino, eine Ruine wieder zum Leben erwecken. Das Kino steht in Jenin, dem UN-Flüchtlingslager, der ehemaligen Terrorhochburg der Al Aqsa-Brigarden, mitten im vom Israel besetzten Westjordanland. Dschenin ist eine Hochsicherheitszone, für Israelis ist der Zutritt strengstens verboten.

Marcus Vetter dreht dort im Sommer 2008 einen Film und entdeckt die verfallene Kinoruine. Als er erfährt, dass dort einst Filme aus aller Welt gezeigt wurden und die Bewohner Jenins Männer und Frauen gemeinsam in Kino gingen, findet er seine Mission.

Mithilfe seines Arabisch-Übersetzers Fakhri Hamad und Ismael Khatib beginnt Vetter das Projekt Cinema Jenin. Er will Gelder akquirieren, das Kino renovieren und wieder eröffnen. Er findet Unterstützer in der palästinensischen Autonomiebehörde und auch die deutsche Regierung zeigt sich interessiert, allein die Menschen vor Ort sind gespalten. Wozu brauchen sie ein Kino?

Dass sie ein Theater brauchten, hat der israelisch-arabische Schauspieler und Theatermacher Juliano Mer-Khamis bewiesen. Seine Mutter Arna, eine Jüdin, hatte diese Vision und gründete 1987 das Freedom Theater, in dem sie sich unermüdlich darum bemühte, die Kinder Jenins von der Straße zu holen und aus ihnen Schauspieler zu machen statt Selbstmordattentäter.

Vetter will ihnen nun noch ihr Kino zurückbringen. Der Weg ist hart und steinig, denn die Besitzer der Ruine wollen, wenn dann auch etwas verdienen. Und die konservativen Muslime sehen in dem Filmtheater eine Gefahr für Sitte und Anstand. Vetter überwindet viele Hürden, er gründet einen Verein, richtet ein Gästehaus ein und holt freiwillige Helfer aus Deutschland ins Westjordanland, die mit Feuereifer an das Kino-Projekt herangehen.

Selbst Roger Waters von Pink Floyd besucht das Flüchtlingslager, macht Fotos und spendet eine Tonausstattung. Am 5. August 2010 wird das Kino eröffnet. Der palästinensische Ministerpräsident Salam Fajad schreitet über den roten Teppich. Festredner und die internationale Presse feiern das Projekt. Ein Abend voller großer Erwartungen und Hoffnungen. Marcus Vetter will das Schicksal des Kinos nun in die Hände der Bewohner Jenins legen.

Hier endet der Film, doch das Leben geht weiter.

Im April 2011 wird Juliano Mer-Khamis von einem Unbekannten vor seinem Theater erschossen. Die freiwilligen Helfer haben Dschenin nach und nach aus Sicherheitsgründen verlassen, Fakhri Hamad studiert mittlerweile in Deutschland, ein regelmäßiges Filmprogramm gibt es schon lange nicht mehr. Der Traum ist aus?
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