Zombies

Atlanta, die Hauptstadt der Untoten

Eine Frau hat sich als Zombie verkleidet.
Werbung für die US-Serie "The Walking Dead": Eine Frau hat sich als Zombie verkleidet. © TIM SLOAN / AFP
Von Hendrik Efert |
Seit 2010 wird die erfolgreiche Zombie-Serie "The Walking Dead" in Atlanta gedreht. Bereits vorher gab es dort eine aktive Horror-Independent-Szene, die Region ist der perfekte Ort, um postapokalyptische Filmprojekte zu verwirklichen. Das klingt gut, dahinter steht jedoch eine beunruhigende Entwicklung.
"In Senoia werden seit über 30 Jahren Filme gedreht, zum Beispiel Grüne Tomaten oder Miss Daisy und ihr Chauffeur. Aber The Walking Dead und die Zombies haben erst richtig Leben hierher gebracht."
Carrie Cottrill steht stolz in ihrem Zombie-Laden "The Woodbury Shoppe". Die geschäftstüchtige Südstaatlerin ist so etwas wie die Sprecherin des Aufschwungs in dem kleinen Städtchen Senoia, im Speckgürtel von Atlanta. Seit 2010 wird unter anderem hier der Welterfolg "The Walking Dead" gedreht. Die Main Street von Senoia wirkt wie gemalt – oder wie man es eben aus Filmen wie "Grüne Tomaten" kennt: rechts und links die typischen Häuserreihen dieser Region mit Restaurants und Antiquitätenhändlern, im Hintergrund ein Wasserturm.
"Von Atlanta aus bist du in 20 Minuten hier und kannst dir das echte Woodbury anschauen, es ist wie am Filmset."
Woodbury, so heißt die Stadt in der Serie – ab Staffel 3 errichten einige Überlebende ein Fort um sich vor den Zombieattacken zu schützen und um hinter Stacheldraht und Holzmauern ein einigermaßen alltägliches Stadtleben zu führen - während draußen die Zombieapokalypse wütet. Seitdem Woodbury beziehungsweise Senoia in der Serie auftauchte, platzt die Stadt vor Touristen aus allen Nähten.
"Vor 'The Walking Dead' war die Hauptstraße nur ein Drittel so lang mit sieben Geschäften, nach fünf Staffeln gibt es hier 47 Geschäfte und es gibt eine Warteliste für neue."
Der Guide spielt selbst hin und wieder einen Zombie
Hier in Senoia beginnt auch Michaels Big Zombie Tour Atlanta. Der Guide spielt auch selbst hin und wieder einen Zombie in der Serie. Doch jetzt fährt er mit einer Busladung Zombieverrückter durch die Gegend in und um seine Heimatstadt. Es gibt eine Menge zu sehen: "The Walking Dead" hat die Region als Hotspot für Zombiefans aus aller Welt etabliert. Doch Atlanta war bereits zuvor der Geheimtipp für Horror und Untotes: Zombieland, Vampire Diaries, Drop Dead Diva oder Teen Wolf. Der Staat Georgia lockt Filmproduktionen mit lukrativen Steuererleichterungen.
Außerdem gehört der Landstrich zum sogenannten Bible Belt, ist tief religiös - die Ehrfurcht vor Unerklärlichem ist hier Teil der lokalen Tradition. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum sich gerade hier Horror- und postapokalyptische Produktionen so wohlfühlen:
"An jeder Ecke findet man hier Orte, die von vornherein schon ziemlich creepy und post-apokalyptisch aussehen. Weil sie die kaum präparieren müssen, nutzen sie die für Zombieproduktion natürlich gerne."
Gekommen ist das durch die ganz reale Apokalypse von 1996: Als die olympischen Spiele in Atlanta stattfinden sollte im Vorfeld Raum geschaffen und Plätze saniert werden. Dazu wurde der gesamte Betrieb der Sozialbauten in Atlanta eingestellt.
"Das ist interaktives Theater"
Menschen flogen aus ihren Häusern, ganze Blocks wurden eingerissen, manchmal allerdings auch nur zur Hälfte - Bruchbuden blieben. Bis heute: Überall sind verwüstete Brachflächen, leerstehende, verfallene Häuser. Ihre Bewohner sind nie zurückgekehrt. Ein soziales wie stadtplanerisches Desaster. Und ein Geschenk für jedes postapokalyptische Filmprojekt. Die Region ist eine riesige preisgünstige Kulisse für Horrorproduktionen.
"Das hier ist mein Special-Effects-Studio und gleichzeitig machen wir hier auch die Atlanta Zombie Apocalypse. Wir nennen das nicht mehr Spukhaus oder so. Das ist interaktives Theater. In den meisten Spukhäusern erschrecken dich irgendwelche doofen Draculas. Das hier ist wie ein Film aufgebaut."
Jedes Jahr zu Halloween öffnet Special-Effects-Artist Shane Morton seine Atlanta Zombie Apocalypse. Hier lassen sich Horrorfans von Horden von Zombiedarstellern durch die Gänge einer riesigen ehemaligen Militäranlage jagen. Leute kommen aus der ganzen Welt, um sich hier bei Shane für 25 Dollar den Schreck fürs Leben zu holen. Herzinfarkte hätte er hier schon gehabt, sagt er, aber gestorben sei noch niemand. Dass nun alle nur noch vom Kassenschlager "The Walking Dead" reden, ist ihm etwas suspekt.
"Sie alle kommen hierher und produzieren Monster"
Eine Soap Opera sei diese Serie, so sagt er, die keine tiefere Message liefere. Für die Produktion benötigt man immer wieder eine Menge Special-Effects-Künstler aus der Region – die in den Szenen auftretenden Zombiemassen werden von denen dann im Fließbandverfahren geschminkt. Doch Shane macht da nicht mit. Er arbeitet eher für die vielen kleineren Independentproduktionen oder dreht gleich seine eigenen Horrorstreifen in den Brachen der Stadt oder den tiefen Wäldern des Bundestaates Georgia.
Die Bedeutung von Atlanta im Horror- und Zombiefach wird in nächster Zeit noch wachsen, so ist sich Shane sicher. Die weltweit steigenden Quoten von "The Walking Dead" und die steigende Zahl an Touristen in Senoia und in Michaels Zombie Tour sprechen dafür. Aber auch die kleinen Sachen florieren hier: Filmfestivals, Independent-Produktionen, Horrorshows:
"Da geht also eine Menge in Atlanta. Für all die Freaks und Verrückten ist das hier die große Stadt. Sie alle kommen hierher und produzieren Monster."