Von Arno Orzessek

Wagners kopfschmerzgetriebene Kompositionen, die "Geheimdienst- und Abhörchose" und der von Grünen vorgeschlagene "Veggie-Day" - das sind die Themen, derer sich unser Kollege heute nach dem Studium der Feuilletons annimmt.
Es ist noch reichlich Sommer...

Und beim Blick aus dem Fenster sehen wir das Licht im August, das die Fülle der Gegenwart fein beleuchtet, aber auch schon etwas von der Melancholie des kommenden Abschieds überträgt.

In dieser Stimmung fällt uns beim Blick in die Feuilletons die Überschrift "Schwan Lenz Abendstern" in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG auf.

Allein, von lyrischen Gemütslagen handelt der Artikel nicht. Im Gegenteil.

Der Schmerztherapeut Hartmut Göbel bestaunt die Fähigkeit des Kopfschmerz-geplagten Richard Wagner, aus Pein Musik zu machen – namentlich im "‘Migräne-Leitmotiv‘" am Beginn von "Siegfried":

"Das Vorspiel baut die Ankündigungssymptome mit anschwellendem Pochen auf. Dieses steigert sich zu nervensägendem Pulsieren. Während dies im Innern des Hörers spürbar ist, hämmert Mime in der Außenwelt den akustischen Trigger für den so musikalisch erlebbaren, […] schmerzenden Migräneanfall. Schließlich lässt Wagner ihn entnervt klagen: ‚Zwangvolle Plage! Müh‘ ohne Zweck!‘"

FAZ!-Autor Göbel bewundert also Wagners Schmerzensmusik, darf aber als Therapeut die Schmerzen selbst natürlich nicht gutheißen.

"Ja, Wagner kannte Migräne und Kopfschmerz aus eigener Erfahrung. Es war die ‚Hauptplage‘ seines Lebens. Eine wirksame Migränetherapie unserer Zeit hätte ihm bedeutend mehr Schaffenskraft und Lebenszeit eröffnet. Auch das familiäre und soziale Leben der Wagners wäre wahrscheinlich weniger belastet gewesen."

Bleibt die Frage, ob ein symptomfreier Wagner die Höhe seiner Kunst erreicht, überschritten oder gar unterboten hätte.

Der ungarische Schriftstelle Péter Farkas gibt in der
BERLINER ZEITUNG zu bedenken:

"Im Zustand von Schmerz- und Furchtlosigkeit ist das Bewusstsein, vermutlich, ‚unbewegt‘ und ‚leer‘. Die ‚Leere‘ zum Beispiel stelle ich mir so vor wie die Leere in der Teetasse, die gerade auf dem Schreibtisch vor mir steht. Für den Menschen, die Kreatur muss das der optimale Zustand sein […]. Das einzige Problem ist, dass in so einem Zustand keine Kunst entsteht."

Da Farkas in der
BERLINER ZEITUNG seine Gedanken im Rahmen der Serie "‘Das Alter‘" vorträgt, hier noch seine ernsten Schlussworte.

"Nur der verliert, der Nein zum Tod sagt, zum Sterben, und dadurch auch zum Leben. Ich freue mich nicht unbedingt, dass ich sterbe. Aber ich stimme dem zu." -

In Ermangelung eines pietätvollen Übergangs kommen wir geradewegs zur Geheimdienst- und Abhörchose.

Unter dem Titel "Wusste ich’s doch" bemerkt Mathias Bröckers in der
TAGESZEITUNG:

"Wer vor […] Monaten behauptet hätte, dass Geheimdienste sämtliche Internetverbindungen und Millionen Telefonate in Deutschland abschnorcheln, wäre ohne jedes Zögern als verrückter Verschwörungstheoretiker bezeichnet worden […]. Jetzt, wo sich die Aussagen dieses Verrückten […] als zutreffend […] erwiesen haben, kann er sich freilich auch nichts dafür kaufen. Denn nun heißt es: Dass Geheimdienste spitzeln, war doch sowieso schon immer klar. Diese Wandlung hat schon […] Schopenhauer beschrieben: ‘Alle Wahrheit durchläuft drei Stufen. Zuerst wird sie lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann wird sie bekämpft. Und schließlich wird sie als selbstverständlich angenommen.‘"

In der
SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG belächelt Willi Winkler jene Schriftsteller von Julie Zeh bis Ingo Schulze, die wegen der Datenskandale in der FAZ einen offenen Brief an Angela Merkel geschrieben haben, aber weniger forsch argumentierten als einst ältere Kollegen.

Enzensberger und Co. hatten 1962 in der
SPIEGEL-Affäre den des Landesverrats beschuldigten Conrad Ahlers in Schutz genommen und den Verrat militärischer Geheimnisse als "‘sittliche Pflicht‘" geadelt.

In der Tat ein starker Spruch… aber deshalb noch lange nicht richtig, Herr Winkler! –

In der Tageszeitung
DIE WELT nimmt Alan Posener die Ambition der Grünen aufs Korn, Kantinen einen wöchentlichen Veggie-Day vorzuschreiben.

"Memo an die Grünen: Es ist nicht zu spät, eure Forderung zu ändern. Wenigstens einmal in der Woche sollte jede Kantine etwas richtig Gutes auf den Tisch bringen."

Nun denn. Wir wünschen mit der
WELT: "Friede den Küchen" … und allen Essern mit der SZ! "Zivilisierte Verdauung".