Wahl in Katalonien

Mittelalterliches Spanien als Vorbild?

Barcelona
Die Fahnen von Spanien und Katalonien auf dem Gebäude der Regionalregierung in Barcelona. Doch die katalanischen Separatisten haben die absolute Mehrheit geholt und wollen die Loslösungvon Spanien. © picture alliance/dpa/Foto: Andrej Sokolow
Günther Schlee im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 22.12.2017
Katalonien hat gewählt - und die Gesellschaft bleibt tief gespalten. Bietet die spanische Geschichte eine Lösung? Der Ethnologe Günther Schlee erklärt, was es mit dem Goldenen Zeitalter der Toleranz auf sich hat. Und ob es auf heutige Verhältnisse übertragbar ist.
Die so genannte Convivencia war eine Zeit vor 1492, in der Christen, Muslime und Juden friedlich in Spanien zusammenlebten. Oder vielmehr: nebeneinander her, wie Günther Schlee vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung Hall sagt. Die Rollen der Religionsgemeinschaften seien im damaligen "islamischen Herrschaftsgebilde" strikt getrennt worden:
"Das ist also mit einer modernen Form von Multikulturalismus, die auf Gemeinsamkeit, dem Zelebrieren von Diversität (...), Folklorisierung von Ethnizität beruht, im Grunde ganz schwer vergleichbar. Ich glaube, niemand würde heute eine Oirdnung wieder propagieren wollen, bei der das friedliche Zusammenleben darauf beruht, dass Christen, Juden und Muslime getrennte politische und wirtschaftliche Rollen haben."
Die einen hätten die politische Herrschaft und militärische Macht besessen, die anderen die kommerzielle Macht - doch alle hätten ihre religiösen Rechte gehabt. Ansonsten seien es "komplett voneinander getrennte Gemeinschaften" gewesen, innerhalb derer auch geheiratet wurde: "Mit modernen Formen von Pluralismus und Diversität und Miteinander hat das im Grunde ganz wenig zu tun."

Moderne Auffassung von Multikulturalismus

Wenn heute verschiedene religiöse Feste unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften gemeinsam gefeiert würden, sei das eine moderne Auffassung von Multikulturalismus, so Schlee:
"Menschen, die wirklich eine starke religiöse Identität haben, fühlen sich in ihrem Ritualleben und ihrem Glaubensleben dadurch auch irgendwie verkauft oder vereinnahmt, folklorisiert. Ich glaube nicht, dass das eine wirkliche Lösung ist für den politischen Ausgleich."
Die Situation heute sei diese: "Das, was wir jetzt in Katalonien finden, ist ja ein Ethnonationalismus, der auf sprachlichen und Volkstumsunterschieden beruht." (bth)
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