Wahlkämpfer in Kleinstparteien

Unverbesserliche Idealisten

Mitglieder der Bayernpartei in Bad Aibling
Mitglieder der Bayernpartei in Bad Aibling © Deutschlandradio / Paul Vorreiter
Von Paul Vorreiter · 29.05.2017
Große Parteien bereiten sich in diesen Wochen darauf vor, ihre Prozente bei der Bundestagswahl zu verteidigen. Für manche Wahlkämpfer geht es um viel Grundlegenderes. Sie kämpfen dafür, dass ihre Kleinstparteien überhaupt erst zugelassen werden. Was motiviert sie?
Neun Männer und drei Frauen sitzen in orangenem Licht in der Eck-Gaststätte Deichgraf in Berlin-Wedding. Vor ihnen ein reichlich gedeckter Tisch mit Bier, Schnitzel, Ketchup-Beuteln und Infomaterial.
"Ich würde jetzt mal ein paar Flyer euch geben, ich geb' die mal rum - das sind diese "Mensch-vor-Profit"-Flyer, die man ganz gut mitgeben kann, wenn man die Unterschriften sammelt."
So hört sich der Stammtisch der ÖDP an, der Ökologisch-Demokratischen Partei. Um vom Wahlleiter zur Bundestagswahl zugelassen zu werden, braucht die ÖDP für jede Landesliste bis zu 2000 Unterschriften. Bei nur etwa 70 Mitgliedern in Berlin viel Arbeit: Rausgehen, Menschen ansprechen, überzeugen:
"Mein Name ist Tim Oliver-Kray. Ich bin circa seit sieben Jahren in der ÖDP, seit ich 16 Jahre alt bin. Ich habe auch, seit ich 16 bin, so langsam angefangen mein Leben ökologisch auszurichten und da war der Eintritt in die Partei die logische Konsequenz."
Was in anderen Parteien Jahrzehnte dauern kann, hat der Student für nachhaltiges Management bei der ÖDP schnell hingekriegt: Kray ist schon jetzt Direktkandidat. Für Berlin-Mitte möchte der Siegerländer das Mandat holen. Bei der vergangenen Bundestagwahl haben die ökologischen Demokraten in der Hauptstadt aber gerade mal 0,2 Prozent der Zweitstimmen geholt. Kray muss sich oft für seine Parteiwahl rechtfertigen:
"Mit vielen, mit denen ich darüber gesprochen habe: kannst du nicht einfach zu einer Partei gehen, die schon im Bundestag vertreten ist, was ist denn das Problem bei den Grünen? Dass selbst die Grünen ziemlich viele Konzernspenden schon erhalten haben und das überzeugt mich wirklich sehr bei der ÖDP."
… dass die gar nicht erlaubt Lobby-Gelder anzunehmen. Ein weiteres Kernanliegen ist die Abkehr vom Wachstumsglauben. Etwas, womit man vielleicht eher jüngere als ältere Wähler gewinnt.
"Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob es nicht auch Zielgruppen gibt, die sich durch ein Du besser angesprochen fühlen. Dass man vielleicht zwei Karten hätte, eine Duzkarte und eine Siezkarte."
"Oder wir machen Aufkleber."
"Das ist gut!" (Gelächter)
"Für Dich mache ich ein Du drauf."

Der Mann mit der Trachtenjacke will anpacken

In Bad Aibling, 60 Kilometer südöstlich von München müssen sich vier Männer gerade keine Gedanken über die Form der Anrede machen. Die potenziellen Wähler kommen auf dem verregneten Marienplatz von alleine auf den Infowagen zu.
Bürgerin: "Und jetzt gehe ich zu den Politikern. Mir reicht das!! Das kann nicht sein!"
Florian Weber: "Wir machen das, ich komme bei Ihnen vorbei. Bürgerin: Wie ist denn das, muss man das deklarieren mit 'nem großen Schild? So ist das bei uns in Nordrhein-Westfalen. Ich muss mich ja erst in die Bayern-Gesetze einarbeiten. Erstmal schönen Dank! Wir sehen uns nächste Woche, ich melde mich bei Ihnen."
Bürgerin: "Ciao!"
Florian Weber, der Parteichef der Bayernpartei, verspricht Hilfe, einem Rentnerehepaar, das sich von einer Baufirma geprellt fühlt. Der Mann mit der Trachtenjacke will zeigen, dass er anpackt. Und: näher dran ist an den Menschen als die CSU, die das im Slogan für sich proklamiert.
Die Bayernpartei war bis 1966 im Münchner Landtag, sogar an Koalitionen beteiligt, dann flog sie raus. Ihr oberstes Parteiziel: Die Bayern sollen über einen Austritt aus der Bundesrepublik abstimmen. Weil Bayern allein besser dran sei. Wirtschaftlich, aber auch mental und historisch einfach nicht zu Berlin gehöre.
Die Bayernpartei ist einerseits konservativ, fordert etwa die Ausweisung krimineller Ausländer, sie vertritt aber auch linke Positionen nach weniger Videoüberwachung und einer besseren Geheimdienstkontrolle.

Unternehmer, 46 Jahre, Holzfällertyp

Eines der Mitglieder ist Sepp Lausch, Biogasunternehmer, 46 Jahre alt, Typ: freundlicher Holzfäller: Beim Kaffee erklärt der Kreis- und Gemeinderat, was ihn an der CSU stört:
"Wenn man sieht, was hinter den Kulissen läuft, wie die Mandate verteilt werden, wie auch kritische Stimmen stillgelegt werden, dann keimt der Keim in einem, dass das einfach nicht fair ist."
Bei der vergangenen Bundestagswahl bekam die Bayernpartei 0,1 Prozent der Stimmen. Für die Mitglieder ist das nur die Pflichtveranstaltung. Die Kür ist die Landtagswahl in Bayern. Dort erhielten die Separatisten zuletzt 2,1 Prozent, immerhin fast 250.000 Wählerstimmen:
"Des motiviert mi! Weil jetzt liegen wir bei den Umfragen bei drei Prozent, Unsicherheitsfaktor ist auch noch da. Dass ma' die Fünf-Prozent-Hürde für die Landtagswahl überspringen. Das ist nicht abwegig."
Sepp Lausch sieht sich und seine Parteifreunde als heimatverbunden, nicht aber als fremdenfeindlich. Seine Vision: die eines friedlichen Europas der Regionen. Und trotz allen Ärgers über Preußen hat er auch in einem souveränen Bayern nichts gegen gelegentlichen Besuch:
"Dann freuen wir uns, und dann freuen wir uns, wenn er auch wieder nachhause fährt (Parteifreund lacht) - Was denn? (Gelächter) - Ist doch schee, wenn der Besuch aus Berlin kimt!"
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