Von Schwarzmundgrundeln, Erdbirnen und bunten Landschweinen

Von Matthias Günther, Christina Selzer und Ursula Götz · 23.12.2009
Nach dem Krieg war es sehr beliebt, danach verschwand es fast aus der heimischen Tierzucht: das Bunte Bentheimer Schwein. Die Schwarzmundgrundel hingegen kommt eigentlich aus dem Schwarzen Meer, wird aber in den letzten Jahren auch im Nord-Ostsee-Kanal gefangen. Und ziemlich angesagt ist auch die Topinambur, in Süddeutschland als Erdbirne bekannt.
Ein kulinarischer Länderreport über Neugewonnenes, Wiederentdecktes und Fastvergessenes.

Das Bunte Bentheimer oder Bentheimer Landschwein. Eine vom Aussterben bedrohte Tierart
Von Christina Selzer

Als in Deutschland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Vielfalt der regional verankerten und den dortigen Verhältnissen bestens angepassten Haustierrassen zugunsten immer weniger, dafür umso leistungsfähigeren, Hochleistungsrassen zurückging, verlor die Landwirtschaft wichtige genetische Ressourcen.
Viele alte Haustierrassen verschwanden von der Bildfläche oder gerieten an den Rand des Aussterbens. Eine davon ist das Bunte Bentheimer Schwein. In der Region entstanden - das robuste Schwein stammt aus dem westlichen Niedersachsen, nahe der niederländischen Grenze und ist nach der dortigen Region Grafschaft Bentheim benannt - war es lange Zeit ein beliebter Lieferant hochwertiger Fleisch- und Wurstprodukte. Doch dann drohte es auszusterben. Doch engagierte Züchter wollen das Bentheimer Landschwein retten.


Im Stall von Helge Thoelen stehen rund zehn bunte Bentheimer Schweine in ihren Boxen. Ihr Fell ist hell mit dunklen Flecken. Wer die Schweine mit dem fröhlichen Muster zum ersten Mal sieht, muss einfach schmunzeln.

Nistra, die Zuchtsau, hat vor drei Wochen Nachwuchs bekommen. 13 kleine gepunktete Ferkel laufen um ihre Mutter herum, wühlen im Stroh.

"Stroh ist deshalb wichtig, weil es als Spielmaterial dient, abgesehen davon, dass es weich und warm ist. Es dient als Beschäftigungsmaterial. Außerdem ist es dafür da, dass die Sauen, wenn sie ferkeln, ein Nest bauen können. Dafür brauchen sie Stroh."

Sagt Helge Thoelen. Auf seinem Bauernhof werden alle Tiere artgerecht gehalten. Gemeinsam mit seinem Vater lässt er die Schweine aus dem Stall in den Hof, wo sie sich sofort im Matsch suhlen. Ihr Besitzer schaut stolz zu. Er gehört zu den Rettern der seltenen Schweinerasse:

"Vor sieben Jahren hatten wir die Situation, dass es nur noch 50 Tiere bundesweit gab. Da haben wir gesagt: Hat es eine Perspektive? Entweder bringen wir es auf 51 oder wenn es nur noch 49 sind, dann können wir die Restlichen auch schlachten, denn irgendwann ist es nicht mehr möglich, eine Rasse lebend zu erhalten."

Alles begann vor 15 Jahren. Helge Thoelen kaufte zusammen mit seiner Frau und seinem Vater den Hof im Nordwesten Deutschlands, in der Nähe des Jadebusens. Die Idee war, alte Rassen, die vom Aussterben bedroht sind, zu erhalten, Nutztiere, die in der industriellen Tierhaltung niemand mehr braucht. Erst Pferde, dann Rinder und schließlich kam Wutz. So hieß das erste Bentheimer Landschwein, das Helge Thoelen sich anschaffte.

Eigentlich ist er Stationsvorsteher einer psychiatrischen Abteilung im Krankenhaus. Nebenberuflich wurde er zunehmend zum Experten für aussterbende Tierrassen und schließlich Vorsitzender des "Vereins zur Erhaltung des Bunten Bentheimer Schweins". Das Schwein war in den Nachkriegsjahren noch gefragt, als die Menschen in Deutschland ausgehungert waren. Doch als man immer mehr auf die schlanke Linie achtete, ging es bergab mit dem Bentheimer Landschwein: Es war zu fett.

"Sie haben die dickere Rückenspeckdichte. Der Mäster hat magere Schweine produziert, weil der Verbraucher nur mageres Fleisch haben wollte. Sie haben dann das Phänomen, dass der Verbraucher das magere Fleisch zuhause verfeinert mit Butter- und Fettsoßen. Um an das Fleisch, das keinen Geschmack hat, wieder Geschmack zu bekommen."

Helge Thoelen schüttelt den Kopf über so viel Unvernunft. Dabei, sagt er, schmeckt das Landschwein doch viel besser. Es hat mehr Aroma und weniger Wasser. Aber es half nichts. Nur wenige Landschweine überlebten den Trend zum schnell wachsenden Magerschwein. Und die paar, die übrig blieben, waren auch noch über ganz Deutschland verstreut. Heute sorgt ein neues einheitliches Zuchtbuch dafür, dass die Zahl der Bentheimer jetzt besser kontrolliert werden kann.

"Es ist ein lebendes Kulturgut, die einzige Schweinerasse, die ihren Ursprung im Nordwesten hat und sie muss erhalten werden, weil wir nicht wissen, was der Verbraucher in 20 Jahren wünscht. Vielleicht ist es ja das, was das Bentheimer hat. Wenn sie ausgestorben sind, ist es vorbei."

In Niedersachsen leben die meisten Landschweine. Aber Züchter gibt es in jedem Bundesland. Auch in den Niederlanden und Luxemburg. Heute sind die bunten Bentheimer zwar nicht mehr so akut bedroht wie vor sieben Jahren. Doch gefährdet sind sie immer noch.

"Sie müssen an 1000 Tiere rankommen, um eine Stufe höher zu springen."

Insgesamt rund 700 Bentheimer Landschweine stehen mittlerweile in deutschen Ställen. Die Nachfrage steigt. Bentheimer Wurst und Schinken gibt es auf immer mehr Wochenmärkten zu kaufen. Das gefleckte Schwein wird immer bekannter.

Eine seltene Delikatesse ist das Bentheimer aber nach wie vor. Die Vermarktung muss darauf zielen, dem Verbraucher zu vermitteln, dass es teurer ist, weil es so wenige davon gibt und weil es drei, vier Monate länger leben darf als sein Leidensgenosse aus der Massentierhaltung, bis es geschlachtet wird. Der Schinken zum Beispiel darf bis zu 21 Monate reifen. Wegen seiner Fettschicht schmeckt er aromatisch und braucht kaum zusätzliche Gewürze. Deshalb der stolze Preis: 68 Euro pro Kilo.

Helge Thoelen züchtet auf seinem Hof auch noch andere Nutztierrassen, die vom Aussterben bedroht sind. Im Stall finden sich neben dem bunten Schwein auch Bentheimer Landschafe, Moorschnucken, Meißener Widderkaninchen und Lachshühner.

Schulklassen aus der Stadt kommen regelmäßig vorbei, um Tiere kennenzulernen und zu streicheln. Und trotzdem bleiben es Nutztiere, betont Thoelen: Sie führen ein glückliches Schweine- Ziegen- oder Hühnerleben, bevor es zum Schlachter geht.

Das gilt auch für Karl-Gustav. Der Eber bringt locker zwischen 250 und 300 Kilogramm auf die Waage und hat schon viele hundert gefleckte Ferkel gezeugt. Und doch wird er irgendwann wohl als Salami enden. Die jüngeren Schweine werden nach ihrer Schlachtung immerhin Schinken, Kasseler oder Bauchspeck. In der Winterzeit, schwärmt Helge Thoelen, eignet sich das Bunte Bentheimer besonders für die deftige norddeutsche Spezialität Grünkohl mit Pinkel.


Schwarzmundgrundel
Von Matthias Günther

Grundeln sind eine der artenreichsten Meeresfischfamilien – bei den meisten Arten werden die Fische nicht länger als zehn Zentimeter. Auch im Nord-Ostsee-Kanal in Schleswig-Holstein gibt es eine Reihe von Grundeln: Sandgrundel, Strandgrundel, Glasgrundel oder Schwarzgrundel. Sie leben am Boden, ernähren sich von wirbellosen Tieren wie Würmern und fallen meist nicht weiter auf. Doch im Nord-Ostsee-Kanal sorgt jetzt eine neue Grundelart bei Biologen, Fischern und Anglern für Aufsehen: die bis zu 25 Zentimeter lange Schwarzmundgrundel, die eigentlich im Schwarzen Meer zuhause ist.

An diesem Dezember-Morgen ist es diesig und windstill am Nord-Ostsee-Kanal. Fischer Hans Brauer kehrt von seinen Stellnetzen zurück zum Anleger in Rade bei Rendsburg. Es ist nicht die Hauptfischfangsaison – er hat das kleine Boot mit Außenbordmotor genommen. Der Fischer legt in seiner Minibucht an, die nur wenigen Booten Platz bietet.

In den Netzen war fast alles, was der Kanal um diese Jahreszeit hergibt, sagt Hans Brauer und zeigt auf die Fische, die in einem fest eingebauten Bottich in der Mitte des Bootes im Wasser schwimmen.

Er wirft die Fische in bereit stehende Eimer: Zander, Barsche, Weißfische, Brassen und Heringe – und einige Schwarzmundgrundeln. Hans Brauer greift eine von ihnen und hält sie hoch:

"Also hier haben wir eine Schwarzmundgrundel, die ist ungefähr 20 Zentimeter lang, hat ganz scharfe Zähne, hat ein ganz gefräßiges Maul, und hat auch einen ganz großen dicken Kopf."

Die Fischart ist 2007 zum ersten Mal in größerer Anzahl im Nord-Ostsee-Kanal aufgetreten. Inzwischen gibt es sie massenhaft:

"Die vermehren sich explosionsartig. Also sie laichen wohl unheimlich viel, und die setzen sich hier im Kanal dann in den Steinen fest, und das ist das ideale Gebiet für sie, weil sie sich da gut verstecken können, und jetzt, so im Winter, da sitzen sie so in den Steinen und bewegen sich auch nicht, also da haben wir nicht so viel. Aber im Sommer, wenn wir richtig fischen und er auch aktiv ist, dann gibt es da ganz schön viel. Also 20, 30 Kilo am Tag haben wir schon davon."

Auch die Angler haben längst bemerkt, dass die Schwarzmundgrundeln sich massenhaft vermehrt haben. Statt Aal, Butt oder Zander haben sie immer öfter die kleine Schwarzmundgrundel am Haken. Beim Landessportfischerverband Schleswig-Holstein ist gerade das Fangprotokoll des Gemeinschaftsfischens eines Angelvereins eingegangen. Der Fischereibiologe des Verbandes, Rüdiger Neukamm, zeigt, was auf dem Formular in der Rubrik Bemerkungen eingetragen ist:

"Hier steht: Unmengen von Schwarzmeergrundeln – in Klammern: Plage. Und das ist in sofern charakteristisch, als es wirklich so viele Tiere sind im Nord-Ostsee-Kanal, dass es sich aus Sicht der Angler ein wenig um eine Plage handelt. Das andere, was bezeichnend ist, ist, dass es hier um eine Schwarzmeergrundel geht. Normalerweise ist es ja die Schwarzmundgrundel. Aber der Fisch ist einfach in den Köpfen der Angler noch nicht angekommen."
Die Schwarzmundgrundel ist eigentlich am Schwarzen Meer zuhause. 1990 gelangte sie – wahrscheinlich im Ballastwasser eines Schiffes – in die Danziger Bucht, erklärt Rüdiger Neukamm:

"Von dort aus hat sich die Grundel dann die Ostseeküste immer entlang in Richtung Westen vorgearbeitet und ist schließlich 2005, 2006 in der Kieler Bucht angekommen, und von dort aus über Holtenau in den Kanal eingewandert. Wir können natürlich auch nicht ausschließen, dass die Schwarzmundgrundel nicht nur einmal mit Ballastwasser zu uns gekommen ist, sondern vielleicht auch verteilt über mehrere Schiffe, über mehrere Jahre. Und so kann es durchaus sein, dass wir eine Besiedlung von mehreren Punkten aus haben, die wir so gar nicht wahrgenommen haben."

Der Fachmann wundert sich vor allem über das Tempo, mit dem sich diese Fischart ausbreitet:

"Wie drastisch das sein kann, erfahren wir im Augenblick zum Beispiel an der Donau. Dort ist der Fisch auch um die Jahrtausendwende schon in Österreich gewesen und mittlerweile jetzt hoch gezogen und ist auch im Oberlauf der Donau angekommen."

Im Schwarzen Meer kommt die Schwarzmundgrundel im Salzwasser vor und im Brackwasser in Flussmündungen. Sie kann aber offenbar genauso gut auch im Süßwasser leben. In dem kleinen Büro des Landessportfischerverbandes breitet Rüdiger Neukamm die Arme aus:
"Er kommt von allen Seiten. Wir haben ja auch einen ersten Nachweis bekommen aus dem Hamburger Hafen. Vielleicht gab es auch da eine Erstbesiedlung über Ballastwasser zum Beispiel. Und es kann durchaus sein, dass jetzt die Elbmündung von mehreren Seiten in die Zange genommen wird. Zum einen im Nord-Ostsee-Kanal durch Wanderung von Ost nach West, und dann vielleicht eine sich ausdehnende Population im Hafenbereich, die dann ebenfalls vielleicht stromauf Richtung Geesthacht zieht oder eben stromab in die Elbmündung."
Der Fischereibiologe schließt nicht aus, dass die Schwarzmundgrundel schon bald alle deutschen Flüsse und Kanäle erobert hat. Noch wissen die Fachleute nicht, ob sich die Ausbreitung der Schwarzmundgrundel, die sich von Muscheln, kleinen Krebsen und Würmern ernährt, eher positiv oder eher negativ auf das Ökosystem auswirkt – beides ist möglich:

"Die Schwarzmundgrundel stellt eine sehr gute Ergänzung zum Beispiel des Nahrungsspektrums des Zanders dar. Die Zander fressen die, die wachsen auch sehr gut und sehen auch sehr proper und sehr schier aus, das wäre ein durchaus positiver Effekt für diese Fischart. Genauso ist aber auch zu befürchten, dass die Schwarzmundgrundel in Konkurrenz tritt mit anderen kleinen Fischarten – und zwar nicht nur um die Nahrung, sondern auch vielleicht um Laichplätze oder um Unterstände."

Um darüber mehr zu erfahren, hat der Landessportfischerverband Schleswig-Holstein zusammen mit der Universität Hamburg gerade ein Forschungsprogramm gestartet.

Fischer Hans Brauer weiß auch nicht, was er von der massenhaften Ausbreitung der Schwarzmundgrundel im Nord-Ostsee-Kanal halten soll. Er macht jetzt erst einmal das Beste daraus:

"Am Anfang haben wir die immer wieder reingeschmissen und später sind wir angefangen und haben die versucht zu essen. Schmecken ganz wunderbar. Ist zwar 'ne richtig schwere Arbeit, den sauber zu machen, weil das so ein kleiner Fisch ist, aber wenn man den in Mehl umgedreht und in der Pfanne gebraten hat, schmeckt der ganz lecker. Es ist ja 'ne Barschart, diese Grundel, und sie schmeckt auch ähnlich wie Zander oder wie Barsch."

Inzwischen fängt der Fischer die Schwarzmungrundel auch nicht mehr nur für die eigene Küche, er bietet sie auch seinen Gästen an: in der Aalkate, die ebenfalls zu seinem Betrieb gehört:

"Jetzt schlachten wir die und vermarkten die hier in der Aalkate. Also wir haben so ein kleines Lokal hier und auch ein bisschen Fischverkauf, und da kann man auch lecker Fisch essen, und da machen wir eben diese Schwarzmundgrundel mit auf die Speisekarte. Auf Bestellung kann man die essen bei uns."

Auch Angler haben schon erkannt, dass die Schwarzmundgrundeln nicht nur ein Ärgernis sein müssen, berichtet Rüdiger Neukamm vom Landessportfischerverband Schleswig-Holstein:

"Natürlich ist es mitunter sehr, sehr nervenaufreibend, wenn man eigentlich Aale, Dorsche oder Butt angeln möchte und andauernd beißt so ein kleiner Fisch an oder klaut einen den Wurm vom Haken. Das macht die Angler natürlich ein bisschen unruhig. Es gibt aber auch genügend Angler, die gelernt haben, dass man mit diesen Fischen auch durchaus Sinnvolles betreiben kann – zum Beispiel halt eben in der Küche."

Dass die Schwarzmundgrundeln vergleichsweise klein sind, muss kein Problem sein: die Masse macht's.

"Gute Angler, also erfolgreiche Angler berichten mir, dass sie in zwei Stunden relativ einfach bis zu 80 Tiere fangen können. Das ist natürlich schon enorm."

Das reicht für mehr als eine Familie. Und der Fischereibiologe Rüdiger Neukamm schlägt vor, die Schwarzmundgrundel auch einmal anders als in Mehl gewendet und gebraten zu genießen:

"In der Aalkate werden sie ja klassisch serviert, man kann die aber auch so ein bisschen mediterran zubereiten: wenn man die Rümpfe abzieht, und dann mit Olivenöl in Knoblauch brät, ist das auch sehr lecker."

Topinambur
Von Uschi Götz

Topinambur klingt nicht unbedingt Süddeutsch. Und doch finden sich auf der Schwäbischen Alb und in der Rheinebene die deutschlandweit größten Anbaugebiete. Erst seit ein paar Jahren finden sich die Knollen der Topinambur zunehmend wieder in den Regalen vor allem von Bio-Läden und Reformhäuser. Unter regionalen Namen wie Erdbirne ist Topinambur schon seit Jahrhunderten im Land bekannt. Vor allem in flüssiger Form, als Trinkbranntwein veredelt, kennt man Topinambur, in diesem Fall den "Rössler", als badische Spezialität schon sehr lange. Doch Topinambur klingt etwas geheimnisvoller als Erdbirne.

Kühn biegen sich die fast dünnen Stängel im Wind. Und doch treibt es die Blüte von Topinambur hoch hinauf. Bis zu drei Meter groß kann die Pflanze mit dem schönen Blütenkopf wachsen. Geht es um das Äußere, wird Topinambur als "kleine Sonnenblume" noch freundlich bezeichnet. Doch die meisten haben es auf die Knolle abgesehen und sprechen von Erdbirne oder gar vom Roß–Erdapfel.

Sabine Gruber: "Das Besondere ist, sie hat im Gegensatz zu einer Sonnenblume unten Knollen im Boden. Also eine Sonnenblume müssen Sie jedes Jahr neu aussähen, die wächst aus Samen, und die Topinambur-Pflanze wächst aus Knollen, wie eine Kartoffelknolle."

Die Agrarwissenschaftlerin Dr. Sabine Gruber von der Uni Hohenheim forscht unten und oben bei Topinambur. Im Selbsttest kam Sabine Gruber zu dem Ergebnis, dass der vor allem im Badischen hergestellte Topinambur-Schnaps schnell wirksam ist:

Sabine Gruber: "Der ist schon recht kräftig! Nennt man, glaube ich, auch Rossler. Der war wohl früher so ein Fuhrmannsschnaps. Also ist schon was Starkes und vom Geschmack her würzig."

Nach dem dritten Glas sollte der eigentliche Name von Topinambur flüssig über die Lippen kommen. "Hxiben" H - X – I – B – N – benannt nach dem indianischen Stamm Tipinambas, wo die Pflanze eigentlich herkommt:

Sabine Gruber: "Topinambur kommt aus Nordamerika ursprünglich, also aus vorkolumbianischer Zeit; ist damit also in einer Reihe mit vielen anderen Pflanzen, die wir aus Amerika bekommen haben, wie Mais, Tomate, Kartoffeln."

Mittlerweile sind Hunderte von Jahren vergangen und Topinambur hat den Sprung von der offenen Feuerstelle auf deutsche Elektroherde geschafft. Besonders Diabetiker schätzen Topinambur, da das enthaltene Kohlenhydrat Inulin beim Essen in den verträglichen Fruchtzucker aufgespalten wird:

Sabine Gruber: "In einen Auflauf reingeschnitten, ähnlich wie eine Süßkartoffel, sehr lecker. Sie können es auch roh im Salat verwenden, wird auch als Wintersalat bezeichnet."

Doch im Fokus der Wissenschaft steht Topinambur seit etwa fünf Jahren weniger als Lebensmittel, vielmehr als Energiepflanze:

Sabine Gruber: "Man hat vor einiger Zeit entdeckt, dass sich die oberirdische Masse, also die Blätter und die Stängel, auch sehr gut verwenden lassen, um Bioenergie zu gewinnen. Wir tun das in der Weise, dass wir die Pflanzen schneiden, also die oberirdischen Pflanzen mähen und schneiden, kleinhexeln, und dann in eine Biogasanlage einfüttern. Und dort wird dann durch bakterielle Umsetzung Biogas gewonnen, das ist überwiegend Methan, das Methan kann dann wieder verbrannt werden. Energie, Wärme und Strom wird erzeugt. Topinambur hat gegenüber anderen Energiepflanzen den Vorteil, dass Sie die nur einmal stecken müssen, die Knollen einmal in die Erde rein stecken müssen, und dann können Sie die mehrere Jahre ernten. Den Mais müssen Sie jedes Jahr wieder ansähen und mit dem entsprechenden Aufwand."

Landwirte verschmähen bisweilen die zähe Topinambur. Denn, ist sie erst einmal in der Erde, wird man sie kaum wieder los. An der Uni Hohenheim läuft deshalb zurzeit ein Versuch mit Vierbeinern:

Sabine Gruber: "Topinambur wurde ja früher eingesetzt zur Schweinmast. Das haben wir uns jetzt zunutze gemacht um das eine Problem, nämlich der Durchwuchs von Topinambur, die Pflanzen, die in der Folgekultur aufwachsen, versuchen ein bisschen in den Griff zu bekommen . Und zwar haben wir auf unseren Versuchsflächen Schweine aufgetrieben, damit die die restlichen Knollen, die im Boden sind, roden. Die wühlen mit ihrem Rüssel, die Knollen herausholen und sich davon ernähren, damit wir ein sauberes Feld haben für die nächste Kultur. Und das war sehr effektiv, kann ich sagen im Vergleich zu einer mechanischen Rohdung, die war nie so vollständig wie die Schweine. Und die Schweine haben nachher auch sehr gut geschmeckt."

Schweinisch gut - die alte Erdbirne oder doch besser Topinambur? Manchmal hilft schon ein Wortwechsel, um einen neuen Trend zu befördern. Nach Pastinaken Süßkartoffeln und Petersilienwurzeln hat es nun auch dieses Knollengewächs erwischt. emnächst könnte "Lens orientalis" in den Regalen auftauchen. Es werden gute alte Linsen sein. Linsen sind im Kommen, sagt Agrarwissenschaftlerin Sabine Gruber voraus. Bislang müssen Linsen importiert werden.

"Da bin ich ganz sicher, das wird in den nächsten Jahren verstärkt in Deutschland wieder angebaut werden, speziell im ökologischen Landbau. Das hat große Perspektiven. Die ganz gewöhnliche Linse oder die Linsen, die früher hier heimisch waren auf der Schwäbischen Alb, die Alblinsen. Das werden wir versuchen, hier wieder zu etablieren. Wir möchten aber, dass Linsen wieder deutschlandweit angebaut werden können, das Wissen darum ist verlorengegangen in den letzten 50 Jahren, es hat keine Bedeutung mehr gehabt. Die Linse lässt sich relativ schwer kultivieren, sie braucht eine Stützfrucht, also eine andere Frucht, mit der sie angebaut werden kann, und das ist nicht ganz so einfach. Wir versuchen jetzt in verschiedenen Ansätzen, dDas hier wieder praktikabel zu machen und freuen uns einfach, eine weitere Kulturart wieder hier ins Land zu bringen, wie den Topinambur auch. Ich denke einfach, eine Diversität, eine Vielfalt von Kulturen ist wichtig für uns."