Vor 55 Jahren: "Bonanza" im deutschen Fernsehen

Mutter aller Western-Serien

Die Cartwrights in der US-Western-Serie "Bonanza"
Die Cartwrights in der US-Western-Serie "Bonanza" © picture alliance / dpa / Foto: Bert Reisfeld
Von Hartmut Goege · 13.10.2017
Vier Cowboys im Galopp, die Ranch Ponderosa, schmissige Erkennungsmelodie: Am 13. Oktober 1962 lief die erste Folge der Kultserie "Bonanza" um Ben Cartwright und seine Söhne im deutschen Fernsehen. 14 Jahre lang war sie dort nicht wegzukriegen.
"Das ist ein Anblick, da kommst du doch ins Schwärmen, wenn du das siehst. Das gehört alles uns."
Ben Cartwright und sein Sohn Adam schauen vom Rücken ihrer Pferde auf das wohl schönste Tal westlich der hohen Berge: Tausend Quadratmeilen saftig grüne Wiesen, endlose Kiefern-Wälder, türkisfarbene Seen, azurblauer Himmel und weiße Wolken. Mit dieser wie gemalten Szene startete am 13. Oktober 1962 die berühmteste amerikanische Westernserie "Bonanza" auch im deutschen Fernsehen – leider nur in schwarz-weiß.
430 Folgen lang wurden "ur-amerikanische" Werte wie Ehrlichkeit, Fleiß, Gerechtigkeit, Keuschheit, Entschlossenheit, aber auch Güte und Verständnis vermittelt. Allen voran der oberste Cartwright, Ben, Patriarch erster Güte auf der Ponderosa-Ranch, Markenzeichen sonore Bass-Stimme und edel-buschige Silberkoteletten, stets fair, weise und gerecht und natürlich auch der väterlichste aller Väter:
"Vergiss nicht, er ist Dein Bruder.""Bruder oder nicht, ich erwarte, dass er seine Arbeit tut, wie jeder von uns.""Aber er ist noch ein Junge, Adam, kein Mann wie Du!"

"Adam gönnte sich gelegentlich eine eigene Meinung"

Von den drei Söhnen gönnte sich Adam, Schwarm vieler Mädchen, gelegentlich eine eigene Meinung. Er war der besonnene, aber mysteriöse, stets dunkel gekleidete und belesene Schöngeist der Familie.
"Ein Anblick, der dem Himmel ähnelt, wenn dieser sich uns öffnet … Das steht im Lesebuch."
Doch wenn es darauf ankam, fügte er sich der obersten Autorität:
"Morgen früh reitest Du los und siehst zu, dass er geht, hast Du verstanden?" – "Ja, ist gut, Pa'! Ich werd's erledigen."
Zu dem Ältesten gesellten sich Little-Joe, impulsiver jüngster Cartwright-Spross, der gelegentlich über die Stränge schlug, aber immer auf den Weg der Tugend zurückfand, und Hoss, Freund aller pubertären Jungs, Pferdekenner, sanfter Riese mit Humor und Riesen-Appetit.
"Wenn ich nicht bald was zu essen kriege, lege ich mich hierhin und sterbe."

"Schweineblaten! Sehl gut!"

Ergänzt wurde das Quartett vom chinesischen Koch Hop Sing, für viele wegen seines Splechploblems der heimliche Star der Serie.
"Heute gibt es sehl gutes Essen. Schweineblaten!" "Schweinebraten! Hast Du gesagt Schweinebraten, Hop Sing?"- "Schweineblaten! Sehl gut!"
Hop Sing musste zwangsläufig auch die weibliche Lücke der Familie füllen, denn Ben Cartwright war dreifacher Witwer. Die drei Söhne waren allesamt Halbbrüder, ihre Mütter im Kindbett gestorben oder vom Pferd gefallen. Tragische Umstände, die der Zuschauer nur beiläufig erfuhr. Frauen tauchten deshalb nur am Rande auf, der Männerhaushalt reagierte oft misstrauisch auf weiblichen Besuch:
"Sie sind nicht in Virginia City, Madam, Sie sind auf der Ponderosa." – "Ponderosa?"- "Und Fremde sehen wir hier nicht gerne. Männliche oder weibliche. "

Frauen überlebten meist nicht lang

Und wenn es eine Frau doch mal schaffte, das Herz eines Cartwright zu erobern, meinte es das Schicksal nie gut mit ihr.
"Sie haben doch bestimmt gemerkt, dass Miss Pennington sehr krank ist." – "Hoss!" – "Quacksalber!" – "Wenn Sie ihr etwas gesagt haben!" "Meinen Sie, es macht mir Freude einem Mädchen zu sagen, dass sie nur noch ein Monat zu leben hat?"
Ansonsten war die Ponderosa ein Hort der Glückseligkeit, den es zu verteidigen galt, Bonanza ein Amerika, wie es sein sollte und die Cartwrights naturverbundene Verfechter von ökologischer Forstwirtschaft und fairem Viehhandel.
"Hast Du das gehört, Adam, über tausend Stück Vieh von der Hochweide runtergetrieben und nicht ein einziges verloren."

Sonntäglicher Familienkult

Von Beginn an hatten die Produzenten ein Konzept vor Augen, das sich vom raubeinigen Image herkömmlicher Western unterscheiden sollte. Bonanza war eine Familien-Soap, die sich Folge für Folge um soziale Gerechtigkeit bemühte und den Zusammenhalt propagierte. Konflikte sollten idealerweise durch Dialog statt Kugeln gelöst werden. Das gelang nicht immer, denn die Ponderosa war umzingelt von einer Welt der Gewalt und Intrige, von Viehdieben und Betrügern.
"Und ich möchte die Cartwrights ein für alle Mal loswerden. Bei unserm letzten Versuch, mit Waffengewalt die Ponderosa zu nehmen, gab's über ein Dutzend Tote. Die Cartwrights haben sich da oben eine Position geschaffen, die nicht zu erschüttern ist."
Obwohl Bonanza in rund 90 Länder erfolgreich exportiert wurde, erkannte die ARD das Potenzial der US-Serie zunächst nicht und stellte sie wegen zu großer Brutalität nach 13 Folgen ein. Als das Farbfernsehen 1967 auch in deutsche Wohnzimmer einzog, griff das ZDF zu. Plötzlich in Farbe, entwickelte sich die Cartwright-Saga zehn Jahre lang zum Dauerbrenner und sonntäglichen Familienkult. Und auch wenn alle Darsteller mittlerweile das Zeitliche gesegnet haben, irgendwo reiten sie noch immer oder immer wieder durch die Fernsehkanäle: die Cartwrights, Ben, Adam, Hoss und Little Joe.
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