Von Tobias Wenzel

18.08.2013
Monika Maron hat die Lust am Zeitunglesen verloren, der Journalist Claus Jacobi ist tot und in Russland gibt es Wirbel um Fingernägel in Regenbogenfarben - unser Blick in die Feuilletons vom Montag.
"Ich habe schon überlegt, ob ich die Zeitung nicht ganz aufgeben und stattdessen lieber Bücher über die Blattschneiderameise, den Hirschkäfer oder den Gärtnervogel lesen sollte, um mich vom Unbegreiflichen unser aller, also auch des Gärtnervogels, Hirschkäfers und der Blattschneiderameise, Daseins durchschauern zu lassen, ohne an Gott oder etwas Ähnliches glauben zu müssen."

Monika Maron hat die Lust am Zeitunglesen verloren. Vielleicht schreibt sie auch deshalb darüber in keiner Zeitung, sondern im neuen SPIEGEL, mal etwas larmoyant, mal unterhaltsam. Das Aufschlagen der Zeitung ist für die Schriftstellerin gleichbedeutend mit dem Betreten eines "Irrenhauses". Sie ärgert sich über Political Correctness in der deutschen Sprache und fühlt sich beim Lesen belästigt von den – Zitat – "Gottgläubigen" und besonders Journalisten, die sie in puncto Religion belehren:

"Wer wie ich an gar keinen Gott glaubt, ist besonders gefährdet, weil mir allein die Zumutung, ständig auf eine Religion Rücksicht zu nehmen, auf die Nerven geht, was den Gläubigen vielleicht beleidigen und ihn darum veranlassen könnte, von mir noch mehr Rücksicht zu fordern, was mir dann noch mehr auf die Nerven gehen würde, so dass ich dem Fordernden in Zukunft lieber aus dem Weg ginge, was der wiederum als meine Angst vor ihm verstehen könnte, und schon gehörte ich zu den Phobikern, und wenn der Gläubige, dem ich aus dem Weg gehen möchte, ein Muslim ist, bin ich eben eine Islamphobikerin."

Ja, ja, die Zeitung kann richtig böse und gefährlich sein. "Außerdem habe ich einen Hund", schreibt Monika Maron, "auch darüber steht viel Schreckliches in der Zeitung."

Hoffentlich stößt Monika Maron auf folgende zwei Sätze im Feuilleton der WELT. Die könnten die Schriftstellerin mit der Zeitung an sich vielleicht sogar wieder versöhnen: "Hunde haben mich mein Leben lang begleitet. Der erste war ein Rottweiler namens Satan." Es sind die Worte des Journalisten Claus Jacobi. Am Samstag starb er im Alter von 86 Jahren in Hamburg. Inga Griese erinnert sich. "Ein feiner Mann" lautet ihr Nachruf auf den einstigen Chefredakteur von "Spiegel", "Wirtschaftswoche", "Bild" und "Welt".

Das lateinische Sprichwort, demzufolge man über Tote nur Gutes sagen soll, hat sich Inga Griese etwas zu sehr zu Herzen genommen. Über den ehemaligen Chefredakteur jener Zeitung, in der sie nun schreibt, verliert sie kein einziges kritisches Wort. Stattdessen eine Liebeserklärung: "Er hätte arrogant sein können. Bei den Gaben! Mit den Augen!", schreibt die Society-Reporterin. "Arme Mitbewerber, sah der Mann gut aus."

Willi Winkler zeichnet dagegen in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ein ambivalenteres Bild des Publizisten, der mit 34 Jahren Chefredakteur beim "Spiegel" wurde. Es habe heftige Auseinandersetzungen mit dem Herausgeber Rudolf Augstein gegeben. Zum Schluss sei Jacobi mit einer Abfindung von einer Million Mark gegangen. Jacobi habe allerdings, so Winkler in seinem Nachruf mit dem Titel "Alster-Aristokrat", mit seinem konservativen Snobismus brilliert. Zum Beispiel in diesen Sätzen:

"Über Goethe wuchs Grass. An Hochschulen verdrängte ordinäre Macht die Ordinarienmacht. Das Aussehen der Masse wurde zu einem neuen Schönheitsideal, Grün zur Modefarbe der Politik. Eines Tages fand ich eine brennende Zigarettenkippe auf dem angesengten Ledersitz meines offen geparkten Wagens: ich stellte den Roadster fortan in die Garage, die SPD darauf den Kanzler." Homosexualität sei für Jacobi übrigens ein "gesellschaftliches Missverständnis" gewesen.

Wladimir Putin hätte Claus Jacobi applaudiert. "Russen sehen regenbogenrot" heißt der Artikel von Manuel Brug in der WELT. Zwei schwedische Sportlerinnen hätten sich bei der Leichtathletik-WM in Moskau die Fingernägel in den Farben des Regenbogens lackiert, um so gegen die homosexuellenfeindliche Gesetzgebung Putins zu protestieren. Die Schwedinnen seien dafür verwarnt worden. Kommentar von Manuel Brug: "Schon der falsche Nagellack bringt inzwischen also die schwulenfeindlichen Russen aus dem Gleichgewicht."