Wowereit-Nachfolge

Späte Gerechtigkeit für Michael Müller

Er hat das Vertrauen der Parteibasis: SPD-Politiker Michael Müller
Er hat das Vertrauen der Parteibasis: SPD-Politiker Michael Müller © dpa, picture alliance, Wolfgang Kumm
Von Günter Hellmich |
Die Berliner SPD-Basis hat Michael Müller zum Nachfolger von Klaus Wowereit gekürt. Damit gehen die Pläne seines Vorgängers auf. Müller fehlt zwar der Glamourfaktor - für die Hauptstadt ist er trotzdem die beste Wahl.
Das hatte Charme – und gibt allen Politikern Trost, die von karrieregeilen Parteifreunden aus der Bahn gemobbt werden. Es lohnt sich also doch, das Vertrauen auf ein Machtwort der Basis. Und deshalb wird es genau so kommen, wie es sich Klaus Wowereit mal ursprünglich gedacht hatte: Bausenator Michael Müller, der ihm als SPD-Fraktions- und Parteichef jahrelang den Rücken freigehalten hatte, wird sein Nachfolger werden.
Bis Ende August sah das noch ganz anders aus. Die jetzt grandios gescheiterten Kandidaten Stöß und Saleh – beides Nachwuchskräfte in den Dreißigern – hatten Müller 2012 gemeinschaftlich aufs innerparteiliche Abstellgleis geschoben.
Mittels Kampfkandidatur von Jan Stöß wurde Müller damals der Landesvorsitz abgenommen, Raed Saleh half die nötige Mehrheit zu organisieren. Und das obwohl Wowereit Kronprinz Michael ja extra in die Landesregierung geholt hatte. Nicht nur als Senator, sondern auch als Bürgermeister und Stellvertreter, zum Üben gewissermaßen. An der Ausschaltung Müllers zeigte sich, die Autorität Wowereits war schon zerbröselt. Ein klassischer Diadochenkampf. Wie nicht anders zu erwarten, ging nach Müllers Niederlage der nicht ganz intrigenfreie Konkurrenzkampf zwischen Fraktionschef Saleh und Parteichef Stöß erst richtig los.
Rücktritt zum richtigen Zeitpunkt
Dann aber mit seiner Rücktrittserklärung konnte Wowereit das Heft wieder in die Hand nehmen. Überraschung! Strategisch geschickt war nicht nur die Wahl des Zeitpunkts zum Ende der Sommerpause ohne jeden äußeren Anlass, sondern auch die damit verbundene Ankündigung eines Mitgliederentscheids. Nachdem Stöß und Saleh, wie erwartet sofort "hier" geschrien hatten meldete nach Bedenkzeit der längst abgeschriebene Müller die Kandidatur an. Richtig gedacht: Wenn alle beitragzahlenden Parteibuchbesitzer votieren dürfen, sehen die Mehrheitsverhältnisse nämlich anders aus, als wenn die Funktionäre auf einem Parteitag abstimmen.
Das heutige Ergebnis brachte den Beweis: Mit einer bemerkenswerten Beteiligung von 64 Prozent machten die gewöhnlichen Genossen unter Einsatz einer Briefmarke klar, dass sie ersten mitentscheiden wollen und zweitens weder ihren Parteichef noch ihren Fraktionsvorsitzenden an der Spitze der Landesregierung sehen wollen.
Aber ist Müller denn nun auch der richtige Mann fürs Berliner Rathaus? Von den dreien, die jetzt in Frage kamen, ist er mit Sicherheit die beste Wahl. Mit dem Charisma von Willy Brandt und der Chuzpe von Klaus Wowereit wird er nicht konkurrieren können und das auch nicht wollen. Die Zeiten vor Ernst Reuter sind eh vorbei. Immerhin ist er ein grundsolider Arbeiter, der wie Wowereit keine Probleme hat, sich mit dem sprichwörtlichen Mann auf der Straße zu unterhalten. Er kennt sich auch aus im Geflecht der Berliner Parteien, mit der sehr speziellen Situation, dass die SPD mit der CDU regiert, obwohl links eine breite Mehrheit existiert. Allerdings verteilt auf drei weitere Parteien.
Regierender Bürgermeister auf Probe
In knapp zwei Jahren dann wird gewählt. Mit Sicherheit sieht es im Berliner Landesparlament danach anders aus. Aber wie? Müller wird gewissermaßen Regierender Bürgermeister auf Probe. Und das ist auch gut so. Er wird unter Beweis stellen müssen, dass er sich um die Probleme der Stadt wirklich kümmert. Was die meisten Berliner Wowereit ja in letzter Zeit nicht mehr zugetraut haben.
Das Wichtigste: Stöß und Saleh, die mit vielen Versprechungen angetreten waren, hätten nach Amtsantritt sofort wieder in den Wahlkampfmodus geschaltet. Das aber kann die Hauptstadt überhaupt nicht brauchen.
Die entscheidende Frage bei Michael Müller ist nicht die nach seinem Glamourfaktor, sondern die nach seiner Durchsetzungskraft. Was aber auch eine Frage an die Solidarität der unterlegenen Genossen ist.
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