Von "Hacksaw Ridge" bis "Die Hütte"

Kinofilme mit Mission

Desmond T. Doss (Andrew Garfield) mit Helm und Kampfanzug im Schützengraben
Viel Gewalt, aber trotzdem ein sehr frommes Sujet: "Hacksaw Ridge" von Regisseur Mel Gibson © imago/Zumba Press
Von Kirsten Dietrich  · 19.03.2017
Der fromme Film erlebt gerade eine Renaissance, sogar Hollywood hat Christen als Zielgruppe entdeckt. Es werden immer mehr dieser Filme gedreht - und zunehmend springen auch Laien-Filmmacher auf das Thema auf.
Frommes Überwältigungskino oder von der Filmkritik diskutiertes Arthousekino – bei kaum einem Thema liegt das so nah beisammen wie bei Filmen, die sich mit Religion und Glauben beschäftigen.
Ausschnitt aus "Silence": "Was habe ich für Christus getan? Was tue ich für Christus? Was werde ich für Christus tun? Ich habe Angst."
Ein verzweifelter Jesuit angesichts seiner gescheiterten Mission in Japan: "Silence" von Martin Scorsese, immer noch in vielen Kinos. Eine Oscar-Nominierung, Rezensionen in allen Feuilletons, absehbar Gegenstand kirchlicher Filmarbeit in den nächsten Jahren.
Ausschnitt aus "Die Hütte": "Sie wollen, dass ich ihm verzeihe? Ich will, dass er leidet. So, wie ich gelitten habe." – Sie wünschen sich ein Leben ohne Schmerz? – Ja. – Das gibt es nicht."
Ein verzweifelter Vater lernt mit Gottes Hilfe, den Mord an seiner Tochter zu akzeptieren: "Die Hütte" von Stuart Hazeldine, Verfilmung eines frommen christlichen Bestsellers, kurz vor Ostern bei uns im Kino – unterirdische Bewertungen in internationalen Filmblogs und bei der Filmplattform Rotten Tomatoes.
Was ist Kitsch, was ist Kunst? Die frommen Filme, die zur Zeit in die Kinos drängen, machen es den Betrachtern nicht einfach. Nur eins ist klar: es sind Filme mit Mission, mit einem klaren Standpunkt – sie haben auch eine Geschichte, aber vor allem eine Botschaft. So wie "Hacksaw Ridge" vom frommen Katholiken und politisch umstrittenen Mel Gibson. "Hacksaw Ridge" erzählt die Lebensgeschichte eines Mannes, der aus christlicher Überzeugung keine Waffe anrührt, aus patriotischem Verantwortungsgefühl aber trotzdem für die USA in den Zweiten Weltkrieg ziehen will, als unbewaffneter Sanitäter im Feld.
Ausschnitt aus "Hacksaw Ridge": "An Samstagen will er nicht arbeiten, Sir." – "Nun, samstags – ich bin Siebenten-Tags-Adventisten, also ist Samstag mein Sabbat, da ist Arbeit verboten, Sir."
"Hacksaw Ridge" ist aber auch ein ungeheuer gewalttätiger Film: Denn am nächsten bei Gott ist Desmond Doss, der fromme Waffenverweigerer, mitten im Bombenhagel, zwischen den zerfetzten Körpern der Gefallenen.

Gewalt ist nicht gern gesehen

"Ich finde den Film sensationell, man findet in dem Film wahnsinnig viele christlich motivierte Dinge, ich würde den Film liebend gern ins Programm nehmen, ich habe ein bisschen Angst wegen diesem extrem hohen Gewaltfaktor."
Jörg Schwehn verantwortet das Filmprogramm beim christlichen Verlag Gerth-Medien. Er verkauft Film-DVDs für ein ausgesprochen frommes Publikum, hauptsächlich aus evangelikalen Kirchen, sagt er, da ist Bekenntnis unverzichtbar, Gewalt aber nicht so gern gesehen.
Als Mel Gibson vor über zehn Jahren mit "Die Passion Christi" seine blutige Verfilmung der Leiden Jesu ins Kino brachte, reagierte man auch innerhalb der Filmbranche eher mit Befremden auf dieses Herzensprojekt des gläubigen Katholiken.
Die Stimmung hat sich gründlich gewandelt. Denn auch Hollywood hat die Christen als Zielgruppe entdeckt. Vor allem in den USA hat sich zudem ein florierender Markt entwickelt für fromme Filme – gedreht von Gläubigen für Gläubige. Von dort bezieht Jörg Schwehn fast alle Filme für das DVD-Programm von Gerth-Medien.
"Das ist ein wachsendes Geschäft. Wir sind mit 'Fireproof' ein bisschen auf dieses Filmthema gekommen. Wir haben den auf Englisch mit deutschen Untertiteln mal im Programm gehabt, für 22 Euro, und wir haben davon Unmengen verkauft, das war unfassbar. Das hätt ich nie gedacht. Weil: Der Film ist furchtbar. Filmisch ist der ganz schrecklich."
Wohlgemerkt: Jörg Schwehn verkauft den Film in seinem Sortiment.
"Aber das Thema des Films, da geht es darum, dass ein Mann in der tiefen Ehekrise, die er mit seiner Frau hat, sagt: Ich will dich nicht aufgeben, sondern ich will hier was ändern. Das hat, glaub ich, unglaublich viele Herzen erreicht."

Weiterhin ein Nischenmarkt

Der Kinostart ist für diese Film vor allem Werbung für den DVD-Verkauf. Im Kern ist der fromme Filmmarkt weiter ein Nischenmarkt, nur einer, der sich durch das Marketing-Instrument Kino inzwischen öfter auch der nicht-strenggläubigen Öffentlichkeit zeigt. Das gilt auch für spirituelle Filme mit nicht-christlicher religiöser Prägung. Kraft Wetzel leitet seit über zehn Jahren das Festival des spirituellen Films in Berlin.
"Diese Filme zirkulieren deshalb in der Regel als früher Videokassetten, heute DVDs, man kriegt‘s nicht mit. Und der Grund ist ganz einfach: Es gibt keinen Markt für diese Filme."
Das Paradoxe ist: Gleichzeitig werden immer mehr Filme gedreht, die die Kriterien dessen erfüllen, was Kraft Wetzel als spirituellen Film bezeichnet: Filme über spirituelle Persönlichkeiten vom Dalai Lama bis Eckhard Tolle. Filme über Meditationspraktiken, Schamanismus oder die Frage danach, was eigentlich Intuition ist.
"Es gab noch nie so viele Filme, es wurden noch so viele Filme, und zwar gute, technisch gute, von Bild und Ton her, technisch gute Filme produziert wie jetzt. Ich würde sagen, im Vergleich zu vor fünf Jahren zehnmal so viel, mindestens. Sie können sich für null Euro aus dem Netz ein Schnittprogramm runterladen, und dann können Sie zuhause wunderbare Filme machen."
Das Filmemachen wird billiger, die Qualität besser – von diesem Sprung berichten auch die evangelikalen Anbieter. Abgesehen von inhaltlichen Unterschieden bewegt sich das Kino der frommen Kirchen aber meist in einem anderen Genre als das Filmschaffen der vielfältigen spirituellen Anbieter, für das Kraft Wetzel steht: Er zeigt auf seinem Festival fast nur Dokumentationen.
"Wir würden uns sehr freuen, wenn mehr spirituelle Spielfilme gemacht werden würden. Das passiert tendenziell überhaupt nicht."
Aber vielleicht tut sich die spirituelle Szene, die ja in sich vielfältig ist, einfach schwerer mit der Überwältigung und dem Bekenntnis? Ein Spielfilm nimmt anders mit als eine Dokumentation – auch wenn diese noch so nahe geht. Ums Bekennen geht es Kraft Wetzel nicht.
"Filme, wo man merkt: in dem Filmemacher ist tatsächlich etwas passiert, und das kann dann auch mit uns im Publikum passieren. Ein spiritueller Film ist im Idealfall einer, der eine Tür aufmacht. Ob man dann durchgeht oder nicht, das hat man selber zu entscheiden, das nimmt einem keiner ab."

Filmemachen mit Bekenntnis geht oft zu Lasten der Qualität

Ausschnitt aus "Gott ist nicht tot": "Von Ihnen verlange ich, dass Sie auf ein Blatt, das ich Ihnen gegeben habe, die drei kleinen Worte schreiben: Gott ist tot."
Joachim Valentin: "Man könnte aber natürlich die neueren Arbeiten von Mel Gibson und die heftige Aktivität im evangelikalen Lager im Sinne einer Selbstbestätigung, Reformulierung der christlichen Religion angesichts der weltweiten Bedrohung, des weltweiten Konfliktes beschreiben, und ich glaube, dass an der Stelle tatsächlich so mancher – man könnte auch böse sagen: darauf spekuliert, dass identitäre Kulturkonzepte im Kino wieder funktionieren, wo man früher abgewunken hätte und gesagt hätte: Lasst uns doch mit eurer christlichen Botschaft in Ruhe, das haben wir doch damals 68 abgelegt."
Joachim Valentin ist Mitglied der Filmkommission der katholischen Kirche in Deutschland und forscht seit langem zum Verhältnis von Film und Religion. Er meint: mehr Filme gerade mit christlichen Themen im Kino bedeuten nicht zwangsläufig ein gesteigertes Interesse an Christentum und Kirche. Und: Filmemachen mit Bekenntnis geht oft zu Lasten der formalen Qualität.
"Die Grundentwicklung ist tatsächlich die, dass man einfach versucht, die Botschaft abzufilmen. Und da waren wir letztlich schon mal weiter."
In einem Film wie "Die Hütte" läuft Jesus auf dem Wasser und ist das Paradies eine Blumenwiese voll tanzender Kinder. Es fällt Schnee, wenn der Held im Kummer erstarrt ist, und wenn er Gott trifft, wird das Licht warm und die Blumen blühen. Auch wenn, und dafür hat die literarische Vorlage viel Kritik wegen angeblich mangelnder Bibeltreue einstecken müssen, Gott immerhin eine schwarze Frau ist.
Ausschnitt aus "Die Hütte": "Mackenzie Allen Philipps, darauf hab ich mich schon sehr gefreut. – Kenn ich Sie? – Nicht sehr gut, aber daran werden wir arbeiten."
Joachim Valentin: "Was natürlich heißt, der Zuschauer wird nicht wirklich in seinem Suchen und seinem Zweifeln abgeholt, er wird auch nicht wirklich zum Nachdenken angeregt, sondern eigentlich wird ihm eine Botschaft vor die Nase gehalten, der er zustimmen oder die er ablehnen kann. Das funktioniert sicher im Mainstream-Film, das ist als missionarisches Instrument vielleicht auch irgendwie zu begrüßen, aber es hat natürlich mit den aktuellen Entwicklungen im Film, mit dem Arthouse-Kino letzlich nur wenig zu tun."
Werden also künftig noch mehr fromme Filme in die Kinos kommen? Der evangelikale Filmhändler Jörg Schwehn:
"Filme, die in unser Programm reinkommen, müssen einen christlichen Content haben. Es wird auch immer mehr dieser Filme geben, da bin ich ganz sicher. Weil Menschen da sind, die sich dafür interessieren."
Joachim Valentin von der Forschungsgruppe Film und Theologie will den Blick lieber weiten: Kino sei kein Transportmittel für eine schon bekannte Botschaft, sondern solle den Blick für Neues öffnen.
"Es geht hier nicht um so einen kleinen Kreis von kirchlichen Cineasten, sondern es geht auch um eine europäische Filmkultur. Ja, ich glaube, es ist das Bekenntnis dabei, im Kino anzukommen. Ob die Entwicklung sich fortsetzt, das müssen die nächsten Jahre zeigen."
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