Zum Internationalen Tag der Umwelt

Was ist der Wert der Natur?

Ein Mann läuft am 09.05.2017 bei Lich (Hessen) den Lutherweg 1521 entlang, der hier durch einen lichten Wald führt.
Der deutsche Wald: Was uns ist sein Erhalt wert? © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Moderation: Matthias Hanselmann · 03.06.2017
Am 5. Juni ist der "Internationale Tag der Umwelt". Er ruft dazu auf, die Natur zu schützen. Aber was ist der Wert der Natur? Darüber diskutieren wir mit Prof. Bernd Hansjürgens, Professor für Volkswirtschaftslehre und Umweltökonomik, und der Autorin Barbara Unmüßig.
Am 5. Juni ist der "Internationale Tag der Umwelt". Er soll darauf aufmerksam machen, dass vor allem wir Menschen selbst die Vielfalt und Stabilität der Umwelt bedrohen. Und er ruft dazu auf, die Natur zu schützen, ihren Wert zu erkennen. Aber was ist der Wert der Natur?
"Wir retten das, was für uns einen Wert hat; und die Wertschätzung für die Natur fehlt. Deshalb bleibt sie bei Entscheidungen außen vor", sagt Prof. Bernd Hansjürgens, Professor für Volkswirtschaftslehre und Umweltökonomik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er leitet das Forschungsprojekt "Naturkapital Deutschland - TEEB DE". Damit wird versucht, die Leistungen der Natur für den Menschen in Relation mit deren Nutzung oder auch Schädigung zu setzen. Also auszurechnen, was es zum Beispiel kostet, wenn Moore trockengelegt werden, um Biogasanlagen zu errichten.
"Moorböden sind riesige CO2-Speicher; allein in Mecklenburg-Vorpommern sind die Emissionen aus trockengelegten Moorböden höher als die Emissionen von Industrie und Verkehr zusammen. Etwa fünf bis sieben Prozent der CO2-Belastung in Deutschland kommt aus trockengelegten Moorböden. Wir machen einen Riesenverlust, wir machen etwas Falsches!", meint er.

Skepsis gegenüber der Ökonomisierung der Natur

Für diese ökonomische Sicht auf die Natur wird der Leiter des Departments Ökonomie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig auch kritisiert. Sein Argument gegen diese Kritik: "Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft der Industriestaaten hören sich zwar immer scheinbar aufmerksam an, wenn Umwelt- und Naturschützer mahnen, flammende Appelle aussenden und sich den Mund fusselig reden. Ich sage nicht, dass das nichts bringt. Ich glaube nur, es bringt nicht viel, und ich bin sehr sicher, es bringt nicht genug."
"Ich habe große Skepsis gegenüber dieser Ökonomisierung der Natur vor allem beim Biodiversitätsschutz", sagt Barbara Unmüßig, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung und Ko-Autorin des Buchs "Kritik der Grünen Ökonomie". "Ich definiere Natur als Biodiversität, als Ökosysteme, die interaktiv Naturprozesse gestalten. Und für mich sind diese Ökosysteme in ihrer Einmaligkeit schützenswert. Was wir mit der Ökonomisierung von Natur machen wollen, ist, Natur vor allem als Bereitstellerin von Ökosystem-Dienstleistungen in den Mittelpunkt zu stellen und Natur als Naturkapital zu betrachten." Damit sei der Vermarktung der Natur Tür und Tor geöffnet.

Politischer Wille und Engagement von allen ist gefragt

Ihre Kritik: "Was im Naturschutzbereich und in der Biodiversitätspolitik passiert, ist die Ökonomisierung der Natur zu einer Antwort auf den Schwund der Artenvielfalt zu machen. Wir fangen an, statt das Wirtschaftssystem umzugestalten, damit wir in den planetarischen Grenzen bleiben, letztlich die Wirtschaft zur Antwort zu machen."
Ihr Appell: "Ich denke, wir haben andere Mittel und Methoden: Wenn wir etwas als schützenswert betrachten, warum schützen wir es dann nicht? Da braucht es den politischen Willen und das Engagement von uns allen! Funktionen, wie Rekreation und Spiritualität, die wir mit der Natur verbinden, sind nicht errechenbar und nicht ökonomisierbar."
Natur als Kapital? Der Wert der Umwelt - darüber spricht Matthias Hanselmann von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Barbara Unmüßig und Bernd Hansjürgens. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.
Literaturhinweis:
Barbara Unmüßig, Lili Fuhr, Thomas Fatheuer: "Kritik der Grünen Ökonomie", oekom Verlag, 2015
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