Weihnachtsreferenzen

Geburt des Erlösers und ihre Bedeutung

Schokoladen-Weihnachtsmänner werden in der Wergona Schokoladen GmbH in Wernigerode (Landkreis Harz) verpackt
Nach "taz"-Diagnose verliert der Erlöser an Bedeutung. Der Weihnachtsmann - also - muss in die Bresche springen. © picture alliance / ZB
Von Paul Stänner |
Natürlich geht es auch in den Feuilletons der Heilig-Abend-Ausgaben um Weihnachten und das Fest: So versucht die "Berliner Zeitung" einem Buch über die "Zeit Jesu" Gutes zu tun mit Monty-Python-Referenzen, die "taz" holt sich die Botschaft per Interview ein, dass die "heilsgeschichtliche Bedeutung der Geburt des Erlösers" nur noch "eine vage Rolle spielt". Und "NZZ", "Tagesspiegel" und "FAZ" sind - überwiegend - unzufrieden mit dem Weihnachts-Fernsehprogramm.
Die Berliner Zeitung bringt - passend zur Weihnacht - eine Rezension des Buches "Die Welt zur Zeit Jesu" von Werner Dahlheim. Wie andere schon vor ihr lobt die Zeitung das Buch und das ist nicht so bemerkenswert, aber es fällt auf, dass zur Bebilderung des Artikels ein Foto aus der Monty-Python-Satire "Das Leben des Brian" gewählt wurde, und auch Bildunterschrift und Zwischentitel sind Zitate aus dem Film - Weihnachten ist wohl heute ohne Spaß nicht zumutbar.
In der Tageszeitung taz verkündet in festlichem Glanz Kulturwissenschaftler Kaspar Maase:
"Die Diagnose, dass die heilsgeschichtliche Bedeutung der Geburt des Erlösers ... auch wohl für die Mehrheit der Kirchensteuerzahler, keine oder nur noch eine vage Rolle spielt, ist in meinen Augen absolut unwiderlegbar."
Davon ist seit Jahren schon das Fernsehprogramm geprägt und deshalb kann man bereits friedvolle Freude zeigen wie der Tagesspiegel, der als Kulturblatt unnachahmlich formuliert:
"Krach-Bum fällt diese Weihnachten leiser aus",
weil nämlich die Sender auf Trick- und Märchenfilme setzten. Es gibt einen ersten Tatort aus Weimar und man weiß nicht so recht, ob er in das KrachBum- oder Märchen-Genre gehört. Nora Tschirner und Christian Ulmen spielen die Ermittler, im Zentrum der Handlung steht ein Wurstrezept namens "Fette Hoppe".
In der Frankfurter Allgemeinen fängt Heike Hupertz mit Goethe an und trägt auch sonst alles, was einem zu Weimar einfallen kann, in einem kunstwissenschaftlichen Essay zusammen, an dessen Ende sie posaunt:
"Nicht bemüht originell oder puppenlustig wie die Münsteraner 'Tatort'-Kommissare, nicht gewollt psychologisch subtil, nicht übertrieben actionlastig, saugt dieser Film ... auf überaus launige Weise die 'Tatort'-Historie gleichsam auf und spuckt sie in Weimar-Weise, in historisierendem Zitat und offensichtlichem Fake wieder aus." - Zum Glück ist hier das Zitat zu Ende.
Das historisierende Zitat einer Verfolgungsjagd mit Hilfe einer Pferdekutsche ist auch der Neuen Zürcher Zeitung aufgefallen, hat dort aber nicht gezündet, die flotten Sprüche der Protagonisten, so Joachim Güntner - dagegen sehr, er lobt die Dialoge.
In der FAZ lobt der island-saga-erfahrene Tilman Spreckelsen die Verfilmung des Märchens "Vom Fischer und seiner Frau", weil die Ilsebill hier keine gierige Nervensäge sei, sondern eine Visionärin, die
"in der Realität immer auch die Möglichkeit wahrnimmt".
Will sagen: Wer nichts wünscht, kommt nicht weiter. Und dann ist doch noch Weihnachten im Fernsehen, denn:
"Als sie werden will 'wie der liebe Gott', sitzt sie im selben Moment wieder in ihrer schäbigen Hütte."
So will die Moral uns zu Weihnachten Bescheidenheit und Maß lehren, aber das Geschenk für Ilsebill hat Spreckelsen auch gefunden:
"Und glücklicher ... hat man sie ... nicht gesehen."
Jetzt endlich klingen die Glöcklein so süsse ... !
In der Süddeutschen schreibt Willi Winkler über das Faksimile des "Augsburger Wunderzeichenbuchs" von 1552, in dem vor dem nahen Weltuntergang gewarnt wird. Was die Bibel für die Heilshoffenden ist das Wunderzeichenbuch für die Apokalyptiker in einer Zeit, in der ständig
"Kälber mit zwei Köpfen, Hasen mit überzähligen Beinen, allerlei siamesische Zwillinge geboren wurden."
"Angstlust" nennt Winkler diese Leidenschaft an der Untergangsvision, die wir immer noch nicht verloren hätten, die sich heute aber "vorsichtshalber in die Fantasy zurückgezogen hat."
Und sie tut recht daran, die Vorsicht, denn am Ende kommt der hämische Kommentar des immer noch lebenden Winkler:
"Das Schönste aber ist die Botschaft, die nach fast einem halben Jahrtausend aus diesen Weissagungsseiten leuchtet: Die Apokalypsen kommen und gehen, die Welt, sie mag trotzdem nicht untergehen."
Wenn schon die christlichen Erwartungslehren nicht mehr en vogue sind, dann wäre das eine trotzige, wenn auch etwas klöppelig gereimte Botschaft zum 24.12.
Die Welt geht nicht unter, sondern sie feiert Weihnachten und soll es auch, denn der eingangs zitierte Kaspar Meese sagt in der sonst gern etwas konsumfeindlichen taz:
"Eine Gesellschaft ohne Feiern und ohne herausgehobene, gemeinsam erlebte Ereignisse ist mir als Kulturwissenschaftler nicht bekannt und auch nicht vorstellbar."
In diesem Sinne - Frohes Fest und "Fette Hoppe"!