Zum Rücktritt von Tomas Zierhofer-Kin

"Am Ende tat er einem leid"

Tomas Zierhofer-Kin
Tomas Zierhofer-Kin © dpa / Helmut Fohringer
Von Martin Thomas Pesl  · 23.06.2018
Der Intendanten der Wiener Festwochen, Tomas Zierhofer-Kin, muss gehen. Schon wieder ein Intendant, der mit seinem Ansatz, das Theater ganz neu denken zu wollen, gescheitert ist? Das fragt sich der Theaterkritiker Martin Thomas Pesl.
Am Ende tat er einem fast leid. Noch drei Jahre hätte Tomas Zierhofer-Kins Vertrag als Intendant der Wiener Festwochen laufen sollen. Dass er nur einen Tag nach der Festivalausgabe 2018 zurücktreten musste, kam wahrscheinlich auch für ihn überraschend. Immerhin hatte er sich doch der massiven Kritik an seinem Neustart umgehend gebeugt und dieses Jahr ein braveres, zugänglicheres Programm gefahren, das nun aber vielen zu beliebig vorkam.
Mit der erfolgreichen Neuausrichtung des "Donaufestivals" für Musik und Performance in der Kleinstadt Krems hatte sich Zierhofer-Kin einen guten Ruf erarbeitet. Der Kulturstadtrat – das Wiener Pendant zum Berliner Kultursenator – ernannte ihn daher zum Intendanten der Wiener Festwochen ab 2017. Unter seinen Vorgängern galten die Festwochen als Sprech- und Musiktheaterereignis, das internationale Gastspiele und Koproduktionen mit großen Namen bot. Wiens bürgerliches Publikum strömte herbei und zahlte viel Geld, dennoch herrschte nie eine elitäre Grundstimmung wie etwa bei den Salzburger Festspielen.

Theater interessiere ihn nicht

Mit Zierhofer-Kins Leitung hörte das schlagartig auf. Der Intendant stellte in seinem ersten Jahr ein kunstloses Programm zusammen, das er mit aufgeblasenen Kuratorenphrasen zu vermitteln versuchte. In Interviews erklärte Zierhofer-Kin großspurig, Theater interessiere ihn nicht. Die traditionelle Zusammenarbeit mit Wiener Institutionen wie dem Musikverein oder dem Burgtheater kündigte er auf. Zu seiner Rechtfertigung brachte er vor, er sei schließlich geholt worden, um ein neues Publikum für die Festwochen zu gewinnen. Dass er hauptsächlich das alte vergraulte, erzeugte hingegen eher Verunsicherung.
In Wirklichkeit ist das aber kein Kampf zwischen Alt und Neu - es geht vielmehr um Professionalität. Vom überschaubaren Donaufestival kommend, war Zierhofer-Kin mit dem hochsubventionierten Hauptstadt-Prestigefestival überfordert. Die Dinge, die er wortreich als neu auswies – zum Beispiel die Zusammenführung von Musik-, Sprechtheater und Performance und die Öffnung zur bildenden Kunst -, sie sind heutzutage eine Selbstverständlichkeit.

Wer wird die eierlegende Wollmilchsau sein?

Spätestens hier drängt sich natürlich ein Vergleich mit dem Volksbühnen-Kurzzeitintendanten Chris Dercon auf, der ebenfalls verfrüht aufgeben musste. Beide schienen viel überzeugter von dem, was sie nicht mehr wollten, als von der Richtung, in die es nun gehen sollte. In Wien wie Berlin war es also der Anspruch einer neuen Kulturpolitik, die offenkundigen Personalfehler der alten zu korrigieren. Im Falle der Festwochen geschah das bemerkenswert schnell: Die neue Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler ist erst seit fünf Wochen im Amt. Kaum war das Festival vorbei, suchte sie mit Zierhofer-Kin das Gespräch. Pikantes Detail am Rande: Die Quereinsteigerin Kaup-Hasler war bis 2017 Leiterin des Festivals Steirischer Herbst in Graz. Sie hatte sich seinerzeit selbst auf den Job beworben, aus dem sie Zierhofer-Kin jetzt gefeuert hat – "einvernehmlich" natürlich.
Ein konservativer Backlash, wie er nach der Nichtverlängerung Matthias Lilienthals an den Münchner Kammerspielen befürchtet wird, ist hier allerdings nicht zu erwarten. Dafür weiß Kaup-Hasler selbst zu genau, was spannende, zeitgenössische Kunst ist. Sehr wahrscheinlich hat die gut vernetzte Kulturmanagerin schon jemanden in der Hinterhand, der oder die das Festival neu aufstellen kann und auch bereit ist, die von Zierhofer-Kin getroffenen Vereinbarungen für die nächsten Jahre zu übernehmen. Denn mit dieser kurzen Vorbereitungszeit lässt sich kaum jenes eierlegende Wollmilchfestival kuratieren, das Publikum und Kritik in Wien erwarten. Wenn das aber nicht schnell gelingt, wäre es womöglich besser gewesen, den grundsätzlich lernwilligen Zierhofer-Kin einfach noch ein bisschen weitermachen zu lassen.
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