"Wir müssen den Leuten sagen, dass es die Energiewende nicht umsonst gibt"

Stephan Kohler im Gespräch mit Marcus Pindur · 02.04.2012
Wegen der steigenden Spritpreise jetzt die Pendlerpauschale zu erhöhen sei der falsche Weg, meint der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Energieagentur (dena), Stephan Kohler. Viel konsequenter sei die effiziente Nutzung der Energie, um so den Verbrauch zu reduzieren.
Marcus Pindur: Die Energiekosten steigen und die Politik ist einer der Hauptkostentreiber. In der vergangenen Woche gab es im Bundesrat eine Beratung, die viele verwundert: Die Bundesländer wollen nämlich die Tankstellen verpflichten, nur noch einmal am Tag die Preise erhöhen zu dürfen. Ein Placebo, reine Showpolitik, sagen Experten.

In Österreich hat dieses Modell nachweislich nichts gebracht, und im Übrigen: Mehr als zwei Drittel des Benzinpreises ist von der Politik selbst gemacht. Von einem Liter Benzin geht ungefähr 1,30 Euro als Steuer in die Staatskasse. Heuchelei also, wenn Politiker auf die Mineralölkonzerne mit dem Finger zeigen?

Der Verbraucher ist da einigermaßen hilflos. Ich begrüße jetzt Stephan Kohler, er ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energieagentur, guten Morgen, Herr Kohler!

Stephan Kohler: Guten Morgen, hallo!

Pindur: Bleiben wir kurz bei den Benzinpreisen. Das treibt viele Leute um derzeit an der Zapfsäule. DIHK-Chef Driftmann, FDP-Chef Rösler, auch Karl-Josef Laumann von der CDU, sie alle schlagen vor, man möge doch die Pendlerpauschale jetzt erhöhen. Würden Sie sich dem anschließen?

Kohler: Nein, ich denke, das ist der falsche Weg, dass wir jetzt wieder anfangen, Pendlerpauschale zu erhöhen, darüber zu diskutieren, wie der Staat dann den Leuten helfen kann, die Auto fahren müssen. Ich würde einen ganz anderen Weg viel konsequenter gehen, und zwar, Energie effizient zu nutzen. Also wir ... Sehen Sie sich mal an, welche Autos heute noch gekauft werden, es werden großvolumige Autos gekauft.

Wir müssen viel mehr absolut den Energieverbrauch reduziert, auch im Mobilitätsbereich, und das heißt, effiziente Fahrzeuge, umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel, aber auch alternative Kraftstoffe nutzen wie zum Beispiel Erdgas, Erdgas mit Biogas ... Also, Sie haben Möglichkeiten heute, nicht diesen hohen Energiekosten ausgeliefert zu sein, sondern Sie können reagieren.

Pindur: Man kann reagieren durchaus, das kann der Verbraucher aber nur alle paar Jahre einmal, wenn er sich ein Auto anschafft, und ansonsten ist er an der Zapfsäule ziemlich hilflos. Angesichts dessen, was der Staat kassiert an der Zapfsäule und ... kann man da nicht sagen, müssen wir den Bürger auch mal an einer Stelle steuerlich entlasten?

Kohler: Ja, aber dann würde ich vorschlagen, dass dann der Staat die steuerliche Belastung ... weil zum Beispiel, die Mehrwertsteuer ist ja prozentual, wird ja aufgeschlagen, also es sind ja prozentuale Steuern, die der Staat vom Benzinpreis abhebt. Das wird dann Festbeträge, dass der Staat Festbeträge einführt für die Steuer und immer nicht, wenn die Ölkonzerne den Benzinpreis erhöht, praktisch prozentual immer mehr mitverdienen. Also sprich, man kann auch so reagieren, dass man die Steuer dann mit Festsätzen belegt, und dann steigt nicht der Benzinpreis insgesamt.

Pindur: Die Energiepreise steigen allenthalben, ja nicht nur an der Tankstelle. Die Energierechnung eines Vierpersonenhaushaltes, die ist seit 2007 um 35 Prozent gestiegen, das ist deutlich über der Inflationsrate, seit dem Jahr 2000 sogar um 85 Prozent. Wer sind denn hier die Preistreiber?

Kohler: Also, wir haben natürlich im Gesamtsystem Kosten. Auf der einen Seite sind es die Ölpreise, auf der anderen Seite führen wir ja auch die Energiewende durch. Also, wir investieren zum Beispiel in neue Stromnetze, wir investieren in den Ausbau von regenerativen Energiequellen, was auch den Strompreis erhöht.

Aber ich finde, das sind Zukunftsinvestitionen, die wir heute tätigen. Dadurch wird zwar der Strompreis höher, aber langfristig machen wir uns dann eben von fossilen Energieträgern und nuklearen Energieträgern unabhängig. Und das ist eine Zukunftsinvestition, wo wir heute anfangs investieren müssen, ja.

Pindur: Langfristig sind wir aber alle tot, wie der Ökonom John Maynard Keynes mal sagte. Kurzfristig müssen die Verbraucher die Energieförderung erst mal, die erneuerbaren Energien erst mal bezahlen. Wälzt die Politik nicht einfach da Kosten ab auf den Verbraucher, anstatt zu sagen, das finanzieren wir ehrlicherweise über Steuern?

Kohler: Also, ich denke schon, dass die Energiewende eine sinnvolle Investition ist. Und wenn ich sage, langfristig, dann meine ich nicht über die nächsten 40, 50 Jahre, wo sich das erst lohnt, sondern wir haben das Erneuerbare-Energie-Gesetz, wo ja ungefähr heute 3,5 Eurocent der Privathaushalt bezahlen muss für den Ausbau der regenerativen Energiequellen.

Diese, wenn die Anfangsinvestition getätigt ist, dann werden wir nach dem Jahr 2020, also acht Jahre, wo ich glaube, wo viele Leute noch erleben werden, werden wir auch wieder eine Kostenreduktion mit erleben, weil eben die Anfangsinvestitionen getätigt sind, finanziert sind. Und ich denke schon, auch da, ganz klar, und ich denke, das ist die Basis von der Energiewende. Wir müssen Energie effizient einsetzen.

Also, auch wenn der Kilowattstundenpreis steigt, hat jeder Verbraucher auch die Möglichkeit - und das nicht nur alle paar Jahre, sondern auch durch Verbrauchsverhalten, durch Kleinigkeiten ... Das klingt jetzt lächerlich, aber Licht ausmachen, Stand-by-Verluste vermeiden ... Also, es gibt vielfältige Möglichkeiten, auch in diesem Bereich zu reagieren und die Energiekosten absolut stabil zu halten, auch wenn der Kilowattstundenpreis steigt.

Pindur: Die Energiewende wird nun mal teuer, das wird dann immer gerechtfertigt mit dem höheren Ziel, man will unabhängig werden von den fossilen Brennstoffen. Hat die Politik denn den Verbrauchern da reinen Wein eingeschenkt? Denn man konnte doch wissen, dass die Energiewende auch teuer wird!

Kohler: Also, es gibt natürlich immer noch Politiker, die behaupten, dass die Energiewende nichts kosten würde. Das ist falsch. Aber es gibt auch viele, die darauf hinweisen, dass die Energiewende Geld kostet. Und ich stimme dem zu: Wenn wir - und das müssen wir einfach auch mit bedenken -, wir beklagen uns immer und sind immer ganz erschrocken, wenn zum Beispiel im Golf von Mexiko große Ölkatastrophen auftreten, die auch Milliarden kosten. Das ersetzen wir alles, auch das verhindern wir alles, wenn wir stärker regenerative Energiequellen einsetzen.

Und diese Kosten müssen wir praktisch mitrechnen, die Kosten, die wir heute gar nicht bezahlen oder indirekt natürlich dann durch den Ölpreis, weil die Ölkonzerne das ja nicht aus eigener Tasche zahlen. Aber da ist schon der richtige Weg. Aber wir müssen den Leuten sagen, dass es die Energiewende nicht umsonst gibt.

Pindur: Herr Kohler, vielen Dank für das Gespräch!

Kohler: Herzlichen Dank!

Pindur: Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energieagentur in Deutschlandradio Kultur um 06:57 Uhr.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur
Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur© Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)
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