Von Postkutschenräubern zu Internetbetrügern

Von Gudula Geuther · 14.02.2006
Mit einer Fülle von Exponaten zeigt das Frankfurter Museum für Kommunikation die Geschichte von Diebstahl und Räuberunwesen. Während sich die Methoden der Gangster im Lauf der Jahrhunderte änderten, blieb ihr Ziel stets das gleiche: Geld oder Leben. Den Internet-Kriminellen von heute geht es allerdings "nur" um ersteres.
Auf allzu genaue Darstellung martialischer Strafen verzichtet die Ausstellung. Auch das Original-Fallbeil, mit dem der Schinderhannes Johannes Bückler 1803 hingerichtet wurde, kommt ohne die Rekonstruktion einer Guillotine aus. Die Klanginstallation lässt allerdings genug erahnen. Und die Mauer aus Menschen, in schwarzen Umrissen um das Beil gruppiert, zwischen denen der Besucher hindurchgucken muss.

"Es war ein großes Spektakel, eine große Sensation, und um überhaupt zu sehen, was passiert, muss man sich erst mal zu den Pappfiguren stellen, die hier stehen, und muss denen erst mal über die Schulter schauen. Damit wird ein Stück weit dieser Voyeurismus erinnert, wie er damals möglicherweise auch schon vorhanden war. Wir sagen: Wir würden ja heute einer Hinrichtung niemals beiwohnen wollen. Vielleicht war das für die Menschen um 1800 noch ganz anders…"

So der Projektleiter Klaus Beyrer. Geändert haben sich vor allem die Taten selbst. Und so verändern sich auch die Exponate: Von Postkutschen zwischen Baumstämmen hin zu gesprengten Tresoren und ihren professionellen Knackern. Die - oft hochversiert - den Bankraub als Beruf sahen, sagt Gaby Sonnabend, die die Ausstellung mit erarbeitet hat.

"Die Banküberfälle haben sich zuerst in den USA entwickelt, schon Mitte des 19. Jahrhunderts, nach dem Ende des Bürgerkriegs, auch dadurch, dass Geldscheine immer stärker genutzt wurden. Also, man musste jetzt nicht mehr schwere Münzen rumschleppen, sondern es war auch einfach viel einfacher geworden, Banken zu überfallen und das Geld abzuschleppen. In Deutschland erst so ab den 20er Jahren richtig, mit der Etablierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Richtig etabliert hat es sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Und dann kamen auch die Tresorknacker zum Zuge."

In Deutschland allen voran die Brüder Sass, die den neuen Schneidbrenner mit so viel Erfolg einsetzten, dass sie 1929 aus der Stahlkammer der Berliner Disconto-Gesellschaft wahrscheinlich über zwei Millionen Reichsmark mitgehen ließen. Eine Tat, die ihnen lange nicht nachgewiesen werden konnte.

Mit welchen Mitteln die Polizei versuchte, Tätern auf die Spur zu kommen, zeigt ein nachgestelltes Atelier, in dem das standardisierte Verbrecherfoto entstehen sollte. Die Anleitung, wie die Körper von Tätern vermessen werden sollten, in der oft falschen Hoffnung, so jede Person klar identifizieren zu können - kurz bevor sich der Fingerabdruck durchsetzte. Oder ein Bausatz für Phantombilder, der lange Zeit keine weiblichen Gesichtszüge kannte.

"Die Frau als Täter ist schon mal gar nicht mit eingeplant gewesen. Diese Kartei, die stammt aus den 60er Jahren. Und man legt ein Männer-Phantombild, soweit das eben überhaupt möglich ist, und dann legt man 'ne Folie rüber. Und dann wird das mit weißem Stift ein bißchen retouchiert, dann werden noch Frauenhaare hingemalt und dann hat man schon die Täterin."

Tatsächlich begehen diese schweren Delikte wie Raubüberfälle selten Frauen.

"In den Banden des 18. Jahrhunderts war der Frauenanteil recht hoch - bis zu 40 Prozent. Wobei man dann auch unterscheiden muss: Waren das dann wirklich die Köpfe der Bande oder waren das halt die Frauen. Es gab wohl beides."

Umso häufiger sind Frauen unter den Opfern, als Kassiererinnen. Die Sicht der Bankangestellten bekommt der Besucher über Kopfhörer vermittelt. Anonym schildert eine Frau ihre Todesangst, ihren ersten Zusammenbruch und die Folgen fürs Leben.

"Ich bin erst mal noch bis Ende des Jahres ganz normal arbeiten gegangen, hab aber gemerkt, dass ich überhaupt nicht schlafen kann. Konnte auch nicht mehr in dem gemeinsamen Schlafzimmer mit meinem Partner schlafen. Ich hab immer im Wohnzimmer, auf der Couch - bis heute - geschlafen. Das war mir alles zu eng. Und da konnt ich halt auch nicht kontrollieren - diese Fenster. Vom Kopf her weiß ich, dass das Quatsch ist, aber ich hatte halt das Gefühl, der will mir was antun."

Ein Kontrast zur Verklärung von Raub und Räubern. Dargestellt durch Filme, wie die verschiedenen Schinderhannes-Varianten. Oder der Straßenfeger von 1966 "Die Gentlemen bitten zur Kasse" über den englischen Postzug-Raub. Exponate wie der erste nicht mehr anonyme Druck von Schillers "Räubern". "Bonnie und Clyde"-Plakate, Spielfiguren für den kindlichen Banküberfall zum Selbst-Nachspielen. Umso wichtiger ist Klaus Beyrer die Stimme der Opfer.

"Die Ausstellung kann sich einer gewissen Romantisierung der Räuber und Räuberbanden nicht entziehen. Und wenn man in der Ausstellung Filme zu sehen bekommt, wie beispielsweise 'Die Gentlemen bitten zur Kasse', dann entwickelt sich eine gewisse Sympathie für die Täter. Und dazu soll es ein deutliches Gegengewicht geben."

Profis sind Bankräuber heute kaum noch. Zu risikoreich sei das Geschäft, zu ausgeklügelt die Sicherungssysteme der Banken. Die Profis sitzen heute am Computer. Am Bildschirm lernt der Ausstellungsbesucher, welche E-Mails verdächtig sind, oder woran er gefälschte Internetauftritte seiner Bank erkennt.

Und er kann am Geldautomaten der Zukunft spielen. Entwickelt an der Fachhochschule Gießen unter Leitung von Michael Behrens.

"Wir denken, dass die Geldautomaten der Zukunft uns eben nicht mehr zwingen werden, den PIN-Code auswendig zu lernen. Neben dem Fingerabdruck könnte das zum Beispiel auch über eine Gesichtserkennung, über eine Kamera laufen, oder über eine Iris-Erkennung, das ist dieser farbige Teil rund um die Pupille."

Das Ende des Automatenbetruges - oder der Beginn eines neuen Wettlaufes.

"Die Geschichte zeigt: Sobald es eine neue Sicherungstechnik gibt, dann denken sich diejenigen, die ans Geld wollen, ja auch immer wieder was Neues aus. Also es ist ein ewiger Wettlauf und ich denk, das wird nicht der Schlußstein sein, der Geldautomat."

Service:
Die Ausstellung "Geld oder Leben" ist bis zum 17.9.2006 im Frankfurter Museum für Kommunikation zu sehen.