Welchen Deutschen hätten Sie gern?

Mit der Berliner Mauer war die physische Trennung beider deutscher Staaten ab 1961 vollzogen.
Mit der Berliner Mauer war die physische Trennung beider deutscher Staaten ab 1961 vollzogen. © Deutschlandradio
Von Sylvia Conradt · 20.02.2007
Zwei deutsche Staaten auf deutschem Boden mit je eigener Staatsangehörigkeit, das sollte es nach dem Willen der Bundesrepublik nicht geben. Die DDR sah das ganz anders. Seitdem die Volkskammer, das DDR-Parlament, am 20. Februar 1967 das "Gesetz über die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik" beschlossen hatte, bemühte sie sich bis zu ihrem Ende - vergeblich - um die westdeutsche Annerkennung der "Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik".
"In Berlin trat heute die Volkskammer der DDR zusammen. Ein Tagesordnungspunkt war die Beschlussfassung zum Gesetz über die Staatsbürgerschaft der DDR."

Meldete am 20. Februar 1967 der DDR-Rundfunk in seiner Sendung die "Aktuelle Berliner Welle".

"Der Minister des Innern, Generaloberst Friedrich Dickel, begründete den vorgelegten Gesetzentwurf:"

Friedrich Dickel:

"Die vorgesehene gesetzliche Regelung der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik bringt die aktive Rolle zum Ausdruck, die die in der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands befreundeten politischen Parteien und Massenorganisationen, vereinten gesellschaftlichen Kräfte, geführt von der Partei der Arbeiterklasse seit Bestehen des ersten deutschen Friedensstaates vollbracht haben. Die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik widerspiegelt die Verwirklichung des Grundsatzes: Alles für das Volk, alles mit dem Volk, alles durch das Volk. "

Den Abgeordneten der Volkskammer, des DDR-Parlaments, lag das "Gesetz über die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik" in erster und zweiter Lesung zur Beschlussfassung vor. Es regelte in 19 Paragraphen unter anderem, dass Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik war, wer bei Gründung der DDR die deutsche Staatsangehörigkeit besaß und seinen Wohnsitz dort hatte; es bestimmte, dass die Staatsbürgerschaft durch Abstammung, Geburt oder Verleihung erworben wurde. Daneben verfügte das Gesetz aber auch die Aberkennung der Staatsbürgerschaft, die Ausbürgerung. Damit griff die DDR auf eine Regelung zurück, die unter den Nationalsozialisten eingeführt und im Nachkriegsdeutschland aufgehoben worden war.

In der Präambel zum Staatsbürgerschaftsgesetz hieß es:

"Mit der Gründung der DDR entstand in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht die Staatsbürgerschaft der DDR. Sie ist Ausdruck der Souveränität der DDR und trägt zur weiteren allseitigen Stärkung des sozialistischen Staates bei"."

Mit dem "Gesetz über die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik" dokumentierte die DDR-Führung einmal mehr ihre Abgrenzung zur Bundesrepublik und unterstrich zugleich ihre Zwei-Staaten-Theorie. Ein politischer Schritt, der aller propagandistischen Einheitsrhetorik zum Trotz seit langem vorbereitet war. Bereits 1964 waren in der DDR neue Personalausweise ausgegeben worden, in denen als Staatsangehörigkeit "Bürger der Deutschen Demokratischen Republik" vermerkt war. Aber erst das Staatsbürgerschaftsgesetz von 1967 hob die in der Bundesrepublik und der DDR bis dahin einheitlich geltende deutsche Staatsbürgerschaft rechtlich auf und schuf die "Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik".

Friedrich Dickel, Minister des Innern der DDR, vor den Abgeordneten der Volkskammer am 20. Februar 1967.

Friedrich Dickel:

"Die völkerrechtswidrige Alleinvertretungsanmaßung und die fortgesetzten Bestrebungen der herrschenden Kreise der westdeutschen Bundesrepublik, ihre Machtbefugnisse auch auf das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik und anderer souveräner Staaten auszudehnen, führt in zunehmendem Maße auch zu Praktiken, unsere Bürger westdeutscher Gerichtsbarkeit zu unterwerfen.

Das Gesetz über die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik wird daher folgerichtig dazu beitragen, der annexionistischen und völkerrechtswidrigen westdeutschen Alleinvertretungsanmaßung auf das Entschiedenste entgegenzutreten und die herrschenden Kreise der westdeutschen Bundesrepublik in die Schranken zu weisen.

Ich darf Sie bitten, dem vorliegenden Entwurf des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik Ihre Zustimmung zu geben. Ich danke schön."

Die Bundesregierung kommentierte am selben Tag:
""Es gibt nicht zwei Völker, es gibt nur ein deutsches Volk. [...] Die Bewohner im anderen Teil Deutschlands bleiben deutsche Staatsangehörige nach Maßgabe des Deutschen Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 und haben Anspruch darauf, von allen deutschen Behörden im Inland und Ausland als solche behandelt zu werden."

Anfang der 70er Jahre gab die Bundesregierung faktisch ihren Alleinvertretungsanspruch auf. Die Deutsche Demokratische Republik aber forderte bis zum Fall der Mauer vergeblich, dass die Bundesrepublik die DDR-Staatsbürgerschaft anerkennt.